10 Jahre URSL: Ein Label-Jubiläum im Gruppeninterview

10 Jahre URSL: Ein Label-Jubiläum im Gruppeninterview

Features. 4. Juli 2021 | / 5,0

Geschrieben von:
Nadine Hennig

Das Berliner Label URSL feiert dieses Jahr seinen zehnten Geburtstag. Zusammen mit mehr als 23 Künstler:innen erscheint am 25.06.2021 eine große Compilation. Zu diesem Anlass haben sich alle Freund:innen, Künstler:innen und URSL Familienmitglieder, die zusammen die Tracks zur Compilation stellen, zu einem großen Interview verabredet. Entstanden ist quasi eine große corona-konforme Party mit Musik, Diskussionen und der ein oder anderen Blödelei. Typisch URSL eben. Thematisch geht es natürlich um die Verbindung zum Label, Gedanken um die letzten, aber auch die nächsten 10 Jahre und natürlich ums Auflegen und Produzieren. Vom URSLianer Amount stammt außerdem eine Videoproduktion, in der man das eine oder andere wilde Club- oder Festival sowie Kinderbilderschnappschüsse der Künstler:innen finden kann, wenn man genau hinschaut.

DJ LAB: Sebo, du bist einer der URSL-Gründer. Wie kam es zu so einem einzigartigen Namen? Was ist die Geschichte dahinter?

Also die Geschichte passierte ungefähr 2009. Die "URSLs" spazierten irgendwo durch den Wald. Die alten Musikstücke waren aufgebraucht und so war es an der Zeit, nach etwas Neuem zu suchen. Plötzlich ertönte irgendwo in der Ferne ein seltsames Geräusch, was uns dazu veranlasste, in die Richtung des seltsamen Geräusches zu laufen. Auf einer kleinen Lichtung fanden wir eine seltsam aussehende und große Maschine. Es schien, als ob sie schon seit einiger Zeit verlassen auf der Lichtung stand. Wir näherten uns ihr und stellten fest, dass die Maschine ein Musikinstrument war, das aus vielen kleinen Modulen bestand. Die URSL-Maschine war geboren. Aus dieser Geschichte heraus wurde die URSL-Maschine auch auf den ersten Plattencovern abgebildet. Zu Lande, unter Wasser und im Weltraum!

Jan Mir, was ist deine Verbindung zu URSL?

Wenn ich ein inneres Bild mit all den liebsten Gesichtern meiner Nachtlebenabenteuer malen würde, würde es wahrscheinlich so aussehen wie das gesamte URSL Roster. Ich kenne so Viele davon seit Jahren, hatte viele gute Zeiten mit ihnen und habe Freunde gefunden. URSL ist also die logische Konsequenz für die Veröffentlichung meiner Musik und ich bin froh, dass sie das auch so sehen.

Aaryan, wer ist dein Lieblingskünstler von URSL?

Mein Lieblings-URSL-Künstler ist Amount.

Zebra Centauri, was war euer erstes URSL Erlebnis?

Buchti: Dürerstuben – Geschlossenheit schlägt Nähe" da bin ich sofort auf den URSL-Zug aufgesprungen. Von da an hatten wir viele URSL Künstler*innen im Programm unserer Partyreihe “Floppy feiert”, die durch die Dresdner Clubs getourt ist.

Josh: Ich war anscheinend ein bisschen zu spät dran. "Krink – Paranoid" war der Track, auf den ich zu der Zeit wirklich abgefahren bin, als wir Demo für unseren Track “Ochsenfrosch” an URSL geschickt haben - und er ist bis heute einer meiner Favoriten.

The Cheapers, was war euer URSL-Moment?

Wir verliebten uns in URSL im ostdeutschen Pionierlager im Jahr 1986, als wir noch extrem junge Raver waren. Sie war ein blondes FDJ-Mädchen mit grünen Augen, die nicht so recht zu ihrem blauen Hemd passen wollten. Sie küsste uns beide, heiratete aber einen anderen. Wir trafen sie auf der Loveparade 1994 wieder, sie wurde LKW-Fahrerin, bevor sie anfing, das Label zu leiten.

