Kaum war mit dem Remix-Projekt zu 'One Hundred Billion Sparks' vom März das letztjährige Album des Londoner DJs Max Cooper verklungen, da erschien Mitte Oktober mit 'Emergence' ein ambitioniertes 90-minütiges Filmmonument aus opulenten Visuals und einer remasterteten Version des gleichnamigen Projekts von 2016. Jetzt, nur wenige Wochen später, erscheint mit 'Yearning For The Infinite' Coopers bereits drittes Album in drei Jahren über das eigene Label 'Mesh'. Anknüpfend an das Konzept der Blu-Ray erforscht Cooper auch auf diesem Album Relationen zwischen Formen, Farben und Tönen. Das Ziel: Konzepte der Unendlichkeit interpretieren und erfahrbar machen.
Tatsächlich kann 'Yearning For The Infinite' auf den ersten Blick deshalb erschlagen. Als Doktor der Bioinformatik scheint Cooper es zu verstehen, mit riesigen Datenmengen jonglieren zu können. Dass sich das auch klangästhetisch bemerkbar macht, zeigt dieses Album. Cooper kreiert abstrakte Digital-Urwälder, die intensive Sinneserfahrungen ermöglichen wollen. Immer wieder versucht er die Winzigkeit der Menschheit innerhalb und außerhalb des Universums zu verdeutlichen. Zeitweise überwältigen seine Stücke, denn auf diesen Maximalismus muss man vorbereitet sein. Atmosphärisch lässt Cooper uns klein und unbedeutend wirken, stellt Naturgesetze, physikalische Phänomene und die großen Fragen des Lebens als buntes Schauspiel dar.
Mit Veröffentlichung des Albums wurde mindestens ebenso viel Wert auf den visuellen Aspekt des Albums gelegt. Cooper arbeitete hierfür nach Fertigstellung der ersten Tracks mit speziellen Grafikern ein Gesamtkonzept für Live-Auftritte und Videoauskopplungen aus. Diese Feedbacks flossen dann in die finalen Mixings ein. Für die erste Single 'Perpetual Motion' engagierte Cooper Langzeitkollaborateur Nick Cobby, von dem Cooper zuvor bereits über ein halbes Dutzend Kurzfilme produzieren ließ. In dem neuen Clip sind diverse Drohnen-Schwenks aus und über Mexiko-Stadt zu sehen. Die Vogelperspektive verdeutlicht dabei den zahnradähnlichen Einklang, in dem sich Mensch und Umgebung befinden. Cooper baut dabei mit detailreichem Flirren und Flackern ein Klanggerüst des Erwachens auf, in dem einzelne Teilchen friedlich entstehen, koexistieren und verfliegen. Ähnlich der Dämmerung am Morgen baut sich ab der Mitte das Stück neu auf und arbeitet darauf hin, alle Teile wieder möglichst harmonisch zusammensetzen zu können.
Oft scheint man den Überfall auf die Sinne als Coopers Formel zu begreifen. Selbstironisierend will er in dem Stück 'Repetition' diesen Umstand aufgreifen und baut um einer Fülle an Mikrotexturen ein ewiges Ostinato. Hier soll der stete gesellschaftliche Zuwachs abgebildet und in hypnotische Endlosschleifen verwandelt werden. Ob wie hier Wiederholungen, mit dem Stück 'Parting Ways' Zellteilung oder in 'Penrose Tiling' Kachelmuster: Cooper untersucht fundamentale Zusammenhänge der Natur. Das kann gleichermaßen beeindrucken wie anstrengen.
Gerade weil die Platte nicht als Bundle mit den Filmmontagen veröffentlicht wird, scheint der enge Zusammenhang zwischen Ton und Bild als Narrative zu fehlen. 'Yearning For The Infinite' wird als 'audio-visuelles Erlebnis' vermarktet, das betont Cooper selbst am häufigsten. Die eigentliche Musik des Albums tritt dabei aber oft in den Hintergrund und verliert etwas von dem Glanz. Die Stücke sind hochkomplex aber auch manchmal überproduziert ('Nanotech', 'Transcendental Tree Map'). In den wenigen ruhigeren Momenten ('Circular', 'In Pursuit Of Ghosts') lässt es sich ein wenig durchatmen. Dann erkennt man: Bis zu dem Release der nächsten Blu-Ray ist 'Yearning For The Infinite' ein Kopfhöreralbum aus dem Wurmloch.
’Yearning For The Infinite' erschien am 7. November auf Mesh:
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