Sarah Farina ist eine internationale DJ, Produzentin und Aktivistin. Sie bezeichnet sich selbst auch als „politische DJ“ und gründete mit Kerstin Meißner das Projekt Transmission, um die politische Relevanz und Geschichte internationaler Sound-, Club- und Rave-Kultur hör- und sichtbar zu machen. Ihre Musik bezeichnet sie als „rainbow bass“ – ein Terminus, der die vielen verschiedenen Musikstile beschreibt, die sie auflegt. Alles ist, so Sarah, schon allein musikhistorisch miteinander verbunden. Außerdem transportiert rainbow bass für sie im gesellschaftspolitischen Kontext, dass wir alle miteinander verbunden sind, uns brauchen. Musik sei ein Medium, worin das deutlich werde: Auf den Dancefloors, zur Kommunikation, eine „universelle Sprache, worüber sich unterschiedliche Menschen connecten können“. Dass der Regenbogen auch das Symbol der Queer Pride ist, findet Sarah ebenfalls wichtig, da die Entstehung der Clubkultur untrennbar mit queeren Räumen verbunden war und es nach wie vor ist. Ich habe mit Sarah Farina über diese Aspekte der Clubkultur gesprochen, über rassistische und sexistische Strukturen und warum es so wichtig ist, dass diese thematisiert werden. Auch oder gerade in Räumen, in denen Menschen oft feiern, um Sorgen abzuschütteln.
DJ LAB: Du ordnest dich selbst als politische DJ ein – was bedeutet das?
Sarah Farina: Ich glaube fest daran, dass man nicht unpolitisch sein kann. Als Frau, als nicht-weiße Person: Das allein ist schon politisch. Selbst wenn ich es wollen würde, ich kann mich da nicht rausnehmen, weil ich jeden Tag daran erinnert werde. Beispielsweise daran, dass ich als Frau immer wieder zu Themen befragt werde, zu denen meine männlichen DJ-Kollegen nie befragt werden. Es ist also einfach ein Teil von mir. Ich kann meine private Person nicht von der Arbeit trennen. Mir ist es wichtig, meine Plattform zu nutzen, um Teil der Lösung zu sein.
Selbst wenn nur zwei Menschen auf mich zu kommen und sagen „ich verstehe jetzt diese und jene Problematik“ oder „ich fange jetzt an, aufzulegen“ ist das eine positive Form von „politisch sein“. Ich glaube, für viele ist das so heavy und negativ besetzt: „Oh Gott, Aktivismus, jetzt muss ich demonstrieren gehen ... dies, das“. Aber es kann auch etwas anderes sein. Aktivismus bedeutet für mich, mein Herz, meinen Kopf, meine Gedanken zu aktivieren. Es bedeutet nicht immer, sich über die Ungerechtigkeiten der Welt aufzuregen und zu versuchen, dagegen anzukämpfen. Es kann auch Empowerment sein.
DJ LAB: Wie hat deine persönliche Entwicklung diesbezüglich stattgefunden?
Sarah Farina: Ich glaube, das war gar nicht so sehr bewusst. Da ist einfach ein krasses Bedürfnis, mich zu positionieren. Wenn dir als Kind immer wieder etwas widerfährt, das unfair ist, prägt es dich ja. Auch wenn man das da vielleicht noch nicht benennen kann. Es war nicht einfach, als Schwarzes Kind 1990 in Bayern aufzuwachsen. Eine Situation war ganz prägnant: Ich war etwa elf Jahre alt und wollte mit dem Bus nach Hause fahren, aber der Busfahrer hat mich aus dem Bus geschmissen und rassistisch beschimpft, weil ich meinen Schülerausweis nicht dabeihatte. Keine und keiner in diesem Bus hat was gesagt. Das war für mich total traumatisch, ich konnte es überhaupt nicht einordnen. Ich habe das meiner Mama erzählt und sie meinte zu mir „das ist ein Nazi, ein Rassist“. Diese Wörter hab ich recherchiert und dachte „ach krass. Ok. Wow“. Ich glaube, das könnte ich so als einen entscheidenden Moment bezeichnet, der mich aktiviert hat.
DJ LAB: Zum Thema Clubkultur: Da spielt die Intersektionalität ja auch eine Rolle, du bist nicht nur von Rassismus, sondern auch von Sexismus betroffen. In einem anderen Interview sprichst du über Tokenisierung und sagst: „Wenn sie mich nur buchen, weil ich eine Frau bin, dann zeig ich denen eben, was ich als DJ kann.“ Hast oder hattest du das Gefühl, dass du dich als nicht-weiße Person und Frau mehr beweisen musst?
