Wenn man “Ross From Friends” in einer Suchmaschine eingibt, landet man entweder bei einem sehr bekannten Charakter aus einer US-Fernsehserie – oder bei Videos drei junger Briten, die sich mit Gitarre, Saxofon und elektronischem Equipment live durch die Clubs der Welt jammen. Auch wenn Ross From Friends im Zuge des Lo-Fi-Hypes als Band bekannt geworden sind: Hinter dem Künstlernamen steckt eigentlich nur einer der drei, nämlich der britische Produzent und DJ Felix Clary Weatherall. Nach dem Erfolg der Live-Performances mit seinen Freunden John und Jed brillierte er 2018 mit seinem Debütalbum auf Flying Lotus Label Brainfeeder. Nun legt er mit seinem zweiten Album ‘Tread’ nach. Wir trafen Weatherall zum Interview, um über Vatergefühle, den Frust beim Aufnehmen von Tracks und seine technologische Lösung dafür zu sprechen.
DJ LAB: Du bist vor kurzem Vater geworden – herzlichen Glückwunsch! Wie fühlst du dich?
Weatherall: Es ist großartig, absolut unglaublich. Mein Leben ist gerade einfach so perfekt: Wenn ich zu Hause bin, freue ich mich darauf, wieder ins Studio zu fahren und wenn ich im Studio bin, freue ich mich sehr darauf, wieder nach Hause zu kommen.
Dein Vater hat dich musikalisch sehr inspiriert. Denkst du, dass du für deinen Sohn eine ähnliche Rolle spielen wirst?
Das frage ich mich auch. Ich glaube nicht, dass ich ein Vater sein werde, der ihn dazu zwingt, bestimmte Musik zu hören. Er wird vielleicht einfach so etwas aufschnappen. Oder auch nicht, aber das wäre auch okay.
Gibt es Genres oder Musikstile, die dein Vater gehört hat und die jetzt ihren Weg auf dein neues Album gefunden haben?
Auf jeden Fall! Diese generelle nostalgische Stimmung kommt von der 80er-Musik, die mein Vater gespielt hat, diese emotionale Synthesizer-Musik, die er „bittersüß“ nennt. Genau diese Stimmung findet sich immer in der Musik wieder, die ich mache.
Du hast gerade dein zweites Album ‘Tread’ veröffentlicht. ‘Tread’ (zu deutsch: Schritt, Spur) steht für die Spuren deiner Erinnerungen und Erfahrungen von dem Londoner Viertel, in dem du lebst. Kannst du ein bisschen mehr davon erzählen?
Der Titel ist eine Anspielung auf dieses Viertel und die letzten zehn Jahre, die ich dort verbracht habe. Ich habe viele verschiedene und lebendige Erinnerungen, die ich immer mit der Musik in Verbindung bringe, die ich eben zu der jeweiligen Zeit gehört habe. Ganz vieles davon findet sich nun auf dem Album wieder – das ist ganz unbewusst so passiert. Ich war zum ersten Mal seit langer Zeit wieder ausschließlich in dieser Gegend unterwegs und habe mich so wieder an all das erinnert.
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Mehr InformationenWegen der Pandemie?
Genau. Ich konnte natürlich nirgendwohin reisen, also bin ich fast die ganze Zeit im Studio geblieben. Ich hatte eh vor ab Anfang 2020 ein paar Monate Auszeit zu nehmen und musste dann feststellen: Okay, alle nehmen jetzt eine Auszeit! (lacht)
Nach ‘Family Portrait’ im Jahr 2018 bringst du jetzt dein zweites Album heraus. Hast du dich unter Druck gesetzt gefühlt, weil dein erstes Album so erfolgreich war?
Wahrscheinlich. Ich weiß nicht so recht. Mein erstes Album gefällt mir nicht wirklich.
Du magst es nicht?
Nein, nicht so richtig. Es ist nicht so, dass ich es hasse, aber ich bin auch nicht begeistert davon.
Weil du denkst, du hättest etwas Besseres abliefern können?
Genau. Mit den letzten Musikprojekten, die ich gemacht habe, ging es mir jedes Mal so: Ich wünsche mir, dass ich etwas anderes gemacht hätte. Ich denke, das gehört einfach dazu, wenn man ein Künstler ist und sich weiterentwickelt. Jedenfalls interpretiere ich das so. Ich möchte immer in Bewegung bleiben und Dinge verändern, um das Ganze frisch und neu für mich zu halten und nicht das Gefühl zu bekommen, immer wieder den gleichen Sound zu produzieren. Was mein erstes Album angeht, wollte ich gerne etwas komplett anderes machen.
Und, ist dir das gelungen?
Ich denke schon. Auch wenn ich das neue Album wahrscheinlich sehr schnell ebenfalls nicht mögen werde. (lacht)
Während der Produktion deines Albums hast du das Max for Live Plugin „Thresho“ entworfen, das deine Musik automatisch aufnimmt und katalogisiert. Wie ist dir die Idee dazu gekommen?
