Die Muna im Clubporträt – Eine große Liebhaberei in Bad Klosterlausnitz
Die Muna ist einer der ältesten Clubs in Deutschland und feiert im November ihr 30-jähriges Bestehen. Trotz ihrer eher abschüssigen Lage nahe der thüringischen Kleinstadt Bad Klosterlausnitz zieht sie weiterhin ein gemischtes und neugieriges Publikum an. Das Geheimrezept? Lieber weniger, das aber sehr gut, wie die Residents Sierra und Mathias Kaden berichten.
Die wenigsten Clubs werden gebaut, die meisten von ihnen besetzen bestehende Räumlichkeiten. Oft verweisen sie auf die frühere Nutzung durch ihre Namen. Der alte Tresor beispielsweise war, genau, im vormaligen Tresor eines Kaufhauses untergebracht. Und die Muna in Bad Klosterlausnitz ist in einem Gebäudekomplex beheimatet, der als Munitionsanstalt diente – bis zum Jahr 1945 der Name für Lager, in denen Waffen untergebracht und zusammengesetzt wurden. "Die Muna wurde in den dreißiger Jahren gebaut und belieferte später die Heeresgruppe Mitte – das ging alles nach Stalingrad", erklärt Sierra, Resident-DJ des Clubs und Mitglied des dahinterstehenden Vereins. Clubs können alte Orte eben nicht nur von Neuem mit Leben füllen, sondern sie auch radikal umdeuten.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde der Gebäudekomplex noch auf andere Arten verwendet. Ein Kinderheim – darauf verweist noch die Adresse Jugendwaldheim 23 – und schließlich ein Kino zogen dort ein, der heutige Saal-Floor des Clubs. Nachdem die Nationale Volksarmee (NVA) zu DDR-Zeiten lange Zeit das Gelände genutzt hatte, geriet es nach dem Mauerfall in Vergessenheit. "Wir sind dort 1994 eingefallen", erinnert sich Sierra. Das Gelände war von einem Investor aus dem Westen übernommen worden, der mit der Immobilie aber nichts anstellte. Das änderte sich, als ein paar erlebnishungrige junge Menschen sich auf die Suche nach einem Veranstaltungsort für eine Party machten. "Im Pförtnerhäuschen saß jemand und sah uns über das Gelände schleichen", lacht Sierra. "Wir mussten ihm erstmal erklären, dass wir dort gerne einen Geburtstag feiern würden und das Jugendhaus in der Stadt dafür nicht infrage käme."
Als die jungen Menschen im November 1994 ihre erste Party in der Muna veranstalteten, standen im ehemaligen Kinosaal noch Klappstühle – sie sind dort bis heute geblieben. Provisorischer war da schon der Rest der Ausstattung. "Wir hatten kein fließendes Wasser, der Strom kam aus einer einzigen Steckdose", erinnert sich Sierra. "Überall lagen Paletten, auf die wir Matratzen gelegt hatten, beheizt haben wir alles mit Gasflaschen mit Brenneraufsatz – offenes Feuer!" Trotz der im Rückblick eher prekären Organisation kam die Party gut an. Bald folgen weitere, freundlich geduldet vom Verwalter des Geländes. "Der war froh, dass er nicht mehr alleine war", lacht Sierra. Er beschreibt die frühen Neunziger als Zeit der Freiheit, in der die Umstände Unternehmen wie ihres begünstigten.
Das bekräftigt auch Mathias Kaden, der 1997 dazu stieß. "Nach der Wende war es im Osten gang und gäbe, dass die Leute einfach irgendwo reingegangen sind und etwas gemacht haben." Das holte viele ab: Das Publikum war gierig auf Angebote wie die immer regelmäßiger laufenden Partys. Es rekrutierte sich aus Bad Klosterlausnitz und der weiteren Umgebung, mit der bundesweit anlaufenden Rave-o-lution hatten indes die wenigsten von ihnen zu tun. "Punks, Metalheads und Hip-Hop-Fans waren dabei, sie hatten über den Buschfunk von den Partys erfahren", so Sierra. In der Gegend sei insgesamt wenig los gewesen, alle hätten die Abwechslung begrüßt. "Es ist schon faszinierend, wie sich alle über diese Musik einig wurden!" Mitte der neunziger Jahre waren die Grenzen zwischen den einzelnen Subkulturen noch nicht so streng gezogen.
