Mit djay Pro AI stellt die Münchner Softwareschmiede Algoriddim eine neue Version ihrer recht beliebten Mac- und iOS-DJ-Software vor. Der Hersteller spricht von „revolutionären neuen Mixmöglichkeiten“, die Echtzeit-Separationen von Vocals und Instrumenten umfassen. Ob die als „Neural Mix“ angepriesene Technologie ähnlich gut funktioniert wie das Stem-Mixing in Traktor Pro und welche Unterschiede im Handling bestehen, habe ich mir zusammen mit den weiteren neuen Features in diesem Praxistest für euch angeschaut.
DJ-Software
djay Pro AI ist eine Vierdeck-Mixsoftware, die Streamingdienste und Offline-Tracks unterstützt, mit kreativen Funktionen wie Loops und Effekten ausgestattet ist und Video-Mixfunktionen sowie eine Controller-Unterstützung bietet. Die Software wird von Algoriddim über den Mac- und iOS-Appstore vertrieben und als Free- sowie Abo-Version angeboten. Die kostenlose Version bietet Basisfeatures wie:
- Transportfunktionen, Songanalyse, Sync-Funktion
- Mixer mit Dreiband-EQs, Filter und fünf Effekten
- Streamingdienste: Tidal, Soundcloud, Beatport, Beatsource (Spotify wird nicht mehr unterstützt)
- Controller-Support für ausgewählte Geräte
- Ableton Link
Wer alle (Pro-)Funktionen nutzen möchte, muss ein Abo abschließen, das monatlich 4,99 Euro oder jährlich 49,99 Euro kostet und die Software für beide Devices (Mac und iOS) beinhaltet. Ich persönlich mag Abomodelle nicht, auch wenn der Hersteller dieses durch eine kontinuierliche Update-Arbeit rechtfertigen möchte, aber das muss jeder für sich selbst entscheiden. Zu den Pro-Features zählen:
- Isolater EQ
- MIDI-Lernfunktion
- Unterstützung für über 100 Controller
- Mehrkanal-Audiointerface Support
- Looper & Sequencer
- über 40 Effekte von Sugar Bytes
- Neural Mixing
- über 1000 Loops, Samples und Visuals
Da wir die Software djay (Pro) für Mac und iOS bereits mehrfach hier auf DJ LAB getestet haben, möchte ich mich in diesem Test im Wesentlichen auf die Neuerungen konzentrieren und habe hierzu die Mac-Version näher beleuchtet.
Rundgang
djay Pro AI bietet verschiedene Oberflächendesigns mit ein bis vier Decks, die eine unterschiedliche Anzahl an Parametern sowie optional stilisierte Plattenspieler und einen Mixer einblenden. Zudem können Wellenformen der Songs an verschiedenen Positionen in der Software positioniert und dabei horizontal oder vertikal ausgerichtet werden. Da auch andere kreative Features per Selektion in der Kopfzeile nach Bedarf optisch ergänzbar sind, kann man sich hier sehr einfach eine passende GUI zusammenstellen.
djay Pro AI ist mit der neuen Neural-Mix-Funktion ausgestattet, die das inhaltliche Modifizieren von Songsparts erlaubt und zur gezielten Bearbeitung von Drums, Bass oder Harmonien sowie Melodien oder Vocals nutzbar ist. Die Neural-Mix-Funktion findet man in unterschiedlichen Bereichen der Software. Sie kann beispielsweise an Stelle des Dreiband-EQs, aber auch in Kombination mit Effekten und Loops verwendet werden. Mehr hierzu im Praxisteil.
Kreativ arbeitende DJs finden in dem Sampler ein probates Werkzeug, das mit One-Shot-Samples aus unterschiedlichen Quellen (Library, Decks) füllbar ist. Ein spezieller Sequenzer kann bis zu acht Beats lang und automatisch quantisierte Phrasen aufnehmen und diese synchronisiert zu den Tracks in den Decks wiedergeben. Zur Ergänzung von Loop-Samples gibt es einen eigenen „Looper“, der mit einer 6 x 8 Samplematrix aufwartet und acht Fader zur Lautstärkeanpassung bietet.
Unterhalb der Arbeitsfläche befindet sich die Songlibrary, die den Zugriff auf rechnerinterne Songs und Online-Streamingdienste erlaubt. Hierbei gilt es zu beachten, dass der beliebte Dienst Spotify nicht mehr zur Verfügung steht. Dieses Schicksal teilen aber alle anderen DJ-Programme auch und ist nicht Algoriddim anzulasten. Als Alternativen stehen Tidal, Soundcloud, Beatport und Beatsource zur Auswahl, wodurch sich eine riesige Songauswahl bietet. Die Nutzung dieser Dienste darf natürlich wie gehabt nur privat erfolgen, also nicht zur Beschallung kommerzieller Events.
Praxis
Die Installation von djay Pro AI läuft vollautomatisch über den Apple Appstore, der sich auch um zukünftige Updates kümmert. Ein erster Rundgang mit der Free-Version ist für einen unverbindlichen Eindruck empfehlenswert. Wer an der Software Gefallen gefunden hat, kann zudem auch noch eine Woche lang die Pro-Features kostenlos testen. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass man das hierzu benötigte Probeabo selbst kündigen muss, wenn man djay Pro AI nicht weiter nutzen möchte, sonst wird der Jahresbetrag fällig.