The Cheapers

Sebo, was ist deine Intention, wenn du Musik für URSL machst? Versuchst du immer, den URSL-Sound einzufangen?

Ich hoffe, dass wir das tun. Die erste Frage ist, für welche Art von Sound URSL steht. Für mich liegt der URSL-Sound irgendwo zwischen Kitsch, Pop und ist natürlich melodisch. Aber natürlich gehen wir manchmal darüber hinaus und weichen ab - das ist unsere Absicht. Ich denke, das ist ganz einfach: Musik ist mit Emotionen verbunden, also ist das Ziel, Gefühle auszulösen. Glück, Melancholie, etc. Das Ziel war schon immer, Menschen zusammenzubringen, wie eine "URSL-Familie". Mit der Zeit ändern sich solche Ziele natürlich. Natürlich steckt auch ein Business dahinter, aber eigentlich mag ich die Idee nicht und das war nie das Kernziel. Vor ca. 4-5 Jahren sagten Freunde von URSL, dass wir einen avantgardistischen Sound veröffentlichen würden. Jeder sieht etwas anderes in der Musik, also weiß ich nicht, ob es das ist. Auf jeden Fall gehen wir mit der Zeit und versuchen immer, einzigartig zu sein! Lasst uns mit dem Einhorn feiern.

Johnny Da Cruz, du bist erst seit einigen Jahren an Board des URSL Schiffes. Was ist dein Lieblingsrelease des Labels - und warum genau das?

Das zu beantworten ist leicht für mich. Es ist ‘A Forest’ von Soukie & Windish (2013). Dieses Album ist wirklich etwas Besonderes für mich, auch aufgrund dieser Geschichte: Es war eines der ersten Releases, welches ich von dem Label gehört habe, und es war dasjenige, weswegen ich mich komplett in URSL verliebt hat. Ich glaube, etwa ein Jahr nach der Veröffentlichung tourten Teile des URSL Rosters durch Südamerika. Nayan und Fritz (Soukie & Windish) spielten einen Gig in dem Club, in dem ich in São Paulo meine DJ Residency hatte und ich traf die beiden so zum ersten Mal. Ich fuhr sie zu ihrem Hotel und als wir eine kleine Pre-Party in meinem Haus machten, bevor wir in den Club gingen, schenkten sie mir eine physische Kopie des Albums.

Soukie & Windish, nicht nur für URSL ist ein Jahrzehnt vergangen, sondern auch für euch. Ihr seid schon von Anfang an dabei und entwickelt euch immer weiter. Was steht gerade bei euch auf der Agenda?

Das Leben hört nie auf, sich zu verändern. Fritz (Windish) schreibt seit einigen Jahren an einem Roman und ist Vater einer kleinen Tochter geworden. Vor Corona kuratierte und produzierte er das Garbicz Festival in Polen. Nayan (Soukie) war in der Vergangenheit viel für URSL Records tätig und arbeitet an seinem Solo-Live-Projekt "Amount". Nebenbei engagierte er sich in einem Country Side Projekt in der Nähe von Berlin. Außerdem lernt er gerade, wie man Videos mit After Effects manipuliert und bearbeitet.

Der freundlich Sultan, was habt ihr in den letzten 10 Jahren gelernt?

Vertraue niemals deinem Musikgeschmack!

Christian Hülshoff, kannst du uns ein bisschen mehr über deinen musikalischen Hintergrund erzählen?

Ich habe meine musikalische Reise im Alter von 15 oder 16 Jahren begonnen. ich habe in den letzten 15 Jahren in verschiedenen (meist Punk-) Bands gespielt, bevor 2016 die Synthies meinen Weg kreuzten.

Schleppgeist, was ist das Beste, das dir in den letzten 10 Jahren passiert ist?

Das war definitiv die Geburt meiner Tochter.

Johnny Da Cruz, wo hast du vor 10 Jahren gelebt (als URSL geboren wurde)? Könntest du uns ein wenig über die Szene dort erzählen?

