I. Jordan im Interview: "Es als Arbeiterkind geschafft zu haben, macht mich stolz"
© Kairo Urovi

I. Jordan im Interview: "Es als Arbeiterkind geschafft zu haben, macht mich stolz"

Features. 30. Juni 2024 | 3,8 / 5,0

Geschrieben von:
Nastassja von der Weiden

I. Jordan ist DJ, Producer:in und – berühmt. So berühmt wie man eben ist, wenn man bereits mit Fred Again.. einen Track oder Remixe für Fever Ray und Eliza Roze gemacht hat. I. Jordan lebt in London, reist hierhin und dorthin und ist einigermaßen, wie es für bekannte DJs keine Seltenheit ist, schwer zu greifen. Das Album von I. Jordan kam bereits am 10. Mai 2024 auf den Markt und sammelte hunderttausende Plays bei Spotify. Unsere Autorin durfte I. Jordan Ende Mai bei einem digitalen Gespräch kennenlernen. Die Erkenntnisse daraus, zum Beispiel, dass jeder Auftritt Teamwork ist oder warum Musik einfach "nice" ist, lest ihr bei uns.

Was soll ich sagen: Ich bin I. Jordan-Fan. Geworden. Besonders seit diesem Nachmittag, der I. Jordan und mich eine Stunde lang zusammenbrachte und wir über Musik, übers Trans-sein, über Community, über London, übers Feiern und Katern miteinander sprachen. Zur Vorbereitung höre ich mir einige EPs und, natürlich, das Debüt-Album 'I AM JORDAN' an. Es ist kein Konzeptalbum. Eher ein "Hits, Hits, Hits"-Album. 

Die erste Single daraus, 'Real Hot n Naughty', gesungen von Performer und Schauspieler Felix Mufti (bekannt aus Sex Education), sticht dabei als queere, sommerliche Hymne heraus. Für mich herausragend sind darüber hinaus die Tracks 'Close to you' und 'Rapt Finis', die es nach dem ersten Hören direkt in meine Lieblingssongs-Rotation schaffen.

Aber da sind noch viel größere Themen, die I. Jordan im Interview anspricht, als "nur" deren Tracks und DJ-Gigs: Klasse, Transition und Dankbarkeit. Dankbarkeit dafür, als Arbeiterkind ohne finanzielle Mittel als Musiker:in zu touren, von der eigenen Kunst zu leben und als queere Person von vielen Menschen gehört und gesehen zu werden. 

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I. Jordan: High Energy und Zurückgezogenheit

Jordan sitzt für unser Interview zu Hause im Wohnzimmer und lächelt in die Kamera. Als ich Jordan bitte, sich kurz vorzustellen, lacht Jordan: "Ich mache Musik und darf dafür viel reisen. Das ist es quasi … und ich gehe gerne ins Gym." Nach dem Fitnessstudio verbringt Jordan viel Zeit im Studio unweit des Fold-Clubs in London. Oder in Hotelzimmern und Zügen. Die Tracks des Albums entstanden größtenteils "on the road", mit dem Laptop vor den Augen, Kopfhörern auf den Ohren und mit Ableton. Der älteste Track entstand vor drei Jahren. 

Es ist deshalb wirklich ein Meilenstein in der Karriere von Jordan – und erst kürzlich hat es sich dann auch "wirklich real" angefühlt: "Ich war letzte Woche auf einem Festival in London, nicht um zu spielen, sondern um Freund:innen zu treffen. Dort habe ich Produzent:innen getroffen, die ich lange nicht gesehen habe, die mir Feedback zu meinem Album gegeben haben. Das hat es erst so richtig wahr werden lassen. Es ist ein ganz anderes Gefühl, etwas online zu bewerben oder persönlich mit anderen darüber zu sprechen", sagt Jordan.

Gemixt wird jeder Track von Jordan selbst und zwar über AirPods: "Die meisten Leute hören sich Musik über ihre Smartphone-Kopfhörer an, das ist einfach so. Deshalb mixe ich es auch darüber ab." Bis hierhin klingt das Tour- und Producing-Life recht einsam. Im Hotelzimmer, dauernd unterwegs, Musik schreiben, produzieren, bestenfalls früh schlafen gehen – ganz so ist es aber nicht, zum Glück: 

"Ich schicke meine Musik an viele meiner Freund:innen und tausche mich mit ihnen aus, immer. Und wenn ich spiele, ist da natürlich auch ein krasser Energie-Austausch, wenn ich Tracks von mir im Club teste – Leute tanzen, schreien und feiern dazu. Das liebe ich daran." Demgegenüber stünden aber natürlich auch zurückgezogene Momente, die vor allem bei den Tracks ‘Close to you’ und ’Rapt Finis’ hörbar sind.