Die Grundfunktionen in djay Pro AI sind übersichtlich angeordnet, sodass sich auch Einsteiger:innen recht schnell zurechtfinden und mit den Sync- und Mixfunktionen die ersten DJ-Sets erfolgreich meistern sollten. Da es leider für die aktuelle Version kein Handbuch gibt, muss man sich die neuen Funktionen durch Ausprobieren selbst erschließen. In den meisten Fällen gelingt das auch intuitiv, manchmal entdeckt man aber auch Schalter und Funktionen eher zufällig. Da das Handbuch aber angekündigt ist, ist das nur ein temporäres Problem.
Das Hauptaugenmerk des Praxisteils habe ich auf die neue Neural-Mix-Funktion gelegt, da diese ein enormes kreatives Potenzial bietet. Die Neural-Mix-Funktion zerlegt Songs in verschiedene inhaltliche Bestandteile und das ganz ohne spezielle Vorbereitung (!). Eine ähnliche Funktion kennen viele von euch wahrscheinlich schon in Form der Stems in Traktor Pro, die aber nur dann nutzbar sind, wenn bereits im Studio die entsprechenden Songspuren separiert wurden. Die Neural-Mix-Funktion taucht in djay Pro AI zudem an verschiedenen Stellen auf.
So kann man den Dreiband-EQ per Auswahlmenü umschalten und per Drehregler perkussive oder tonale Parts separieren oder betonen. Alternativ gelingt dies auch durch Einblenden der Neural-Mix-Funktion als komplette Zeile inklusive Dreiband-Crossfader-Option oder als Zweiband-Ausführung neben dem „gewöhnlichen“ Lautstärke-Crossfader. Die Handhabung dieses mächtigen kreativen Tools ist sehr einfach gehalten und erlaubt das Anfertigen von A capella, Mashups etc. und das einfache Generieren von Remixen.
Klanglich kann diese Methode sicherlich nicht mit den Stems in Traktor mithalten, da es vor allem im Bereich der musikalischen und stimmlichen Inhalte oft zu Frequenzüberschneidungen kommt, die sich in Tonfragmenten und durch ein Phasing bemerkbar machen. Ich finde aber für Mixeinsätze sind die Resultate durchaus brauchbar. Gut gefallen hat mir die zusätzliche Implementierung der Neural-Mix-Funktion im Bereich der Effekte, da es somit möglich ist, einen Hall, ein Echo oder anderen Effekt nur auf Vocals oder Beats zu legen.
Als dritte Option kann die Neural-Mix-Funktion auch in Verbindung mit der Loop-Funktion genutzt werden. Hierbei lassen sich bestimmte Teile eines Songs in einer Schleife einfangen, während der restliche Song weiterhin wiedergeben wird. Diese Implementierung erlaubt das Kreieren von Echtzeit-Remixen und Spannungsbögen in einem Mix – einen Selbsttest kann ich hier nur wärmstens empfehlen.
Mit dem Sampler und Looper bieten sich einfach nutzbare Werkzeuge, um Mixe zu untermalen. Die Kombination des (One-Shot-)Samplers mit dem Sequenzer erlaubt die Erzeugung von Drum- oder Musikloops. Aktiviert man die Beat-Quantisierung, gelingt dieser Vorgang stets passgenau und ähnlich einfach wie mit einem Step-Sequenzer. Der Looper erinnert stark an die App Remixlive und ermöglicht die parallele Wiedergabe von bis zu acht Loop-Samples. Füttern lässt sich der Looper ausschließlich mit den enthaltenen Loopmasters-Sample-Packs. Die Packs lassen sich sehr gut einsetzen, sind inhaltlich perfekt aufeinander abgestimmt und umfassen viele verschiedene Genres wie DeepHouse, Trance, Drum ‘n‘ Bass, Hip-Hop und Techno.
Fazit
Die DJ-Software djay Pro AI von Algoriddim bietet als Vierdeck-Programm einen großen Funktionsumfang, Controller-Steueroptionen und Zugriff auf Streamingdienste. Die neueste Auflage überzeugt durch einen Zuwachs im kreativen Bereich und ermöglicht die einfache Integration von Samples zur Untermalung von Songs. Der größte Coup ist den Münchnern aber mit der neuen Neural-Mix-Funktion gelungen, die kreativen DJ-Sets Tür und Tor öffnet. Die Neural-Mix-Funktion beinhaltet das Separieren verschiedener Songparts in Echtzeit und eröffnet vollkommen neue Mixmöglichkeiten bis hin zu Echtzeitremixen sowie Mashups und das ganz ohne aufwändige Vorbereitung. Einen kleinen Abzug gibt es für die (noch) fehlende Dokumentation, denn viele Funktionen wie das Neural-Mix-Looping oder FX-Routing lassen sich nur durch investigatives Vorgehen und viele Mausklicks lokalisieren. Einen unverbindlichen Test der Software kann ich allen digitalen DJs wärmstens empfehlen.
Pro
GUI konfigurierbar
Unterstützung für Streamingdienste
Sampler Sequenzer & Looper
Mächtige Neural-Mix-Funktion
Gute Effekte
Sample-Content von Loopmasters enthaltenen
Kontra
Keine aktuelle Dokumentation verfügbar
Nur als Abo
Preis:
Abo 49,99 Euro/Jahr 4,99 Euro/Monat
Weitere Informationen gibt es auf der Website von Algoriddim.
1 Kommentare zu "Test: Algoriddim djay Pro AI / DJ-Software"
super
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