Vor 10 Jahren lebte ich in São Paulo und genoss die ersten Monate meiner Residency bei D-Edge, die dann immerhin sieben Jahre andauerte. Die Szene in São Paulo ist fantastisch. Es war schon immer eine Stadt mit einem verrückten Nachtleben, man hat Möglichkeiten, jeden Tag zu feiern. Zu dieser Zeit waren die Partys mit elektronischer Musik noch auf einige Clubs beschränkt, aber seit den letzten 8 Jahren, würde ich sagen, gab es diese riesige Bewegung, sehr inspiriert von der Berliner Szene, in der die besten Partys aus den Clubs herausgingen und stattdessen an verlassenen Orten stattzufinden, die von alten Kinos bis zu verlassenen Fabriken oder Bahnhöfen reichen. Dies ließ die elektronische Szene in den letzten Jahren explodieren, bis zu dem Punkt, dass einige der größten Festivals Europas begannen Editionen in der Stadt zu veranstalten. Der kulturelle Austausch zwischen Künstler:innen aus São Paulo und Berlin hat in den letzten Jahren stark zugenommen, was es mir übrigens ermöglichte, erstaunliche Künstler von hier zu treffen. Was es mir schlußendlich auch möglich machte selbst nach Berlin zu ziehen. Bei meiner letzten Reise nach São Paulo im Jahr 2019 war ich mit einem deutschen Freund unterwegs, der sehr beeindruckt war und der die Berliner Partys in den 90er und frühen 2000er Jahren mit denen in vor Ort verglichen hat. Die Szene in São Paulo ist also definitiv etwas ganz Besonderes, ich empfehle jedem, der elektronische Musik mag, unbedingt ein paar Tage in São Paulo zu verbringen und sich die dortige Szene anzuschauen, er wird mit Sicherheit beeindruckt sein und eine gute Zeit haben.

Johnny Da Cruz

Rampue, du bist in den letzten 10 Jahren viel gereist. Hast du einen Lieblingsort?

Ich habe schon viele schöne Orte gesehen, aber mein Lieblingsplatz ist zu Hause mit meinen Katzen und meiner Freundin.

Aaryan, du bist ja in Indien geboren und lebst dort noch immer. Erzählst du uns ein bisschen was über die dortige Szene?

Die elektronische Musikszene in Indien befindet sich, meiner Meinung nach, gerade in einem großen Umbruch. Die Covid-Situation hat die ganze Welt in einen Zustand der Ruhepause versetzt, aber überall auf der Welt gibt es Künstler*innen, die sich nun auf die Arbeit im Studio konzentrieren und versuchen, sich neu zu erfinden, und Indien ist da keine Ausnahme. Ein paar Künstler haben Neuland betreten (vor allem für Indien) und ihr Engagement ein paar Stufen nach oben geschraubt, so dass sie sich auf globaler Ebene bemerkbar machen. Es gibt jetzt auch mehr Produzent*innen, die Musik machen, die nicht in den "Mainstream" passt, aber trotzdem verstehen, was es braucht, um einen Dancefloor zu bewegen. Ich denke, das liegt daran, dass es auf einem normaler indischer Dancefloor heute mehr Menschen gibt, die sich neu für den elektronschen Sound begeistern als noch vor fünf oder sieben Jahren. Diese neuen Tänzer*innnen kommen nicht nur aus einem Bekanntenkreis (der vielleicht in einem anderen Land lebt oder zu Besuch ist), sondern auch aus echter Neugierde auf etwas, das nicht dem Mainstream entspricht. Insgesamt denke ich also, dass es eine ziemlich spannende Periode ist, die in den nächsten 5 Jahren zu einigen wirklich interessanten Ergebnissen führen sollte.

Deckert, was ist deine Historie mit Musik im Allgemeinen und dem DJing im Besonderen?

