Test: Soundtrap / DAW in der Cloud

Test: Soundtrap / DAW in der Cloud

Tests. 12. Juli 2020 | 3,3 / 5,0

Geschrieben von:
Niko Giortsios

Home Recording kann sehr einsam sein: Oft sitzt man stundenlang allein am Computer und bastelt an Ideen, die mangels kooperativer Inspiration im Sand verlaufen und als unfertige Skizzen auf der Festplatte enden. Nicht selten führt das, vor allem bei weniger erfahrenen ProduzentInnen, zu kreativen Durststrecken und Frust. Eigentlich paradox, schließlich spielt sich unser soziales Leben doch heutzutage zu großen Teilen virtuell ab. Die browserbasierte DAW Soundtrap, im Jahre 2013 ins Leben gerufen und 2017 vom Streaming-Giganten Spotify aufgekauft, macht sich die Möglichkeiten des Internets zunutze und verspricht mit einem niedrigen Schwierigkeitsgrad, innovativen Vernetzungsmöglichkeiten und Social-Media-Funktionen nicht weniger als eine Revolution der Musikproduktion.

Soundtrap: Das Abo-System

Wie gesagt handelt es sich bei Soundtrap um eine webbasierte DAW, die direkt vom Browser aus gestartet wird. Sämtliche Daten werden in der Cloud gespeichert und müssen somit nicht extra heruntergeladen und installiert werden. Auf der Internetseite kann zwischen verschiedenen Abos gewählt werden, die nach Preis und Umfang gestaffelt sind. Die kostenlose Version bietet logischerweise weniger Funktionen, während das Komplettpaket unter anderem mehr Instrumente und Loops sowie eine höhere Download-Qualität für die fertigen Tracks beinhaltet, dafür aber mit derzeit knapp 14 Euro pro Monat zu Buche schlägt.

Der erste Monat ist als Trial-Version kostenlos. Neben MusikerInnen sollen vor allem auch Podcaster mit einem extra zugeschnittenen Abo angesprochen werden. Nach der anschließenden Registrierung geht es dann auch schon los, allerdings nicht ganz so, wie man es von einer herkömmlichen DAW gewohnt ist.

Profil

Anstelle des gewohnten Interfaces mit Spuren und Instrumenten werden wir erst mal zu unserem persönlichen Profil weitergeleitet, das etwas an Soundcloud erinnert. Tatsächlich ist Social Networking ein großer Bestandteil von Soundtrap und macht in Verbindung mit der eigentlichen Studioumgebung den Community-orientierten Ansatz des Programms aus. Mithilfe von Tags lässt sich angeben, welche Genres bevorzugt werden oder welches Instrument man spielt. Umgekehrt kann man auch nach NutzerInnen mit ähnlichen Interessen suchen und diesen wie bei anderen sozialen Netzwerken folgen. Das ist sicherlich nicht für jeden das Richtige.

Erfahrene ProduzentInnen empfinden den Social-Media-Aspekt eventuell eher als ablenkend und konzentrieren sich lieber auf das reine Musizieren, als AnfängerIn findet man hier aber vielleicht genau den richtigen Denkanstoß oder die nötige Inspiration, um motiviert zu bleiben.

Studiolayout, Loops

Die eigentliche DAW heißt bei Soundtrap „Studio“. Vom Profil aus lässt sich entweder ein neues Projekt beginnen oder ein schon angefangener Track fortsetzen. Bei Ersterem stehen zwei Templates, jeweils für Podcasts oder Musik, sowie mehrere Demos zur Verfügung. Das Layout ist übersichtlich gestaltet und sollte weder Veteranen noch Neulingen große Schwierigkeiten bereiten – die übliche Eingewöhnungszeit vorausgesetzt.

Am linken Bildschirmrand werden neue Spuren erstellt. Diese beinhalten unter anderem mehrere Drumsets, Klaviere, Synthesizer und andere Instrumentennachbildungen, welche fein säuberlich nach Kategorien geordnet sind. Für Audioaufnahmen gibt es außerdem noch zwei spezielle Templates, jeweils für Gesangs- sowie Gitarrenaufnahmen.

Auf der gegenüberliegenden Seite befindet sich die Sample-Library mit einer großen Auswahl an verschiedenen Loops, die ebenfalls nach Instrument und Genre sortiert sind. Der Großteil besteht dabei aus Drum- und Percussion-Beats sowie Synth-Sounds, es finden sich aber auch Gitarren-Riffs, Bassläufe, Spezialeffekte für Build-Ups und Drops sowie Vocal-Snippets.

