Review: Map.ache – What Does That Mean [Giegling]

Review: Map.ache – What Does That Mean [Giegling]

Features. 2. Dezember 2020 | / 5,0

Geschrieben von:
Tim Tschentscher

Ja, das ist wirklich eine gute Frage. Was soll uns dieses unvollendete aber fertige Jahr eigentlich genau sagen? Ob gewollt oder ungewollt, die stillgelegte Tanz- und Feiersaison hat uns alle so richtig genullt. Realisiert wurde in der Zeit vor allem eins: Clubs, Festivals, Veranstaltungen und insbesondere Tanzflächen sind soziale Knotenpunkte. So banal und nach First-World-Problem das auch klingen mag, es geht dabei nicht ums Ballern, sondern um Begegnungen. Die dritte LP des Leipziger Sohns Jan Barich zeugt ein wenig von dieser ungewissen Schwebe: Desorientiert und verspult, irgendwie gerade alles wollen und doch nichts so richtig durchziehen. Dieses verrückte Jahr, vertont als Schnelldurchlauf: 2020, 'What Does That Mean'?

Barich, der noch vor ziemlich genau zwei Jahren mit 'Vom Ende Bis Zum Anfang’ sein bislang persönlichstes wie konzisestes Werk vorlegte, zog nur wenige Wochen später mit dem House-Set 'Leaving' nach. Dann passierte zumindest in Sachen Releases eine ganze Zeit lang fast gar nichts. Es folgten diverse Bookings in Leipzig, Berlin, Nürnberg und Köln. Danach stand einiges still. Wie so viele andere MusikerInnen verschwand Barich im Studio, setzte sich während der Zwangspause mit neuen und alten Ideen auseinander. Dieser Umstand, auch als etablierter Künstler um die Existenz zu bangen, war neu. Status quo also, Album Nummer drei.

Was zu Beginn der A-Seite noch so seltsam verspielt klingt, verschwimmt im Laufe der Platte mehr und mehr in Orientierungslosigkeit. Das Grundgerüst wirkt mal angeheitert und freundlich, dann verqualmt und trüb, immer nach Referenzpunkten suchend, atmosphärisch-verquollen und hypnotisch-vereinnahmend. 'Slow Break Fast' steigt ein mit skurrilen Vocals zwischen Babygebrabbel und Scatting. 'Ukiu' klingt kaleidoskopisch, Rasseln und wie durch Topfschlagen erzeugte Percussions kommen hinzu. Der typische Barich-Ansatz, Stücke als Sample-Teppiche anzulegen, scheint hier erneut durch. Vergleiche an The Fields 'From Here We Go Sublime' scheinen auf 'Ealth' gar nicht so fern.

'Channel № 6', ein fast atonal verschobener Flicken aus Flötenklängen mit Xylophon-Unterspielungen, eröffnet die B-Seite. Barich wirft hier so viel hin, dass man ein wenig ins Stocken geraten kann. Es geht längst um Immersion und nicht mehr um Rausch. Das gelingt vor allem auch auf dem über 7-minütigen Track 'Snowisallaround' und 'Ulfito', wo zwischen Tribal, Downbeat und Trip-Hop schon fast alles passiert. 'Du Bist' wabert zunächst recht sumpfig dahin, hinzu kommen lange Synth-Flächen, die das Stück in seiner Dimensionalität verlängern. Dann fliegen dumpf-tiefe Fantasie-Vocals rein, die von hochgepitchten Einwürfen konterkariert werden.

Vor allem im Gesamteindruck fällt schnell eine gewisse Unpoliertheit auf. Viele Stücke wirken eher wie Demos, laufen selten mal so richtig aus oder ineinander und werden oft recht plump runtergefadet. 'Albatros' arbeitet wieder mit der für Giegling-Releases oft recht typisch verträumten Stilistik, die so ein gewisses Gefühl der Schwerelosigkeit evoziert. Die Kick-Pattern erinnern unter anderem auch an Vrils 'Torus XXXII'. Auf 'Portes' probiert sich Barich nochmal an Dub und Downtempo und lässt das Album ohne großen Pathos auslaufen.

Unterm Strich steht hier ein manchmal ernüchterndes aber in jedem Fall unerwartetes Map.ache-Album. Nicht weil zu wenig Zeit und Leidenschaft in das Projekt geflossen sein mögen. Am Maßstab der Erinnerbarkeit fehlen hier aber die großen wichtigen Momente, die vor allem 'Vom Ende Bis Zum Anfang' so wiederauflegenswert gemacht haben. Barichs abstraktere Seite kommt nun deutlicher zum Vorschein.

Das soll auch gar kein Plädoyer gegen Experimente sein, ganz im Gegenteil. Das, was Barich hier abhanden gekommen ist, ist vielmehr ein roter Faden. So lässt sich das Album eher punktuell auf einzelnen Seiten anspielen, als dass es als Gesamtkonzept funktioniert. Um es anders zu sagen: Im Vergleich zum Vorgänger hat dieses Album keinen richtigen Fluss. Und das macht es nach allen Seiten hin so offen wie beliebig. Es scheint, als wären viele einzelne Drafts zu einer Momentaufnahme zusammengefügt worden. Und so passt es dann doch auch wieder in dieses Jahr.

’What Does That Mean' ist auf Giegling erschienen.

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