Sarah Farina: Ich habe schon oft das Gefühl, dass da genauer hingeschaut und -gehört wird. Aber inzwischen juckt mich das nicht mehr, weil ich es einfach dumm und albern finde. Und ja, Tokenisierung ist problematisch, ich glaube aber auch, dass es eine Tür öffnen kann. Angenommen ich werde von einem Festival angefragt und weiß, die müssen die 50/50-Quote erfüllen. Dann ist es nicht so ein cooles Gefühl, wenn man denkt „Vielleicht haben die mich nur gebucht, um diese Quote zu erfüllen“. Aber es ist immer noch besser, wenn ich auflege als wenn ein Typ auflegt. Es geht da um Sichtbarkeit. Selbst wenn an dem Abend, an dem ich auflege, nur fünf Frauen da sind, bei denen das was auslöst, dann ist das schon powerful.
Ich finde vor allem, dass auf der Seite meiner männlichen Kollegen etwas passieren muss. Dass vor allem größere DJs, die es sich leisten können, Bedingungen zu stellen, in ihre Verträge aufnehmen, dass sie nur noch auflegen, wenn diese und jene Quote erfüllt ist. Klar, dann denken die Veranstalter „shit, wir müssen das machen, weil wir unbedingt DJ XY haben wollen” – es kommt nicht vom richtigen Ort, aber es passiert trotzdem. Tokenisierung ist auf gar keinen Fall die Lösung, aber du kannst es bis zu einem gewissen Grad für dich nutzen.
DJ LAB: Also wenn ich dich richtig verstehe: Tokenisierung ist scheiße, aber so lange wir es brauchen, bist du okay damit, dass es passiert?
Sarah Farina: Ja. Was ich oft mache: Ich führe Gespräche mit Promotern, wenn mir was nicht passt, und kommuniziere. Anstatt zu sagen „ihr könnt mich mal, ich hab keinen Bock mit euch zu arbeiten“ versuche ich, es denen zu erklären, stelle auch unangenehme Fragen wie „wie langfristig ist das, wie nachhaltig ist das? Was ist euer Ziel? Was für eine Art Promoter wollt ihr überhaupt sein? Was für eine Art Mensch willst du sein?“. Das sind total grundlegende Fragen. Es muss jede und jeder für sich selbst entscheiden, ob er oder sie die Energie da reinstecken will, das ist super anstrengend und ich werde dafür ja auch nicht bezahlt.
Die meisten sehen es nicht, sind ignorant oder checken aufgrund ihrer Privilegien nicht, wie strukturell diese Probleme tatsächlich sind – und wie einfach es eigentlich wäre, diese Probleme zu lösen. Ich glaube, es wäre gut, wenn sich mehr Leute fragen: „Wie kann ich auf Augenhöhe mit Leuten arbeiten und Menschen sichtbar machen?“ Ich glaube Menschen unterschätzen, wie wichtig es ist, dass Menschen sichtbar sind, die anders aussehen als du selbst. Es gibt doch das Sprichwort „You can‘t be what you can‘t see“.
Ich finde diese Sache mit der Quote auch unangenehm und problematisch, aber es ist wie mit einem Vertrag, man kann sich immer wieder darauf beziehen. Wie die Tatsache, dass man sich strafbar macht, wenn man jemanden aufgrund der Hautfarbe diskriminiert: Eigentlich müsste jede und jeder wissen, dass das scheiße ist, aber es muss trotzdem im Gesetz festgehalten werden. Es ist leider einfach so, dass wir diese Regeln brauchen. Vielleicht brauchen wir für Clubs auch eine Art „Vertrag“, dass sie sich an bestimmte Dinge halten müssen. Man muss Menschen ein bisschen dazu zwingen, bis sie es verstehen und diese Dinge normalisiert werden, denn bisher hats ja nicht geklappt, sich einfach nur so auf Menschen zu verlassen.
DJ LAB: Gerade im Zusammenhang mit der Musik müssen wir ja auch über kulturelle Aneignung sprechen. Du sagtest im Podcast mit hoe_mies „der Unterschied zwischen Aneignung und Wertschätzung ist das Machtverhältnis“ Wie zeigt sich das in der Clubkultur, auch hinsichtlich des Ursprungs der Musik?