Der Umfang richtet sich nach dem verwendeten Abo: PremiumnutzerInnen haben dabei die größte Auswahl, aber auch die kostenlose Version geizt nicht mit Material. Zudem können eigene Audioaufnahmen und Samples importiert werden. Die Loops werden per Drag-and-drop auf eine gewünschte Spur gezogen und passen sich automatisch dem eingestellten Tempo an, was uns zur Transportsektion am unteren Bildschirmrand bringt. Hier befindet sich, neben der BPM-Anzeige mit Metronom, den üblichen Start-, Stop- und Aufnahmeknöpfen sowie einem Master-Lautstärkeregler, auch eine Tonartanzeige, mit der alle harmonischen Elemente im Projekt global transponiert werden können.

Auf den ersten Blick macht das Layout einen intuitiven Eindruck. Der Arbeitsplatz wirkt aufgeräumt, alle Elemente sind klar gekennzeichnet und man hat nie das Gefühl, mit Möglichkeiten überfordert zu werden. Außerdem kommt das Programm mit einer Vielzahl an Tutorials und Anleitungen, die die ersten Schritte erleichtern. Aber wie sieht das Ganze in der Praxis aus, lassen sich mit Soundtrap qualitativ hochwertige Tracks produzieren, die im Vergleich mit einer desktopbasierten DAW bestehen können?

Pianoroll der Soundtrap Browser und Cloud DAW im Test.

Drums

Zu diesem Zweck wollen wir einmal exemplarisch ein neues Projekt durchgehen, um die tieferen Möglichkeiten von Soundtrap zu durchleuchten und vor allem die enthaltenen Sounds auf Herz und Nieren zu überprüfen. Wir möchten zunächst einen Schlagzeug-Beat kreieren und erstellen dazu eine Spur mit der entsprechenden Drummachine. Es öffnet sich ein kleiner Step-Sequenzer, mit dem eintaktige Patterns erstellt werden können.

Möchte man längere Sequenzen am Stück erstellen und bearbeiten, muss man dafür die Pianoroll nutzen, bei der zwar die Tasten der Klaviatur angezeigt werden, jedoch leider nicht die spezifischen Drumsounds, wie zum Beispiel Kick, Snare oder Hi-Hat. In einem Reiter wird das derzeitig verwendete Drumkit angezeigt. Dieses kann bequem durch ein anderes ersetzt werden, das einprogrammierte Pattern bleibt dabei erhalten.

Die Auswahl besteht aus mehreren akustischen sowie elektronischen Kits, die hochwertig klingen und eine große stilistische Bandbreite von Rock/Pop über Hip-Hop bis hin zu elektronischer Tanzmusik abdecken. Allerdings lassen sich die einzelnen Klänge nicht unabhängig voneinander bearbeiten, und sogar das Panning ist für jedes Set vorgegeben. Möchte man zum Beispiel Hi Hats oder Toms frei im Stereobild verteilen, lässt sich das nur aufwendig über das Hinzufügen von neuen Spuren realisieren. Das gleiche gilt für die Audioeffekte, die auch nur auf das gesamte Drumkit wirken können.

Sequencer der Soundtrap Browser und Cloud DAW im Test.

Soundtrap: Effekte

Apropos Effekte: Diese können in beliebiger Anzahl und Reihenfolge als Inserts eingesetzt werden und beinhalten unter anderem Delays, Reverbs, Kompressoren, Verzerrer und die gängigen Modulationseffekte wie Chorus und Flanger. Ein 10-Band-Equalizer sowie eine parametrische Ausführung sind ebenfalls mit an Bord. Allen Effekten gemein ist die simple Bedienung: Bis auf Equalizer und Kompressor kommt jedes Modul mit höchstens zwei Reglern aus. Das macht den Einstieg leichter, allerdings fehlen den NutzerInnen dadurch auch ein paar wichtige Daten: So bieten die Equalizer keinerlei Informationen dazu, welche Frequenzbänder manipuliert werden.

Die Delays besitzen keine Zeitangabe und lassen sich darüber hinaus nicht zum Tempo synchronisieren. Auf der einen Seite hat das zwar den positiven Effekt, dass man sich eher auf sein Gehör als auf Daten verlässt, andererseits ist jedoch gerade das Erkennen und Benennen von bestimmten Frequenzen eine nützliche Eigenschaft, die dem Verständnis der Musikproduktion zugutekommt. Somit geht hier ein wichtiger Lernaspekt verloren.

