Review: Ellen Allien – AurAA [BPitch Control]

Review: Ellen Allien – AurAA [BPitch Control]

Features. 21. Juni 2020 | / 5,0

Geschrieben von:
Tim Tschentscher

Das ist schon beeindruckend beständig, wie sie Jahrzehnt um Jahrzehnt die deutsche und internationale Technokultur fördert, befeuert, gestaltet und formt: Ellen Allien hat den Londoner Acid-House der Spätachtziger mitbekommen, die Mauer fallen sehen, um in den Ost-Teil zu ziehen, die Loveparade und Mayday mit aufgebaut, die erste bis drölfte Feiermüdigkeit der BerlinerInnen kommen und gehen sehen und nicht zuletzt auch die Fetischisierung der Hauptstadt als It-Stadt festgestellt. Nichts davon hat sie je bereut und das macht sie zum Unikat. Mit 'AurAA' ist jetzt das dritte Album in drei Jahren erschienen und von irgendwelchen Erschöpfungserscheinungen kann dabei kaum die Rede sein.

Tatsächlich hatte Allien Phasen der Entschleunigung bereits mal durchlaufen. Das liegt mit Projekten wie 'Sool' und 'Dust' allerdings bereits mindestens zehn Jahre zurück. Zuletzt klangen ihre Stücke auf 'Alientronic' wieder reichlich elektrifiziert, was nicht zuletzt auch an der Reduktion ihres Sounddesigns auf Repetition und Einfachheit lag. Wo 'Alientronic' kompromisslos aber dreckig war, ist 'AurAA' jetzt einen Schritt weiter. Das ist nicht mehr nur Raven im Dunkeln, sondern 12-Uhr-Mittags-Peak im Freien.

Je nach Zählweise ist 'AurAA' ihr zehntes Studioalbum, auf dem sie sich gewohnt unvorhersehbar gibt. Allien weiß das Spiel zu beherrschen, an den richtigen Stellen mit Erwartbarkeiten zu spielen, nur um diese dann nicht zu erfüllen. Diesmal fließen vermehrt spirituelle Noten durch ihr Album, es geht um Synergien, unsichtbare Ströme und auch ein bisschen um Körperlichkeit. Auf dem Opener 'Hello Planet Earth (Breath Mix)' begrüßt sie einem Alien gleichkommend den Planeten Erde in einer noch recht beruhigten Weise. Hier baut sie eine gedankliche Kulisse auf, die an ein herabfliegendes Ufo aus dem All erinnert.

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In 'In Music I Trust' erreicht Allien dann schnell ein zügiges Tempo. Zunächst überträgt sie mit Piep- und Fiepgeräuschen die Darstellung aus dem Intro, überführt sie dann aber schnell in gesättigten Clubtechno. Einzelne Vocal-Samples pitcht und arrangiert sie dabei so weit, dass ihre Stimme einen Melodiekörper ergibt. Reichlich energetisiert treibt sie nach 'True Romantics' noch etwas weiter die Pace und erweitert auf 'Traum’ ihr Soundspektrum. Hier erreicht sie bereits ausgeprägte Trance-Formen und nähert sich den 140 bpm an.

Oft nutzt Allien transzendentale Motive und evoziert ein Gefühl des Außerweltlichen. Zur Mitte der Platte glaubt man bereits im Orbit angekommen zu sein. Auf 'Walking In The Dark' tragen Synth-Leads durch das schnellste Stück der Platte. Häufig sind die Beats extrem kraftvoll ausproduziert, aber nie so, dass sie überproportioniert brachial klingen. In den Spitzen klingt nämlich immer auch ein wenig Naivität mit.

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Dem Titel entsprechend unterbricht sie mit dem Stück 'Confusion' den erzeugten Traumzustand und verlagert ihn ins Hypnotische. Lange Loopschleifen und ein simpel strukturiertes Klanggerüst provozieren eine gewisse Hemmungslosigkeit. Lässt man das Gedankenspiel ein wenig zu, ließe sich in den Original Mix von 'Hello Planet Earth' reininterpretieren, dass Zuhörende im Verlauf des Albums selbst zum Alien werden. Auf siebeneinhalb Minuten streckt Allien die Motive aus dem Intro und vollzieht eine Kür aus klassischen Neunziger-Techno-Zitaten.

Zuletzt verknüpft sie auf dem Track 'Human' Drones mit der Idee einer Rückkehr zur Erde. Das ist natürlich alles irgendwie Auslegungssache. Stehen bleibt aber ein zu beachtender Spannungsbogen und ein Gefühl für Techno-Codes. 'AurAA' ist eines der kraftvollsten Allien-Alben geworden. Das hohe Tempo, der versiert druckvolle Mix und die freischwebend-tranceige Fantasie einer Weltraumfahrt strahlen gleichzeitig Positivität wie Energie aus. Für Allien scheint ein Ende noch lange nicht in Sicht. Gut so.

’AurAA' erschien am 12. Juni auf BPitch Control.

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