Test: Strymon Timeline / Delay-Effekt

Test: Strymon Timeline / Delay-Effekt

Tests. 17. Januar 2020 | / 5,0

Geschrieben von:
Kai Dombrowski

Der Effektgerätehersteller Strymon Engineering wird zwar nicht müde, den Markt mit neuen Konzepten zu versorgen – jüngst Volante oder Iridium – doch heute soll es um einen echten Klassiker gehen: Strymon Timeline ist der „große“ Delay Modeller der Amerikaner und zählt sogar acht Jahre nach seiner Ankündigung auf der NAMM 2011 immer noch zu den Staples auf Pedalboard und DJ-Pult. Damals konkurrierte der Timeline vor allem mit dem DL4 von Line 6 und Eventides Timefactor, beides Delay-Pedale im XL-Format, die aus heutiger Perspektive jedoch als überholt gelten. Weshalb Strymons Timeline dieses Schicksal erspart blieb und ob er sich auch künftig noch behaupten kann, zeigt dieser Test.

Überblick:

Als Rundum-sorglos-Paket in Sachen Echo bringt der Timeline 12 Algorithmen mit reichlich Einstellungsmöglichkeiten unter die Finger. Mit dabei sind vornehmlich klassische Delay-Emulationen wie Digital, Tape oder Bucket, was dem modernen Sound der grauen Maus aber keinerlei Abbruch tut. Das liegt nicht zuletzt an den A/D- und D/A-Wandlern mit 24 it und 96 kHz. Ferner sorgen sieben Potis und weitere Parameter im Untermenü des Timeline für eine Menge Spielraum, wobei schon der Grundsound durch seine hochauflösende Qualität überzeugt. Exotischere Algorithmen a lá Filter, Lo-Fi und Ice runden das Arsenal ab und liebgewonnene Einstellungen können auf 200 Plätzen als Preset gespeichert werden. Die breit aufgestellte Konnektivität in Form von Stereo-Anschlüssen, Feedbackloop und MIDI gewährt dem Timeline Einzug in jedes erdenkliche Setup – ideal für Live-Produktion und DJing mit anderem Gear.

Verarbeitung und technische Daten

Bis auf Farbe und Beschriftung ist der Timeline optisch nur schwer vom Big Sky (https://www.dj-lab.de/test-strymon-bigsky-reverb-effekt/) zu unterscheiden: Wieder gibt's sieben Potis, zwei Endlos-Encoder, ein Display und drei Footswitches, wobei einer der Schalter beim Timeline für Tap-Tempo reserviert ist – praktisch! Beide Geräte messen 61 x 168 x 121 mm und wiegen etwa 665 g. Potis, Schalter, Display und Gehäuse sind baugleich, nur ist Letzteres eben in einem schlichten, metallischen Grau gefärbt.

An der Verarbeitung gibt’s wenig zu meckern: Das Metallgehäuse ist stabil und dicht, das Display gut lesbar und genau wie die Potis spaltfrei verbaut. Die rückseitig montierten Stereo-Eingänge und -Ausgänge kommen in gewohnter 6,35mm-Klinkenausführung daher, mittels Kippschalter können die Buchsen auch als Feedbackloop geroutet werden, was noch mehr Verkabelungsmöglichkeiten eröffnet.

Zusätzlich gibt’s noch einen Anschluss für externe Expression-Pedale oder Favourite-Taster. Als Delay und Looper profitiert der Timeline besonders von den DIN-genormten MIDI-Ins bzw. -Outs und lässt sich problemlos mit bereits vorhandenem Gear synchronisieren. Wer es richtig kompliziert mag, kann den Timeline samt all seiner Einstellungsmöglichkeiten auch komplett über MIDI steuern.

Strymon Timeline Delay von der Rückseite.