Synths und akustische Instrumente

Wir haben nun also einen ansprechenden Beat gebastelt, den Sound mit Effekten unseren Vorstellungen angepasst und vielleicht auch noch ein, zwei Percussion-Loops eingebaut, um der Rhythmussektion den letzten Schliff zu geben. Als Nächstes wollen wir etwas Harmonie und Melodie ins Spiel bringen. Synthesizer-Klänge werden mit einem simplen Plugin nach analogem Vorbild realisiert. Verglichen mit den Drums lassen sich die Presets weitreichender verändern. Hierfür öffnet sich eine kleine Bedienoberfläche, in der zum Beispiel Oszillatoren, Filter oder LFOs angepasst werden können.

Komplexere Spielarten, wie zum Beispiel Sync oder FM-Synthese, stehen zwar nicht zur Verfügung, die Basics werden aber ausreichend abgedeckt. Leider gibt es aufgrund der webbasierten Struktur von Soundtrap keine Möglichkeit, externe Plugins einzubinden (das gleiche gilt übrigens auch für Effekte). Somit ist man immer an die hauseigenen Klangerzeuger gebunden.

Möchte man dem Arrangement organische Elemente hinzufügen, hat man darüber hinaus die Wahl aus verschiedenen akustischen Instrumenten. Dazu gehören mehrere Klavierarten, Gitarren, Streicher sowie Holz- und Blechblasinstrumente. Man sollte jetzt aber keine hyperrealistischen Nachbildungen im Sinne teurer Sample-Libraries erwarten. Der Zweck besteht eher darin, musikalische Ideen schnell und unkompliziert umzusetzen.

Eingespielt werden die Instrumente entweder mithilfe der Computer-Tastatur oder mit einem angeschlossenen MIDI-Keyboard. Dabei kommt ein großes Manko der DAW ans Licht: Je nach benutztem Webbrowser und Betriebssystem hat man teilweise mit einer deutlichen Latenz zu kämpfen. Apple-NutzerInnen sollen von diesem Problem verschont sein, an einem Windows-PC und über Chrome führt das aber zu erheblichen Schwierigkeiten, zumal es keine Möglichkeiten gibt, die Latenz durch Einstellungen in der Soundkarte auszugleichen. So bleibt einem nur die Nutzung der Quantisierungsfunktion oder manuelles Korrigieren in der Pianoroll übrig, wenn man nicht in der Lage ist, die Verzögerung spielerisch zu kompensieren.

Audioaufnahme

Während sich das Latenzproblem bei MIDI-Instrumenten noch relativ einfach umgehen lässt, sieht die Sache bei Audioaufnahmen anders aus. Hier ist eine verzögerungsfreie Übertragung unbedingt notwendig, um zu brauchbaren Ergebnissen zu kommen. Leider wird die eingebaute Monitoring-Funktion gar nicht erst für Windows-NutzerInnen angeboten. Die einzige Möglichkeit besteht darin, das Direct-Monitoring vom externen Audio-Interface zu aktivieren (sofern man denn eins besitzt) und die aufgenommenen Spuren nachträglich an die richtige Stelle zu verschieben. Man ist sich bei Soundtrap des Problems bewusst und versucht, dieses in Zukunft zu lösen. Schade, denn gerade durch Gesangs- oder Gitarrenaufnahmen erhält der Track eine persönliche Note, die sich durch eingebaute Presets und Loops schwer umsetzen lässt.

Soundtrap: Kollaborationen

Nehmen wir einmal an, unserem Arrangement fehlt noch etwas oder wir möchten gerne ein Instrument einspielen, das wir selbst nicht beherrschen. Mit dem „Teilen“-Button können wir andere NutzerInnen einladen, an unserem Projekt mitzuarbeiten, indem wir entweder nach einem bestimmten Namen suchen oder den Link für die Session kopieren und verschicken. Haben sich entsprechende Kollaborateure gefunden, öffnet sich am rechten Bildschirmrand ein Fenster, in dem wir wahlweise per Chat oder Videoanruf miteinander kommunizieren. Alle teilnehmenden Personen können nun das Projekt bearbeiten, Spuren hinzufügen oder Aufnahmen machen.