Um ehrlich zu sein bin ich so oder so ein bisschen ein Spätzünder. Ich habe mein erstes Instrument, eine Bassgitarre für 50 Dollar, im Alter von 21 Jahren bekommen, weil Freunde von mir in den frühen 2000ern eine Emo-Band gründen wollten und offensichtlich niemand Bass spielen wollte. Sie fragten mich, weil "jeder Idiot das spielen kann" und so bin ich zur Musik gekommen und habe es irgendwie danach nie geschafft, eine richtige Exitstrategie daraus zu entwickeln. Mit dem Aufkommen von French House und dem sogenannten "New Rave" machte ich den Übergang zur elektronischen Musik, weil es noisy genug war, um meine gitarrengequälten Ohren zu befriedigen. Zu der Zeit um 2006/2007 war ich regelmäßig in Berlin, während ich noch in meiner Geburtsstadt Essen lebte. Damals gab es dort noch nicht viele Raves, vor allem die Möglichkeit an einem Sonntag zu auszugehen, gab es noch nicht. Also versuchten ein paar Freunde und ich, dieses geliebte Berliner Konzept im Ruhrgebiet zu etablieren. Wir suchten uns die Bar mit den günstigsten Bierpreisen im Dortmunder Norden (die so etwas wie der problematische soziale Hotspot war) und fragten die Besitzer, ob sie Lust auf eine monatliche Sonntags-Rave-Matinee hätten. Da wir uns keine DJs leisten konnten, brachten wir uns selbst die Grundlagen bei und legten gleich los. Wir hatten eine tolle Zeit, aber Dortmund war noch nicht so weit. Wir spielten für die üblichen Arbeiterklasse-Tagestouristen plus 7 Skinny-Jeans-Hipster-Typen. Beide Peergroups haben sich eigentlich ganz gut verstanden und vielleicht haben wir ein paar Leute zusammengebracht, die sich unter anderen Umständen nie getroffen hätten und Hey: ist nicht genau das die tiefere Botschaft des Raves? Das Ende klingt vielleicht ein bisschen pathetisch, aber das ist die romantische Geschichte, wie ich zum DJing gekommen bin!

Franca, seit wann produzierst du elektronische Musik? Gab es einen speziellen Punkt, an dem du deine Karriere gestartet hast?

Ich habe als Teenager in einer Band gespielt und schon immer Songs für mich selbst auf der Gitarre geschrieben. Das Produzieren von elektronischer Musik kam ziemlich spät, etwa 2016, und meine erste Solo-EP habe ich tatsächlich zwei Jahre später auf URSL veröffentlicht. Je länger ich als DJ aufgelegt habe, desto mehr wurde ich neugierig darauf, diese Art von Musik selbst zu produzieren. Es war also eher eine organische Entwicklung im Laufe der Jahre.

Franca

Amount, die Szene hat in den letzten Jahren verändert. Siehst du ein positives Ergebnis der Digitalisierung innerhalb der elektronischen Musikszene?

Aus egoistischer Sicht finde ich es ziemlich ärgerlich, dass es jetzt so eine unübersichtliche Menge an Musik gibt, was eine logische Konsequenz der Digitalisierung ist. Aber andererseits war früher auch nicht alles besser. Jetzt haben wir alle Zugang zu allem und das macht einen enormen Reichtum aus, der in den neunziger Jahren unvorstellbar gewesen wäre. Ich denke auch, dass sich durch die Digitalisierung mehr Stile und Subgenres entwickeln werden, weil die Unterscheidung in einem so unübersichtlichen Markt noch wichtiger geworden ist. und das macht die Musik interessanter!

Zebra Centauri, euch gehört der Club objekt klein a in Dresden. Wie schafft ihr es, für den Club zu arbeiten UND Musik zu produzieren? Beeinflußt euch der Club als Produzenten?

Der Club beeinflusst unsere Arbeit insofern, als dass er uns kaum Zeit zum Produzieren lässt, seit wir vor 5 Jahren unser Debüt mit URSL hatten. Der spärliche Output, den wir jedoch generieren, ist geprägt von der Zeit, die wir mit unseren engsten Freunden verbringen: dem Clubkollektiv. Wie unser Name, entstanden viele Tracks auf unserer jährlichen Silvesterklausur in wunderbar schrägen Situationen, die wir nur als eine Mischung aus Rave, Spa und Pfadfinderausflug beschreiben können. Diese Momente und die damit verbundenen Emotionen haben unseren Sound sehr geprägt. Neben der Musik teilen wir uns die Leidenschaft und Verantwortung für das Image, das der Club medial abgibt. Einer macht die visuelle Art Direction und der andere das Schreiben. Wir sind also crossmedial verflochten. Der Club ist vor allem ein spannendes Geflecht von Menschen und wir möchten jedem empfehlen, vorbeizukommen und sich davon anstecken zu lassen.