Als digitaler Multifunktions-Delay ist beim Timeline mit einem recht hohen Ampere-Verbrauch zu rechnen, genauer gesagt mindestens 300 mA. Das kann je nach Power Plant schon mal zu Problemen führen, dafür reichen dem silbrigen Wiederholungstäter die gängigen 9 Volt mit Center Negative Stecker. Im Zweifelsfall kann selbstverständlich das mitgelieferte Einzelnetzteil verwendet werden. Der Timeline kommt mit einer aalglatten Unterseite aus der Verpackung die dann wahlweise mit Klett, oder den mitgelieferten Gummifüßchen beklebt werden kann.

Der Workflow

Durch die sieben Potis hat man jederzeit Zugriff auf die wichtigsten Parameter: Time, Repeats, Mix, Filter, Grit, Speed und Depth, wobei über Grit das Echosignal verzerrt werden kann und Speed bzw. Depth den Modulationsanteil steuern. Algorithmusspezifischere Einstellungen müssen im digitalen Menü über den Menü-Encoder vorgenommen werden. Hier befindet sich beispielsweise die Subdivision, in die das getappte Tempo umgerechnet werden soll.

Zur Auswahl stehen Viertel, punktierte Achtel, Achtel, Triolen und Sechzehntel. Längere Notenwerte, etwa halbe oder ganze Noten, gibt’s nur beim Möbius und besonders im Vergleich zu Eventides Factor-Serie lässt Strymons Auswahl zu wünschen übrig. Gelungen ist hingegen das Highpassfilter, das allerdings nur einigen wenigen Algorithmen spendiert wurde. Ähnlich wie beim Big Sky ist der Filter-Knob nämlich wieder sehr dezent in seinem Regelweg, sodass erweiterter Zugriff auf die Frequenzbreite positiv auffällt.

Es fehlt die Möglichkeit, die verborgenen Parameter des Timeline auf die Potis an der Oberfläche zu routen, sodass man selten auf Menütaucherei verzichten kann, wenn nicht gerade Presets abgerufen werden. Dabei stört die fehlende Rasterung der Encoder, weil man im Eifer des Schraubens rasch am gewünschten Setting vorbeiregelt und die meisten Parameter sowieso stufenweise arbeiten. Das Display ist dabei übrigens unverzichtbar, weil es Aufschluss über die aktuelle Einstellung und Menüebene des Timeline gibt. Hat man einmal begriffen, welcher Algorithmus wo zu finden ist, ist der Timeline aber auch on the fly einzustellen.

Alternativ können mittels Expressionpedal ohne Menü jeder gewünschte Parameter und sogar beliebige Kombinationen dieser justiert werden – vorausgesetzt es wurde vorher entsprechend gemappt. Will man wirklich alle Klangoptionen ausschöpfen, ist eine gewisse Vorbereitungszeit leider unvermeidbar, was spontanes Soundmorphing erschwert und den Timeline doch eher im klassischen (Gitarren-)Rig bzw. Studio verortet. Wer nur die Onboard-Effekte seines DJ-Mixers gewohnt ist, wird sich darüber allerdings nicht beschweren.

Strymon Timeline Delay von oben.

Die Algorithmen

Der Timeline verfügt über die Modi dTape, dBucket, Digital, Dual, Pattern, Reverse, Ice, Duck, Swell, Trem, Filter und Lo-fi. Ein Looper ist natürlich ebenfalls integriert, ohne externen Fußschalter ist dieser aber nicht ansatzweise so raffiniert zu bedienen, wie etwa der Looper des DL4. Wie bereits erwähnt handelt es sich bei den meisten Algorithmen um Emulationen klassischer Delay-Typen – wirklich „neu“ sind eigentlich nur Ice und Trem: Beim Ice-Echo handelt es sich um den Pitchdelay des Timeline, wobei hier nicht nur das Delay-Signal von -1 Oktave bis +2 Oktaven transponiert werden kann, sondern sich dieses obendrein slicen und mit unbehandeltem Echo vermengen lässt.