Mit einem Klick auf den Sync-Button werden die Änderungen an die Gruppe verschickt, wodurch alle wieder auf dem gleichen Stand sind und wiederum neue Ideen einbringen können. Bei keiner anderen DAW lässt sich so direkt und intuitiv mit anderen Menschen zusammenarbeiten. Das inspiriert und sorgt für eine soziale Komponente, die beim herkömmlichen Schaffensprozess im heimischen Studio leider oft fehlt.

Mix und Master

Unser Track ist soweit komplett. Alle Spuren sind aufgenommen, die Sounds stimmen und das Arrangement entspricht unseren Vorstellungen. Jetzt wäre es an der Zeit, die Pegel abzumischen und ein kongruentes Klangbild zu erzeugen. Während viele Desktop-DAWs zu diesem Zweck eine umfangreiche Mixing-Sektion und Mastering-Effekte besitzen, geht es bei Soundtrap eher spartanisch zu. Jede Spur hat einen Lautstärkeregler und einen Pan-Pot, das war‘s. Peak Meter sind genauso wenig vorhanden wie simulierte Fader oder Effekt-Busse. Das ist gewöhnungsbedürftig, hilft aber vielleicht auch unerfahrenen ProduzentInnen, sich mehr aufs Gehör zu verlassen und nicht durch viele Möglichkeiten erschlagen zu werden.

Das Exportieren des fertigen Tracks läuft ähnlich überschaubar ab. Beim Abspeichern wird die Session nach voreingestellten Parametern gemastert und ins Profil abgelegt, von wo aus der fertige Song direkt veröffentlicht oder heruntergeladen werden kann. Vom eigentlichen Mastering-Vorgang kriegen NutzerInnen nichts mit und es ist auch nicht möglich, diesen anzupassen oder zu deaktivieren. Für MusikerInnen, die sich damit nicht beschäftigen wollen und möglichst unkompliziert zu einer hochwertig klingenden Aufnahme kommen möchten, reicht das eventuell vollkommen aus. Wer jedoch die volle Kontrolle über seine Produktion haben möchte, wird davon wohl eher enttäuscht sein.

Fazit

Zugegeben, aus rein musikproduktionstechnischer Sicht haut einen Soundtrap auf den ersten Blick nicht gerade vom Hocker. Zwar stehen jede Menge Loops zur Verfügung, an anderen Stellen fällt der Funktionsumfang jedoch recht mau aus. Vor allem in den Bereichen Klangerzeugung, Effekte und Mixing kann sich das Programm nicht mit etablierten Größen wie Ableton Live oder FL Studio messen. Allerdings sollte man Soundtrap auch nicht unbedingt mit solchen desktopbasierten DAWs vergleichen. Es geht vielmehr darum, Neulingen einen leichten Einstieg ins Produzieren zu ermöglichen und eine Community zur Verfügung zu stellen, in der man sich gegenseitig helfen und inspirieren kann. Gerade durch diesen kollaborativen Ansatz hebt sich Soundtrap positiv hervor und eignet sich darüber hinaus hervorragend für schulische Zwecke. Der einzige wirkliche Dämpfer besteht in der hohen Latenz, die sich besonders bei Audioaufnahmen unangenehm bemerkbar macht. An dieser Stelle muss noch einmal darauf hingewiesen werden, dass die Performance-Probleme in Verbindung mit einem Windows-PC und Google Chrome entstanden sind. Mit anderen Browsern und Betriebssystemen soll die Latenz wesentlich geringer beziehungsweise kaum wahrnehmbar sein. Trotzdem muss auch diese Kompatibilitätsfrage im Test berücksichtigt werden. Wer sich fürs Produzieren interessiert und gerne die ersten Schritte in diese Richtung unternehmen möchte, sollte dennoch zumindest mal die kostenlose Trial-Version von Soundtrap ins Auge fassen und sich ein eigenes Bild machen. Fest steht auch: Soundtrap steht in seiner Entwicklung noch am Anfang und wird gerade mit der Beteiligung von Spotify zu einem Versprechen für die Zukunft.

Pro

Schnörkelloses, übersichtliches Interface
Innovatives Kollaborationsprinzip
Große Auswahl an Loops und Samples

Kontra

Eher geringer Umfang
Fehlende Mixing-Sektion
Hohe Latenz (unter Windows)

Preis:

14 EUR/Monat

Veröffentlicht in Tests und getaggt mit Browser , Browser-DAW , Cloud , DAW , Kooperation , Producing , Soundtrap , spotify

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