Acud, auch du warst schon Booker für zwei Clubs hier in Berlin tätig. Kannst du uns ein bisschen über den Arbeitsalltag eines Bookers erzählen? Wie ist das so, was hast Du jeden Tag gemacht? Und hat dich das als Künstler beeinflusst?

Ich habe als Booker im Sisyphos und im Keller gearbeitet. Ich war immer bestrebt, neue Talente zu finden. Acts wie Wankelmut, Ben Böhmer oder Alle Farben kamen durch mich zu einem ihrer ersten Auftritte vor einem breiten Publikum. Um ehrlich zu sein, hat mir die Arbeit zu viel Energie geraubt. Oft wurde ich nachts aus dem Bett geklingelt, weil ein Act den Eingang zum Keller nicht gefunden hat. Irgendwann musste ich mir eingestehen, dass ich es satt hatte. Aber ich betreibe das Label KELLER immer noch mit dieser Leidenschaft für frische elektronische Musik. Als Künstler habe ich sicherlich kleine Dinge aus der Arbeit des Bookers mitgenommen. Aber ich bin erst aufgeblüht, nachdem ich das Amt verlassen habe.

Der freundlich Sultan, ihr seid kein typischer eletronischer Musik Act. Erzählt uns ein bisschen über eure Intention. Wir würden auch gerne etwas über die Shows erfahren, die ihr bereits gespielt habt, da sie jedes Mal ziemlich einzigartig waren.

Wir spielen nie ein Konzert zweimal und wir mögen es, unsere Shows an neue Umgebungen anzupassen, wie ein schlammiges Festival,
eine Lesung in einem Theater, beim Psychologen, in einer schicken Bar oder auf dem Dach einer bayerischen Schönheitsklinik.

Jonathan (Kuriose Naturale), was ist denn der bester Tanzmove, deines Kuriose-Kollegen Kristian?

Ganz klar, der ‘shuffle move’. Kristian ist ein Shuffler…

& Kristian (Kuriose Naturale), was ist Jonathans beste Bewegung auf dem Dancefloor?

Jonathan ist der ‘Schnitzler’ aka Sledge Hammer. Einer auf jeder Seite wie ein doppelter Fleischklopfer!

Franca, kannst du uns sagen was das Beste und was das Schlimmste daran ist elektronische Musik zu produzieren?

Wahrscheinlich ist diese schier endlose Weite an Möglichkeiten und Wegen, kreativ zu werden und sich auszudrücken, das ist Beste und manchmal das Schlimmste. Ich habe immer noch das Gefühl, dass ich so viel lernen muss, und manchmal kann es sehr überwältigend und sogar frustrierend sein, wenn man entweder eine Idee hat und es einem an der Fähigkeit fehlt sie umzusetzen, oder wenn man keine Idee hat, aber so viele Sounds zur Auswahl. Da ich als DJ so viel professioneller bin, weiß ich genau, wie Tracks klingen sollten, um auf einer Tanzfläche zu funktionieren. Der Versuch, das zu realisieren, ist eine inspirierende Herausforderung, kann aber auch demotivierend sein. Aber insgesamt ist die Freiheit, die man hat, sich auszudrücken, erstaunlich und macht so viel Spaß!

Amount (r.)

Canson, auch dir wollen wir gerne diese Frage stellen. Was ist das Beste und das Schlimmste daran elektronische Musik zu produzieren?

Das Beste ist diese Unendlichkeit. Du bist überhaupt nicht limitiert. Aber das ist gleichzeitig auch das Schlimmste: Alles ist möglich.

Bookwod, gab es einen besonderen Moment oder eine Sache oder auch eine Person, die dich zur Produktion deines Tracks 'Off Time' inspiriert hat?