Transition und Reflexion 

‘I AM JORDAN’ erschien beim Label Ninja Tune. Die Liste der Künstler:innen ist lang und für Name-dropping geeignet: Bicep, Helena Hauff, Peggy Gou, Modeselektor oder Metronomy. Nur wenige der Künstler:innen sind trans, I. Jordan ist also eine Ausnahme. Aus diesem Grund war es Jordan besonders wichtig, mit den Ressourcen für das Album trans-zentriert umzugehen: "Alle, die an diesem Album beteiligt sind, sind trans, wirklich alle. Auch die Person, die Fotos gemacht hat oder die PR-Texte geschrieben hat." 

Jordan betont, dass es immer Teams sind, die Musik auf Bühnen bringen, niemals nur der:die Künstler:in alleine: "Es gibt da diese Über-Glorifizierung des Artists. Wir können das aber nicht alleine, wir sind immer auf andere Menschen angewiesen, die uns die Möglichkeit geben, da oben zu stehen." Eine Botschaft des Albums ist, dass ein Individuum nur innerhalb einer Community überleben kann. Das ist das eine – das andere ist die Reflexion über die eigene Transition zur non-binären Person auf dem Album. 

Auch hier: Community is key. Informationen über Trans-Identität seien größtenteils online und in Foren verfügbar. Der Titel des Albums, der ja sehr egozentrisch verstanden werden könnte, ist also genau gegenteilig gemeint. Es geht nicht nur um Jordan – klar, auch, aber es geht genauso um den Weg per se, der nur mit der Hilfe von Freund:innen und Leuten, die auf Reddit oder Instagram über ihre Transition gesprochen haben, möglich war. 

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I. Jordan: "Music is nice"

Ein weiterer Song, der eng mit Jordans Transition verbunden ist, ist 'People want nice things', weil I. Jordan zum Beginn der Produktion des Titels mit der Einnahme von Testosteron begonnen hat. Und die Veränderung der eigenen Stimme, die mit der Einnahme einhergeht, wollte Jordan in einem Track verarbeiten. 

Jordan holt ein wenig aus: "Meine Insta-Bio vor zwei Jahren lautete 'music is nice'.” Ich glaube, das ist im Deutschen auch so, ‘nice’ beschreibt im Subtext etwas Spezielles – es ist nicht das Allerbeste, nicht das Schlechteste – einfach nett eben. Und das ist das, was wir als Menschen ganz oft wollen: nice things. Wir wollen glücklich sein, wir wollen genug sein. Nicht dieses ‘Ich will der:die Beste sein’, nein, manchmal soll es einfach nur nett und gemütlich sein." 

Den Satz "People Want Nice Things" sang Jordan über neun Monate hinweg immer wieder ein, layerte die Spuren und konservierte damit die Stimmveränderung. Live performt Jordan den Song übrigens mit einer Voice-Box: "Meine Stimme kann ich nicht mehr so verändern, wie auf dem Track, deshalb performe ich live mit einer Box, die einen Gender-Knopf hat. Damit funktioniert es."

Der Sound der britischen Arbeiterklasse 

Worüber Jordan und ich auch sprechen, ist das Aufwachsen in der britischen Arbeiterklasse. Als queere Person nicht unbedingt the most easy thing on earth. Felix Mufti und Jordan teilen diese Erfahrung – Felix kommt aus Liverpool, Jordan aus Doncaster. Ihr Akzent, ihr damaliges Umfeld sind Thema im Video zu 'Real Hot n Naughty': "Unser Sound ist working-class. Und das wollten wir auch im Video transportieren, das wir in einem Bingo-Club, ein typisch männlich-geprägter Raum der Arbeiterklasse in UK, gedreht haben. Wir holen uns diesen Ort im Video zurück."

Jordan spüre eine große Demut und Dankbarkeit dem Leben als Künstler:in gegenüber. Es als Arbeiterkind, mit wenig Geld, dahin zu schaffen, sei besonders. Leider. Rankings und Magazin-Cover machen Jordan sehr, sehr stolz: "Ich hätte das nie geglaubt, dass ich das schaffe. Ich habe einen Ordner mit Screenshots, wenn ich in eine DJ-Liste gewählt werde oder ein Interview mit mir erscheint. Um das festzuhalten und auch, um es begreifen zu können."

Damit sind wir am Anfang angelangt, nicht nur bei den Wurzeln von Jordan, sondern auch am Anfang des Albums. Und am Ende des Interviews. Jordan bricht auf ins Studio. Neue Tracks schreiben, einen Gig in Berlin vorbereiten und ein Testosteron-Rezept muss auch noch abgeholt werden, lacht Jordan – wir bedanken uns, winken zum Abschied in die jeweilige Kamera. Zum Abschluss wähle ich einen Track aus, der die Stimmung etwas verbildlichen soll und entscheide mich für 'When Lights Flash', den ersten Song auf Jordans Debüt. Um es anschließend noch einmal komplett anzuhören – und dann nochmal. 

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Veröffentlicht in Features und getaggt mit Eliza Roze , Felix Mufti , Fever Ray , Fred Again , I. Jordan , London

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