Relativ unspektakulär ist hingegen das Trem-Delay, ein Mix aus herkömmlichem Echo und Tremolo. Mit etwas Geduld und kreativer Energie kann man zwar den ein oder anderen spannenden Rhythmus erzeugen, dafür eignen sich die Dual und Pattern Algorithmen aber deutlich besser. Irritierend ist außerdem, dass der LFO des Tremolo über 30 Subdivisions kennt, während für die Delaytime an sich lediglich fünf zur Verfügung stehen.

Obwohl auch schon bei DL4 und anderen Vorfahren vertreten, scheinen Modi-Filter und Lo-fi beim Timeline das erste mal überzeugend zu funktionieren. Das liegt erneut an der gelungenen Kombi aus hochauflösendem Sound und Tweakability, da beispielsweise der LFO des Filters ähnlich detailliert zu regeln ist wie beim Trem. Im Lo-fi-Algorithmus können verschiedene Bit-Tiefen und Sample-Raten miteinander kombiniert und das Echosignal auf diese Weise herrlich entfremdet werden. Als besonderes Schmankerl kann man hier außerdem Noise-Crackle beimischen oder verschiedene EQ-Presets im Stil von Handylautsprechern oder Megafon in die Feedbackschleife speisen.

Der Swell Algorithmus wurde wahrscheinlich nur implementiert, um den ganzen Ambientkids 500 Euro aus der Tasche zu ziehen – wer ein Volumepedal besitzt, wird diesen Modus sicherlich nie benötigen. Ähnlich ist es beim Duck-Delay: Dieser Effekt kann zwar nicht ganz so problemlos „selbstgemacht“ werden, aber Ducking Delays nutzt man abseits von Gesang doch relativ selten.

Fazit

Während der Big Sky primär durch gänzlich neuartige Reverb Sounds besticht, überzeugt der Timeline mit einer echt guten Umsetzung der gängigen Klassiker: Tape- und Bucket- Echos sind in ihrer analogen Urform selten bezahlbar und auch nicht leicht zu pflegen. Klar geht wenig über analogen Charme, doch die A/D- und D/A-Wandler des Timeline sorgen für eine dermaßen hohe Klangqualität, dass man den Unterschied zugunsten höherer Flexibilität in Kauf nimmt. So lassen sich auf digitalem Wege in der Regel längere Delay-Zeiten realisieren oder eben mit nur einem Gerät verschiedene Delay-Sounds abrufen, was unterm Strich irgendwann mehr Wert ist als die 5-10 % Sound-Vorteil des Analog-Gear. Doch der Timeline ist keineswegs der erste oder größte Delaymodeller auf dem Markt. Wie gesagt betrat er die Bühne nach dem Szeneschlager DL4, der konzeptionell dieselbe Schiene fährt und sogar vier Emulationen mehr beherbergt. Beim Timeline gibt’s „nur“ 12 Algorithmen, aber Strymon überzeugt eben in puncto Sound und Tweakability. Wer wirklich extravagante Delay-Engines sucht, muss beim Timeline schon tiefer in die Trickkiste greifen – beispielsweise mittels Feedbackloop. Wie beim Big Sky können aber auch die Potis des Timeline extremeren Einfluss auf die jeweiligen Parameter nehmen, sodass man teilweise schraubt und schraubt, ohne einen Unterschied zu hören. Wer aber weitestgehend normale Sounds in sehr hoher Qualität will, wird hier auf jeden Fall glücklich. Für alle, die es besonders auf Tape-Echo-Sounds abgesehen haben, sei Strymons El Capistan empfohlen, der im Vergleich zum Tape-Algo des Timeline noch mehr Moves auf Lager hat.

Pro

Erstklassige Verarbeitung
Hochauflösender Sound

Kontra

Nur fünf Tap Divisions
Eingeschränkte Regelwege

Preis:

479,00 EUR

Weitere Informationen gibt es auf der Website von Strymon Engineering.

Veröffentlicht in Tests und getaggt mit Delay , DJ-Effekt , FX , Strymon Engineering , Timeline

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