Ich war frustriert davon, Aufnahmen für meine Tracks zu machen. Das klingt total blöd, aber ich hatte einfach mit dem Prozess zu kämpfen, den Record-Knopf zu drücken, anzufangen und das dann die finale Aufnahme sein zu lassen, die in den Track kommt. Im Internet habe ich dann nach einem passenden Programm gesucht, das automatisch aufnimmt. Was dem am nächsten kam, war so ein Programm, das nachts dein Schnarchen aufnimmt. Dann habe ich einfach beschlossen, zu versuchen, so etwas selbst zu programmieren.
Wie funktioniert das Plugin?
Du musst eine bestimmte Marke setzen, ein musikalisches Signal, das die Software wahrnimmt. Wenn du anfängst zu spielen, nimmt es dann automatisch auf. Wenn du aufhörst, hört die Aufnahme je nach Einstellung nach ein paar Sekunden ebenfalls auf.
Wie hat das deinen Produktionsprozess verändert?
Es hat mir sehr geholfen. Ich bin viel besser darin, zu sampeln als etwas Bestimmtes für einen Track aufzunehmen. In den ersten sechs Monaten habe ich also nur auf den Synthesizern rumgespielt und die Software alles aufnehmen lassen. Jetzt habe ich tausende Aufnahmen. (lacht) Dann ist es nur noch eine Drag-and-drop-Geschichte. Ich habe Aufnahmen in einen Track gepackt, sie hin und her bewegt und daraus entweder eine Idee gezogen oder es als Basis für einen Track benutzt.
[UPDATE: Kurz nach dem Interview gab Ross From Friends auf Instagram bekannt, dass er seine komplette Thresho-Bibliothek von etwa 2000 Aufnahmen (50 GB), kostenlos auf einer eigenen Website zum Download zur Verfügung stellen wird.]
Die letzten beiden Tracks auf deinem Album heißen sogar ‘Thresho’.
Der erste davon, ‘Thresho_1.0’, besteht ausschließlich aus Aufnahmen, die ich mit dem Thresho-Plugin gemacht habe. Der zweite, ‘Thresho_1.1’, ist eine Anspielung auf ein mögliches Software-Update für das Plugin. Der Track steht am Ende des Albums und bezieht sich damit auch irgendwie auf meine Zukunft. Ich habe ihn auf diesen kleinen Musikboxen eingespielt,bei der man Löcher in Papier stanzen kann und dann kurbelt, um die Melodie zu hören, die man geschrieben hat
Jetzt kommt die obligatorische Lo-Fi-House-Frage: Der große Hype um Lo-Fi ist längst vorbei. Wie fühlst du dich, wenn du an diese Zeit zurückdenkst? Hast du das Gefühl, dass dir immer noch dieses Lo-Fi-Image anhaftet und dass du dich davon befreien musst?
Ich verspüre auf jeden Fall das Bedürfnis, mich davon zu befreien, aber hauptsächlich wegen dem, was ich vorhin meinte, weil ich eben so schnell frustriert bin von alten Sounds und Projekten. Ich wollte nicht ewig diese Musik machen. Als der Hype vorbei war, war ich nicht mehr daran interessiert.
Aber du hasst sie nicht?
Nein. Aber damals, als es schlechte Presse über mich gab, dachte ich: Ich möchte davon wegkommen, das ist toxisch. Aber ich hasse Lo-Fi-Musik nicht. Es ist vielleicht sogar ein Trend, der wiederkommt, in fünf Jahren oder so.
Ross From Friends ist durch die Live-Show, die du zusammen mit deinen Freunden John und Jed spielst, sehr bekannt geworden. Wie kam es dazu und wie kamt ihr auf die Idee, ein Saxofon mit in den Club zu nehmen?
Ja, was für eine Idee, oder? Damals war ich nicht so stark im DJing. Ich habe als DJ gespielt, als ich ein Teenager war. Als es später darum ging, meine Songs zu spielen, dachte ich, es wäre spannend etwas Neues zu probieren – vor allem, weil ich damals als DJ nie so wirklich wusste, was ich spielen sollte. So ist mir die Idee mit der Live-Show gekommen. Zu der Zeit habe ich oft mit John und Jed abgehangen. Wir haben viel über Musik gesprochen und irgendwann beschlossen, es einfach mit der Live-Show zu versuchen. Und so ist es dann geblieben – fünf Jahre mittlerweile. Es macht wirklich jede Menge Spaß.
https://www.youtube.com/watch?v=dWdvyKuhnwE
Deine Musik produzierst du alleine, aber live spielt ihr zu dritt. Wie läuft das, dieselbe Musik live mit Instrumenten zu spielen, die du alleine im Studio gemacht hast?
Damit haben wir uns wirklich eine Herausforderung geschaffen. Wir hören uns die Musik zusammen an, versuchen uns sehr intensiv reinzufühlen und das dann umzusetzen. Vor allem mit der Gitarre und dem Saxofon ist das schwierig, weil die Instrumente in meiner Musik nicht unbedingt vorkommen. Es geht also darum, bestimmte Abschnitte mit den Live-Instrumenten zu interpretieren. Es ist eine tolle Show, aber vor allem hänge ich daran, weil ich es zusammen mit zwei meiner engsten Freunde mache. Ich brauchte einfach eine Ausrede dafür, mit ihnen abzuhängen, gemeinsam auf Tour zu gehen und Spaß zu haben. Wenn du alleine als DJ unterwegs bist, ist das bestimmt ein sehr einsames Leben.
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