Wie der Name schon sagt, habe ich diesen Track kreiert, während ich in einer kleinen Holzhütte in einem friedlichen Dorf in Norddeutschland etwas 'Off Time' hatte. Ich habe in letzter Zeit viel DJ Koze gehört und ich bin so verliebt in seine organische, lässige, 'Nimm-deine-Musik-nicht-zu-ernst'-Weise, elektronische Musik zu machen... das hat mich sehr inspiriert und mich ermutigt, zu versuchen, einige klassische Grenzen der elektronischen Tanzmusik zu durchbrechen und einen mehr 'Pop-Songwriting'-Ansatz zu versuchen.

The Cheapers, wie läuft euer kreativer Prozess ab?

Wir zerquetschen ein paar Kopfhörer und bereiten eine würzige Schüssel mit Klangsalat als Vorspeise zu. Dann schneiden wir ein paar Samples auf 12 Bit und spielen sie viel zu laut in der Mikrowelle, bevor wir alle unsere Moogs im analogen Ofen bei 118BPM langsam garen. Währenddessen: Tinder und Discogs. Den Rest macht das Mastering!

Bookwod, dein Track ‘Cali’ ist der meistgespielten URSL-Tracks. Hättest du jemals gedacht, dass das passieren würde?

Nun, die Sache ist die, dass der Hauptgrund für diese Plays große Spotify-Playlists sind und ich bin mir bewusst, dass die meisten Plays als Teil einer Hintergrundmusik passieren. Aber trotzdem fühlt es sich gut an zu wissen, dass deine Musik auf der ganzen Welt so oft gespielt wird! Und um Ihre Frage zu beantworten: Natürlich hätte ich nie gedacht, dass ein einzelner Track von mir aus heiterem Himmel plötzlich 3,7 Millionen Plays landen würde, nur weil irgendeine Person bei Spotify dachte, dass dieser in eine große Playlist passen würde. Verrückte Zeiten!

Deckert, der Name deines Tracks ‘Die, Ayahuasca Capitalist, Die’ für die 10 Years URSL Compilation klingt spannend. Was ist die Geschichte dahinter?

Der Titel könnte leicht als aggressive und irgendwie schlicht reaktionäre Kritik an der Oberschicht-Subkultur der elektronischen Musikszene, die sich von Ibiza über Burning Man bis nach Tulum ausbreitet, missinterpretiert werden, aber er ist natürlich auf Deutsch geschrieben und heißt grob übersetzt "Der Namaste-Kokser".

Daniele Di Martino, du produzierst ziemlich viel. Hast du noch Zeit für ein Hobby oder ist die elektronische Musik dein Job und dein Hobby zugleich?

DJing und Produzieren ist mein Hauptjob, aber in der aktuellen Pandemie kein einfacher mit fast null Einkommen und wenigen Gigs. Stattdessen versuche ich, öfter meinen Hobbys nachzugehen, Skifahren, Radfahren und Segeln.

Daniele Di Martino, vor der Pandemie bist du viel als DJ getourt und bist auch seit einiger Zeit mit Releasen bei URSL vertreten. Verrätst du uns deinen Lieblingsdrink, wenn du auflegst?

In letzter Zeit trinke ich das Atlantik Ale von Störtebecker und genieße das sehr. Auch wenn ich aus Bayern komme, trinke ich momentan ein Bier aus dem Norden. P.s. Ein anderes sehr leckeres Bier, das ich mag, ist Naom aus Weihenstephan.

Jan Mir, du bist neben deiner Tätigkeit als Produzent arbeitest du als Psychologe. Hat diese Arbeit Einfluss auf deine Musikproduktionen?

Leider lassen sich Synthesizer von meinem Beruf nicht beeindrucken. Aber vielleicht stelle ich ja die falschen Fragen?

Jan Mir

Jurek Riegler, in deiner Freizeit gehst du vielen, anderen Aktivitäten neben dem Produzieren nach. Was machst du am liebsten was gibt dir die meiste Inspiratation für das Produzieren von Musik?