Schnell entwickelte sich die Muna zu einem regionalen Treffpunkt für allerhand junge Menschen. Für eine Verstetigung des Projekts sorgte die Gründung des bis heute bestehenden Vereins Moonray Spirit. Einen richtigen Club zu gründen, habe niemand dezidiert vorgehabt, sagt Sierra. Er spricht von einem "schleichenden Prozess". Kaden unterstreicht, dass die nicht mit einer Kommerzialisierung zu verwechseln sein: "Niemand wollte damit Geld verdienen! Es ging darum, gute Partys zu schmeißen." Sierra stimmt zu: "Am Anfang stand der Gedanke, die Idee, in der Gemeinschaft besser zu leben. Du kannst dir das ein bisschen wie eine Kommune vorstellen." Ein bisschen Hippie-Spirit weht weiterhin durch das ehemalige Militärgelände.
Der große Kampf um Aufmerksamkeit
Obwohl die Muna schnell zur Anlaufstelle für die regionale Jugend wurde: "Die Aufmerksamkeit der Clublandschaft mussten wir uns erkämpfen", sagt Sierra. Zwar kamen bald DJs schon von weit her – einige von ihnen nehmen den Club aber nicht unbedingt ernst. Es sei angesichts der Abgelegenheit des Clubs allerdings auch verständlich: "Von der Autobahn sind es noch zwei, drei Kilometer und dann geht es über eine breite Pflasterstraße durch den Wald, bevor das Armeegelände in der Ferne auftaucht." So berechtigt die Skepsis auf dem weiten Weg in die vermeintliche Einöde war, so schnell verflog sie gemeinhin angesichts der Party. Sierra erinnert sich an DJs, die überpünktlich nach ihrem Set abreisen mussten, um etwa im Berliner WMF aufzulegen – sich jedoch ärgerten, einem kochenden Floor den Rücken zu kehren.
Hin und wieder geht das heute noch so. Denn obwohl das Team der Muna von Anfang ein feines Gespür an den Tag legte und beispielsweise Dixon oder Ben Klock nach Bad Klosterlausnitz holten, lange bevor sie auf internationaler Ebene zu Superstars in der Szene wurden: "Wir sind auch nach dreißig Jahren ziemlich unbekannt", sagt Kaden. "Wenn du im Ausland die Distillery in Leipzig erwähnst, haben von der natürlich schon alle gehört. Von der Muna aber die wenigsten!" Noch immer bräuchte es Überredungskünste, um größere DJs in die Muna zu locken, ohne dabei das Budget des Clubs zu überstrapazieren. Entgegenkommen gibt es allerdings nicht allein von altgedienten DJs, die den Club schon lange kennen, sondern ebenso von Booking-Agenturen, die ein gutes Wort für ihn einlegen.
Das heißt allerdings nicht unbedingt, dass sich das Team der Muna um die stetige Versorgung mit Headliner:innen den Kopf zerbricht. Neben musikalischen Faktoren ist auch das persönliche Miteinander ein wichtiges Kriterium für die Zusammenarbeit mit DJs. Statt Luxus soll Gast-DJs etwas viel Wertvolleres geboten werden: Aufmerksamkeit. "Die Sympathie ist entscheidend", bestätigt Sierra. Kaden grinst: "Wir werden niemandem eine große Eisschale mit Champagner …" "... und erst recht keine Austern servieren!", vervollständigt Sierra.
Muna: Die kleine Insel
Mit ihrem musikalischen Profil ist sich die Muna über drei Jahrzehnte weitgehend treu geblieben. War das Programm lange Zeit vor allem auf House ausgerichtet, hat es sich nur graduell erweitert, beispielsweise durch regelmäßige Drum'n'Bass-Veranstaltungen unter der Leitung von Resident Miezo oder Gastspiele von DJs der härteren Gangart wie zuletzt bei einem Tourstop für die Feierlichkeiten zum 30. Geburtstag der Leipziger Distillery.