Sarah Farina: In der Clubkultur, im Techno und House, gibt es ein Phänomen: Weiße DJs geben sich Artist-Namen, die sehr schwarz klingen, und erstellen damit sogar manchmal auch ein Narrativ. Es gibt auf NPR eine Podcast-Folge dazu, die heißt „Give it up for DJ Blackface“. Das bereitet mir total Bauchschmerzen. Da werden Samples von KünstlerInnen genutzt, ohne dass die Credit bekommen, es wird released, es wird damit Geld gemacht. Das ist einfach nicht cool. Es wäre so einfach, diese Menschen mit einzubeziehen, aber es ist diese weiße Überlegenheit, dieses Privileg „ich kann mir einfach alles nehmen“ und man kommt gedanklich gar nicht dahin, darüber nachzudenken, ob das jemanden verletzen könnte und dass es rassistisch ist.
DJ LAB: Ich habe das Gefühl, es ist in der Musik ein bisschen wie die Problematik um weiße Menschen, die Black Hairstyles tragen. [Anm. der Red.: Siehe Nina Kraviz]
Sarah Farina: Genau, deswegen gibt es den Spruch „People love Black culture but not Black people“. Wenn man zurzeit als Teenager in Los Angeles aufwächst, ist Schwarze Kultur so der Standard. Die Kleidung, der Slang, alles Mögliche. Es ist krass: Wenn du weiß bist, bekommst du dafür Anerkennung, wenn du zum Beispiel. schwarze Hairstyles trägst, wenn du schwarz bist, dann bekommst du deswegen vielleicht einen Job nicht, weil es als „unprofessionell“ kategorisiert wird.
DJ LAB: Du warst ja in Detroit bei Underground Resistance. Was hast du für Unterschiede erlebt zwischen der Clubkultur in Berlin bzw. Deutschland und Detroit?
Sarah Farina: Ich habe Detroit als sehr warm empfunden, die Menschen waren sehr offen. Es war so krass für mich, mich mit Menschen zu unterhalten, die viel älter sind als ich und so viel über die Musik wissen. Detroit war für mich das fehlende Puzzlestück, um das Musikuniversum zu verstehen. Die Frage, die ich mir gestellt habe: „Warum ist Detroit kein Berlin geworden? Es kommt doch von hier, warum profitiert Berlin so krass davon?“ Das hat natürlich viel mit der amerikanischen Politik zu tun. Berlin oder Deutschland ist im Vergleich zu den USA ein sehr freier Ort und das muss man schon unterscheiden.
Ich fand es so krass, wie ich musikalische Legenden kennengelernt habe, die so viele Hits produziert haben, aber immer noch ihre „normalen“ Jobs haben – und nicht diesen Profit gemacht haben, wie so manch weißer DJ, der die Musik nicht mal selbst produziert, sondern nur aufgelegt hat. Das ist ja auch so interessant, dieses Wertsystem: Dass die, die die Musik auflegen, teilweise davon leben können und die, die die Musik machen, nichts damit anfangen können. Das fand ich ziemlich heartbreaking. Die Musik und Kultur, die in Detroit entstanden ist, war ja eine spirituelle Antwort auf die Umstände, durch die die Leute gehen mussten und müssen. Es war auch interessant zu hören, wenn ich mit Mitgliedern von Underground Resistance gesprochen habe: Die haben einen großen Teil ihres Musikwissens durch die Kirche bekommen, weil sie als Kinder schon in Gospel Bands gespielt haben. Da hängen so viele Sachen zusammen, das Label Motown, dann gab es den Radiohost The Electrifying Mojo, der eine ganze Generation beeinflusst hat.
Mike Banks meinte zu mir „rich people don‘t make funky music“, und ich glaube, da ist sehr viel dran. Man merkt einfach, dass da ganz viel Seele drin ist, wenn Menschen etwas kreieren, das von einer gewissen Tiefe kommt. Was hierbei auch wieder interessant ist, ist das Thema Intersektionalität. Ich habe so viele Schwarze Frauen zwischen vierzig und fünfzig kennengelernt, die die krassesten House- und Techno-DJs sind, die aber niemand kennt. Da kommt das Problem „Patriarchat“ nochmal mit rein, weil es eben nicht so viele Jeff Mills und Derrick Mays in weiblich gibt. Also, die gibt es, die haben aber einen ganz anderen Status und bei Weitem nicht so eine Sichtbarkeit.