Wenn mich die Muse nicht küsst, gibt es eigentlich nur zwei Dinge, die helfen: Sport und die Natur. Vorzugsweise in Kombination. Ich bin gerne draußen im Wald und sammle Pilze. Ich fahre aber auch regelmäßig in die Schweiz und in den Schwarzwald, wenn ich ein bisschen mehr Action und gleichzeitig weniger Trubel haben möchte.

Acud, du bist gleichzeitig auch Sänger. Hast du jemals in einem Chor gesungen oder hast mal Privatunterricht genommen? Setzt du deine Stimme auch in deinen eigenen Produktionen ein?

Ich habe nie in einem Chor gesungen, das wäre auch nichts für mich. Ich würde immer versuchen, eine zweite Stimme darüber zu singen. Das mache ich übrigens auch oft in meinem Studio. Meine Stimme ist eher klar und weniger "fett", deshalb schichte ich oft verschiedene Stimmen subtil übereinander. Beim Produzieren setze ich die Stimme manchmal als Lead-Element ein, manchmal ordne ich sie dem Rest der Sounds unter. Gesangsunterricht habe ich mal genommen, ja. Das half mir, meine Stimme besser zu kontrollieren. Nach 2 Jahren hatte ich nicht mehr das Gefühl, dass ich die Stunden brauche. Ich hatte einen erstaunlichen Lehrer. Was er sagte, nehme ich mir nach wie vor zu Herzen.

Was wird die Zukunft für Soukie & Windish bringen?

Wir hoffen, dass wir wieder mehr Zeit finden, um gemeinsam Musik zu machen und an einem neuen Album zu arbeiten. Die Idee ist, zurück zu unseren Wurzeln zu gehen und mehr Musik für den Feierabend und das Hören zu Hause zu machen. Wenn es keine Tanzflächen gibt, scheinen Peak-Time-Banger zu anspruchsvoll.

Jurek Riegler, wie siest du die Zukunft des Produzierens? Wie machst du dir Technologien zunutze?

Ich denke, die Zukunft des Produzierens liegt nicht, wie viele Hörer vielleicht annehmen, in einer neuen Form der Klangsynthese oder Aufnahmetechnik. In Zukunft wird sich alles um Schnittstellen drehen. Es wird immer einfacher werden, Ideen auch ohne musikalischen Hintergrund festzuhalten. Vielleicht werden wir eines Tages eine kleine Soundkarte im Kopf tragen und unsere Schritte werden die Bassdrum triggern. An meinem technischen Set-Up wird sich vorerst nicht viel ändern. Ich arbeite hauptsächlich softwarebasiert. Analoge Synthesizer benutze ich meist nur dann, wenn das Arrangement schon steht - dann tausche ich einfach bestimmte Sounds aus, was unglaublich viel Zeit spart. Im Moment bin ich sehr an neuen Midi-Controllern interessiert. Zum Beispiel die Jungs von Vochlea, mit denen man Sounds mit der eigenen Stimme triggern kann. Oder Produkte wie Midi Guitar 2 oder Jammy, die recht spielbare Midi-Konzepte für Gitarristen anbieten. In diesem Bereich tut sich im Moment sehr viel, ich bin gespannt, was da noch kommt.

Amount, du bist einer der kreativen Köpfe von URSL. Hast du eine Vorstellung davon, wie die verschiedenen kreativen Wege (Auflegen, Musik produzieren, Videos produzieren, Malen usw.) in Zukunft zusammenarbeiten werden?

Auf jeden Fall werden Videos eine immer wichtigere Rolle spielen. man sieht ja, wie tik tok instagram immer mehr ablöst. ich denke, der Unterhaltungsfaktor ist entscheidend. Ansonsten möchte ich keine Aussage treffen, da die Kombination verschiedener Richtungen in der Kunst immer eine individuelle ist, die es immer gegeben hat und immer geben wird.

Schleppgeist, hast du besondere Pläne für die nächsten 10 Jahre?

Ja. Teil der 20 Years of URSL Compilation zu sein.

Und unsere aller allerletzte Frage: Kuriose Naturale, warum fahrt ihr nackt auf einem Rasentraktor?

Ich habe einen normalen Job als Gärtner bekommen, was in diesen schwierigen Zeiten gut ist.

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