Review: SW. – Night [Night Defined Recordings]

Review: SW. – Night [Night Defined Recordings]

Features. 25. Juli 2020 | / 5,0

Geschrieben von:
Tim Tschentscher

Bereits seit Urzeiten releast Stefan Wust über sein eigenes Label SUED, das er in Co-Regie mit Sven Rieger betreibt. Erst kürzlich veröffentlichte Rieger selbst unter dem Pseudonym SVN mit 'Mechine' eine eigene Debüt-LP. Immer mal wieder kollaborieren die beiden mit ihrer recht abstrakten House-Handschrift. Nach jeweils einer 12-Inch über das R&S-Imprint Apollo und dem Stuttgarter House-Label LOVEiT ging es für Wust nun noch weiter südlich nach Salzburg. Über Night Defined ist jetzt das noch abstraktere 'Night' erschienen. Eine Mini-LP, die unpolierter und durcharrangierter kaum sein könnte. Sechs Stücke, die sich nicht unbedingt in jedem Set unterbringen lassen, es vermutlich aber auch gar nicht wollen.

Zwischen Breakbeat, Leftfield, Jazz, House und ähnlichen Disziplinen ist einiges an Referenzen zusammengekommen. Auf 'Night' mimt Wust den Aphex Twin des kleinen Mannes. Das beginnt auf den ersten Blick schon bei der Betitelung seiner Stücke: Sonderzeichen, eckige Klammern, Nonsens-Neologismen und sich abwechselnde Klein- und Großbuchstaben, die nicht immer sofort lesbar sind. Auf den zweiten Blick klingt das aber auch nach Aphex Twin, denn hier versucht Wust vorwiegend Jazz-Lehre mit Clubmusik zu verknüpfen und stolpert immer mal wieder so weit, dass man sich solche Auswüchse eben in jenen Clubkontexten kaum vorstellen mag. Schnell wird klar, hier geht es um De- und Rekonstruktionen.

Gleich zu Beginn wird auf 'øpenJA[zzz…]' deutlich, dass sich Wust vor komplexer Polyrhythmik nicht sträubt. Leicht krud pendelt seine erste Skizze zwischen Breakbeat-Versatzstücken und Achtziger-Proto-Ideen, die ein wenig an Marcello Giombinis 'Computer Disco' und Piero Umilianis 'Discomusic' erinnern. Nach einem Beat-Switch taucht das Stück plötzlich ab und man beginnt in Echowellen zu schwimmen. In 'silverlight [ja]zz[sh]Ort' ist entsprechend der gedankliche Rahmen zwischen Italo, Elektropop und Vaporwave-Reminiszenz schon so weit offen, dass ein wenig die Orientierung abhanden kommen könnte.

Mit 'Citiy Africa MA[XXX]' steigt Wust vorsichtig in den Hip-Hop ein. Wenn die Kickdrum boombappig reinbollert, ist man bereits kopfnickend weiter entfernt von House als vom Jazz. Denn Wust versucht hier vor allem zu rekreieren, was an das instrumentale Zusammenspiel der Hip-Hop-Neunziger erinnert. Das wird dann so weit im Tempo variiert, dass da auch ein wenig Grime und Garage mit durchsickern. Am Ende geht der Track in Sirenenschwaden auf. Es wirkt interessant, wie Wust viele Einzelideen zu einer großen zusammenführt.

Auf 'druQks iDEA[T]' quietschen zunächst ein paar Saiteninstrumente vor sich hin. Dann setzen warme Orgel-Keys ein und bekommen durch Claps und Hi-Hats ihren Antrieb. Am ehesten wiederholt sich dann dieses Gefühl des Untertauchens aus dem Opener. Am Ende ist 'deeep HAUNTINGshit' gar nicht so gruselig wie gedacht. Nach etwas mehr als einer halben Stunde ist bereits alles vorbei und man fragt sich, ob man jetzt mehr oder weniger über die Co-Existenz von Jazz und House erfahren hat.

'Night' ist ein schönes und knackiges weil knappes Projekt geworden. Irgendetwas ist es, das dieses Projekt in sich trägt. Da pro Track oft meist drei oder vier, mindestens aber zwei klar zu differenzierende Stückideen aneinander geklebt wurden, entsteht eine gestauchte Varianz, die man so höchstens von Beattape-Portfolios erwarten würde. Vielleicht ist es diese Kompaktheit, die dem Projekt einen gewissen Replay-Faktor zuträglich werden lässt. Vielleicht ist es aber auch nur diese Verschrobenheit, die man nach mehrmaligem Abspielen noch nicht richtig durchleuchtet hat. Ist das nicht erfrischend, wenn man nach fünf bis acht Plays noch gar nichts begriffen hat?

’Night' erschien am 24. Juli auf Night Defined Recordings.

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