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Mehr InformationenDJ LAB: Die Technokultur in den 90ern war ja für viele queere Menschen, zumindest für schwule Männer, ein Safer Space – wenn wir uns die Clubkultur heute anschauen: Was muss ein Club haben, um für nicht-weiße und queere Menschen bzw. nicht-männliche Personen ein Safer Space zu sein?
Sarah Farina: Das Wichtigste ist das Team. Man muss in der Struktur anfangen. Zum Beispiel: Als weißer heterosexueller Cismann, der keine Beeinträchtigung hat, wirst du gewisse Dinge auf jeden Fall nicht sehen. Ich glaube, man muss sich bewusst sein: Egal, wie links ich mich positioniere, jede und jeder ist in einem gewissen Kontext problematisch. Was ich damit sagen will: Nehmen wir mal an, du hast einen Schwarzen heterosexuellen Cismann im Team. Dann kann es sein, dass der total sexistisch ist, denn er ist halt immer noch ein Mann. Als privilegierte Person muss man eine Art Filter entwickeln, mit dem man Sachen scannt und sich fragt „geht das für die, die und die Person klar“. Aber man wird immer etwas oder jemanden vergessen und nicht sehen.
Deswegen sind ein diverses Team und gesunde Strukturen das Wichtigste. Es gibt in Bezug auf Inklusion den Spruch „We want a seat at the table“ – ich frage mich dabei aber, an was für einem Tisch wir sitzen. Ist er rund, oder länglich, sodass jemand an der Stirnseite sitzt? Deswegen denke ich: Der Tisch muss weg. Setzen wir uns doch im Kreis auf den Boden. Das hilft vielleicht ein bisschen, zu verstehen, wie ich es mir in Bezug auf die Clubkultur vorstelle. So kann sie schon in der Struktur inklusiv gestaltet werden, sodass man einen Ort schaffen kann, der für möglichst viele Menschen eine Art Safer Space sein kann.
Wir brauchen vor allem Menschen in bestimmten Positionen, die feministisch intersektional kritisch denken und handeln können. Die Wahrscheinlichkeit, dass etwas falsch läuft, ist schon niedriger, wenn es ein diverses und inklusives Team gibt. Ich glaube, es hilft, sich immer wieder Gedanken darüber zu machen, was das eigene Wertesystem ist, als Mensch, aber auch bezüglich der eigenen Arbeit, wenn man ClubbesitzerIn ist beispielsweise. Was für eine Art Club wollen wir sein und für wen? Wie kann man das nachhaltig gestalten? Wie kann der Dancefloor, der Raum, genutzt werden, um Menschen zu educaten? Kann man Dokumentationen über Musikgeschichte zeigen? Kann man in den Facebook-Events auf das Wertesystem hinweisen? Durch so viele Kleinigkeiten kann man sich positiv aktivistisch positionieren.
Ich wünsche mir, dass Menschen, sich committen und sich bewusst sind, dass es eine lebenslange, persönliche und interne Arbeit ist, die überall mit einfließt. Es reicht nicht, sich einen Monat lang mit Antirassismus zu beschäftigen, sondern es muss Teil deines Lebens werden, wenn du Teil der Lösung sein willst. Es ist ein Prozess. Die Frage ist: Safe Space von wem, für wen? Es gibt Clubs in Berlin, die sind Safe Spaces für schwule Männer, die sind aber dann vielleicht nur safe für schwule weiße Männer. Ich denke, wir müssen es normalisieren, immer wieder unsere Motive zu checken und uns immer wieder grundlegende Fragen zu stellen.
DJ LAB: Struktureller Rassismus, den es ja in der ganzen Gesellschaft und somit auch in der Clubkultur gibt, zeigt sich ja auch darin: Die meisten Clubs werden eben von weißen BesitzerInnen und BookerInnen geführt. Und die müssen sich dann dazu entscheiden, etwas gegen Rassismus tun zu wollen. Es ist also davon abhängig, ob diese Personen das machen wollen oder nicht.
Sarah Farina: Genau. Ich kann ein paar Tools anbieten und Hinweise geben, aber eigentlich möchte ich meine Energie lieber darauf lenken, etwas Neues nach meinen eigenen Bedingungen zu schaffen. Denn das bestehende System ist nicht für uns gebaut, da können wir nicht gewinnen. Vor allem nicht Schwarze, Personen of Color und Personen, die keine Cismänner sind. Das ist ein konstanter Kampf, und wir werden immer nur bis zu einem bestimmten Punkt kommen. Deswegen ist mein Wunsch eigentlich, etwas von Grund auf neu aufzubauen. Stell dir mal vor, es gibt einen Black-owned Club von Schwarzen Frauen, Trans*Personen, queeren und non-binary Menschen – Boah, was das für ein Raum werden könnte. Wenn es für uns sicher ist, ist es für alle anderen auch sicher.