Die stilistische Öffnung findet allerdings nur in Maßen statt, wie Kaden unterstreicht. "Bei uns läuft natürlich auch Techno, aber bei 130 BPM ist meistens Schluss", erzählt er. "Wir gehen nie mit Trends mit – das haben wir noch nie getan. Die neuere Hard-Techno-Welle beispielsweise lassen wir an uns vorbeirollen." Sierra frotzelt: "Das können andere für uns übernehmen. Wir versuchen, eine Insel zu sein."
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Die beiden können das aus einer Vielzahl von Gründen so selbstbewusst sagen. Zum einen ziehen die Clubnächte weiterhin ein sehr heterogenes Publikum an. Ob ein paar lederbejackte Biker aus dem Motorradclub nebenan, junge Raver:innen oder doch langjährige Muna-Regulars, sie alle finden dort weiterhin einen vertrauenswürdigen Anlaufpunkt. Kaden und Sierra erklären das einerseits mit einer Offenheit, die in der "Provinz" viel eher gegeben sei als in größeren Städten, in der es sich bequem in der eigenen Blase einrichten ließe.
Zum anderen gehe von dem Ort und seiner liebevollen Gestaltung eine gewisse Strahlkraft aus. Die selbst auf dem Gelände produzierte Deko wie für den jährlichen Open-Air-Rave oder das große Kinderfest im September sei auch ein Pull-Faktor, meint Sierra: "Bei unserem Sommer-Open-Air waren rund 1.000 Menschen. Ich gehe davon aus, dass davon vielleicht 200 den Haupt-Act kannten."
Die Muna bietet also viel in einer Gegend, in der sonst wenig ist – und tut das aber selten. "Lieber weniger, dafür aber sehr gut", fasst Sierra die Veranstaltungspolitik des Clubs zusammen. Neben der auf dem kleineren Floor stattfindenden Reihe Kumpel*innen-Sause für aufstrebende DJ-Talente und den erwähnten Drum'n'Bass-Partys finden im Jahr nur etwa sieben größere Clubnächte statt, zumeist an Terminen wie dem Clubgeburtstag oder um die Weihnachtsfeiertage herum, wenn mit viel Publikum zu rechnen ist.
Im Gegenzug finden in der Regel keine Veranstaltungen im Mai mehr statt, weil die Besucherzahlen in diesem Monat erfahrungsgemäß zu niedrig waren. All das ist Resultat eines jahrzehntelangen Lernprozesses. Abgeschlossen ist der wohl nie, wie sich das Team um die Muna und der Ort selbst ständig in Veränderung befindet.
Muna: Das große Gemeinschaftsgefühl
Noch bis heute besteht der Verein Moonray Spirit darauf, die Muna als Kulturzentrum zu bezeichnen. Tatsächlich ist der Club nur ein Teil eines viel größeren Gefüges, das so komplex ist wie die Demografie der rund 120 Vereinsmitglieder, von denen nicht alle etwas mit Clubmusik anfangen können. Und obwohl nicht alle von diesen in die alltägliche Arbeit eingebunden werden und es mit Martin Kupfer einen ordentlichen Vorsitzenden gibt sowie andere Rollen klar verteilt sind, hinterlassen sie alle doch ihre Spuren im Programm und darüber hinaus. "Wenn ein Vereinsmitglied sagt, dass es gerne ein neues Veranstaltungskonzept umsetzen möchte und sich darum kümmert – kein Problem", erklärt Sierra den legeren Ansatz. Die Hürden zur Einbringung sind niedrig, das Gemeinschaftsgefühl groß. "Das haben wir als Kinder im Osten ja auch nicht anders gelernt", lacht Kaden.
So sind neben verschiedenen Veranstaltungsformaten vom Kickerabend bis hin zur Konzertserie auch Projekte wie Werkstätten entstanden. Finanziell getragen wird all das von den Einnahmen aus den Veranstaltungen. Mit dem Pandemiebeginn begann der Verein aber auch, Mitgliedschaftsbeiträge zu erheben. "Wir mussten ja die Grundkosten weiterhin bezahlen, hatten aber weder Einnahmen noch haben wir Unterstützung erhalten", erklärt Kaden diesen Schritt. Als selbsttragender Verein ist Moonray Spirit nicht in der Lage, Förderungen zu beantragen, um das im Jahr 2010 von der Gemeinde im Rahmen eines Mietkaufverfahrens erworbene Gelände zu pflegen. Die Beiträge retteten den Club aber durch die schlimmsten Zeiten und sorgen nunmehr dafür, dass ein kleines monatliches Budget vorhanden ist.
Von dem wird jedoch kein einziger Cent an die Mitglieder ausgezahlt. Sierra, der seit nunmehr gut drei Jahrzehnten ehrenamtlich in der Muna arbeitet, drückt es thüringisch-trocken aus: "Was wir hier machen, ist eine ganz große Liebhaberei. Davon hat niemand etwas – außer Arbeit!" Und obwohl aus den Anfangstagen mittlerweile nur noch ein harter Kern dabei ist, stoßen doch immer wieder junge Menschen zum Team hinzu und bereichern es mit neuen Perspektiven. Dasselbe lässt sich auch über den Roster von Resident-DJs sagen, die neben ihren musikalischen Qualitäten vor allem durch ihren Einsatz für die Muna mit dieser Position gewürdigt werden. Ehrensache, dass sie bei den großen Feierlichkeiten zum 30. Geburtstag zahlreich vertreten sind und auch auf einer zeitgleich erschienen Fünffach-Compilation zu hören sein werden.
Muna wird 30: Die große Geburtstagsfeier
Bei dem zweitägigen Rave zum 30. Geburtstag am 1. und 2. November 2024 wird das Muna-Team, vertreten von unter anderem Politone und Kaden, neben langjährigen Weggefährt:innen wie Sarah Wild oder youANDme auch eher selten gesehen Gäste begrüßen. Magda spielte bisher noch kein Solo-Set in der Muna, mit Josh Wink ist eine zertifizierte Legende das erste Mal überhaupt in Bad Klosterlausnitz zu Gast. "Seine Musik – egal ob nun seine House- oder seine Acid-Produktionen – hat die Muna schon immer begleitet", erklärt Kaden. "Ich habe ihn dieses Jahr bei der Fusion getroffen und gefragt. Jetzt fliegt er extra aus Philadelphia zu uns rüber!" Und auf jemanden wie den Hardware-Magier KiNK könnten sich im Verein sowieso alle einigen. "Selbst die Leute, die lieber Rock hören", lacht Kaden.
Parallel dazu erscheint eine umfassende Compilation auf dem hauseigenen Label Muna Musik. Die Veröffentlichung von '30 Jahre Muna' markiert den zehnten Geburtstag des Labels, das anlässlich des 20. Clubjubiläums aus der Taufe gehoben wurde. 21 Stücke sind darauf versammelt, daran beteiligt waren insgesamt 24 verschiedene, stellenweise im Tandem arbeitende Produzent:innen. Alte Freund:innen des Hauses wie Robag Wruhme, der noch vor Kurzem seinen 50. Geburtstag in der Muna feiert, gehören ebenso dazu wie natürlich die Residents und liebgewonnene Muna-Neulinge wie Kristin Velvet. Drei Drum'n'Bass-Stücke legen überdies Zeugnis davon ab, dass die alte Munitionsanlage in den vergangenen drei Jahrzehnten nicht nur House- und Techno-Partys ein Zuhause bot.
Was aber auf die ausführliche Geburtstagsfeier und das Compilation-Mammutprojekt noch folgt? Sierra zuckt gelassen mit den Schultern. "Wir müssen erstmal den Ball flach halten." An Weihnachten würde es sicherlich wieder eine Clubnacht geben, die nach der Jubiläumsparty aber wohl etwas kleiner ausfallen wird. Und dann? Na klar: lieber weniger und das dafür aber sehr gut. Einfach mal entspannt zu schauen, was geht – aus just dieser Haltung heraus wurde schließlich das Fundament für diesen Club gelegt. Warum also nach dreißig Jahren der großen Liebhaberei unnötig hetzen?
1 Kommentare zu "Die Muna im Clubporträt – Eine große Liebhaberei in Bad Klosterlausnitz"
Ein sehr interessanter, kurzweilig geschriebener Text. Und aufgeklärt über die Namensgebung und das Entstehen, wurde ich auch. Wünsche euch viel Spaß und einen grandiosen Geburtstag!
Schön, dass es sowas wie euch noch gibt!
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