Black Lives Matter ist von drei Schwarzen queeren Frauen gegründet worden. Die Stonewall Uprisings – Schwarze, queere, trans Frauen. Die, die am schlimmsten unterdrückt werden, kämpfen am krassesten, für alle. Das muss einfach verstanden werden. Und es ist so verrückt, dass die einfach am stärksten ausgeschlossen werden und die meiste Gewalt erfahren, das ist unfassbar. Ich glaube, dass das für privilegierte Menschen ein schmerzhafter Prozess ist, aber ich kann garantieren, dass es nicht so schmerzhaft ist, wie Rassismus und andere Formen von Diskriminierung tagtäglich zu erleben. Und das müssen sich mehr Menschen vor Augen halten.
DJ LAB: Es ist krass, wie sich in unserem Gespräch auch wieder zeigt, dass man über Rassismus in der Clubkultur nicht losgelöst von dem Rassismus in der ganzen Gesellschaft sprechen kann und es letztendlich eben alles zusammenhängt.
Sarah Farina: Deswegen ist es so traurig zu sehen, dass manche Clubs, die sich links und queer positionieren, scheinbar irgendwie vergessen, dass Schwarze trans Frauen für diese Rechte, diese Orte gekämpft haben. Darum müssen sich Teams hinsetzen, sich neu aufbauen und Guidelines definieren, bis sie das verinnerlicht haben. Es geht darum, dass man sich das irgendwann nicht mehr bewusst fragen muss, sondern es eben verinnerlicht hat. Und das erwarte ich eben auch von meinen DJ KollegInnen – ich wünsche mir, dass sie sich positionieren, insbesondere wenn sie eine große Reichweite haben. Ich finde es schon gut, wenn man sagt „Hey, bisher habe ich offensichtlich noch nicht genug getan, aber ich fange jetzt damit an“ – denn dadurch können sie wiederum andere Menschen aktivieren und Leute auch in die Verantwortung ziehen.
Es geht nicht darum, unzählige Black Lives Matter Posts zu sehen, die am Ende nur performativ sind. Aber man muss auf jeden Fall irgendwo ansetzen. Man könnte zum Beispiel Artikel und Dokus über Musikgeschichte teilen, die darüber aufklären, wo Techno überhaupt herkommt, denn dass wir uns überhaupt die Frage stellen müssen, woher Techno kommt, ist total problematisch. Selbst in der Black Community gibt es Menschen, die nicht wissen, dass Techno Schwarze Musik ist. Und ich kann das verstehen, denn Schwarze Personen fühlen sich in Techno Clubs oft nicht sicher. Außerdem ist die Geschichte des Techno ja auch total weißgewaschen.
Am Ende ist es so: Intersektionalität muss in unserem täglichen Leben zentriert werden, und wir haben alle krass viele Hausaufgaben. Ich hoffe, dass diese Arbeit, die man in der Auseinandersetzung mit sich selbst leisten muss, nicht so viele Menschen abschreckt, denn eigentlich geht es darum: Wie können wir eine Welt gestalten, in der deine Lebensqualität und deine Sicherheit nicht von Hautfarbe, Körperform, Klasse und so weiter bestimmt wird? Das Leben ist nicht fair und Menschen haben nicht die gleichen Chancen, dieses „du musst nur hart genug arbeiten“ ist Quatsch. Da ist ein System dahinter. Ich denke, es ist grundlegend, dass mehr Menschen verstehen, dass strukturelle Unterdrückung wie zum Beispiel Rassismus erfunden wurde, um die Ausbeutung, die den Kapitalismus erst möglich macht, zu rechtfertigen. Übrigens, wir sprechen hier ja von grundlegenden Menschenrechten, ich kann nicht glauben, dass das debattiert wird. Aber die gute Nachricht ist, wie Alice Wong sagt: “We can create our history. You and I are creating a history right now. We should think about every conversation as a cultural and historic event.” Sprich: Jede und jeder von uns hat es in der Hand und wir kriegen das nur gemeinsam hin. Die Musik und Dancefloors dieser Welt sind auch ein Teil davon, dazu positiv beizutragen.
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