Carl Craig forciert Ausladung von kritischer Journalistin bei Festival

Carl Craig forciert Ausladung von kritischer Journalistin bei Festival

News. 22. Juni 2022 | 4,3 / 5,0

Geschrieben von:
Mathias Walter

Die Journalistin Annabel Ross wollte einen Bericht über das Movement Festival in Detroit verfassen. Einer der Headliner, Carl Craig, sorgte allerdings dafür, dass Ross ausgeladen wurde. Grund dafür sei, dass die Autorin in der Vergangenheit zwei Artikel über sexuelle Missbrauchsvorwürfe über seinen Freund Derrick May veröffentlichte.  

Die Journalistin Annabel Ross schreibt seit über 15 Jahren Berichte, Interviews, Reviews und vieles mehr für Kultur- und Musikmagazine wie NME, Resident Advisor und Mixmag. Ende Mai wollte sie eine Rezension über das Movement Festival in Detroit für Mixmag schreiben. Kurz vor Beginn des Festivals wurde Ross allerdings auf Drängen von Carl Craig ausgeladen.

Craig war einer der Headliner des Festivals und ist nicht nur in der Detroiter Szene ein großer Name, er war einer der prägenden Figuren des Detroit Technos der 90er. Craig intervenierte gegen den Besuch von Annabel Ross, da die Journalistin kritische Artikel über seinen Freund Derrick May veröffentlicht hat. Am Ende stellte Craig ein Ultimatum - er oder die Journalistin - und die Veranstalter:innen entschieden sich für den Musiker.

Letztlich geht es jedoch um Derrick May. Auch May ist ein Pionier des Detroit Techno und erlangte schon Ende der 80er Kultstatus. Er agierte einst als Mentor für Carl Craig, die beiden pflegen seit Jahrzehnten eine enge Freundschaft. Annabel Ross schrieb 2020 und 2021 zwei Artikel für Resident Advisor, in denen es um Vorwürfe von verschiedenen Frauen bezüglich dem Verhalten von May geht. Demnach wurden neun Fälle von Übergriffen und/oder Belästigungen sowie vier weitere Fälle von sexuell unangemessenem Verhalten festgehalten. Craig stellte sich in der Folge hinter May und schrieb unter anderem in seine Twitter-Bio "I DON’T TURN MY BACK ON MY BROTHERS".

Ross besucht Festival und wird im Nachhinein beleidigt

Die Journalistin wollte die Ausladung ursprünglich nicht groß ausschlachten. Nachdem es aber nach dem Festival zu weiteren Vorkommnissen gekommen ist, schrieb sie auf Medium einen Blogbeitrag. In diesem berichtet Ross, dass sie letztlich als normale Besucherin das Festival betrat. Nachdem sie den Gig von Omar Smith (bekannt als Omar S) besuchte, sah sie den Artist später im Raucherbereich. Ross war nach eigenen Angaben großer Fan von Omar S, den sie als  "weiteren Detroit Helden" bezeichnete. Im Raucherbereich fragte sie gemeinsam mit Freundinnen nach einem Foto mit Smith. Sie postet das Foto anschließend auf ihrer Instagram-Seite. Zu diesem Zeitpunkt wusste Ross laut ihrem Blogbeitrag allerdings nicht, dass Smith mit Craig und May befreundet war.

Nachdem Smith das Foto gesehen hatte, postete er das Foto auf seiner Instagram Seite. Dabei Schnitt er allerdings den Kopf von Derrick May aus und legte ihn über den Kopf von einer Freundin von Annabel Ross. Craig hatte das Posting in seine Instagram-Story kopiert und mit lachenden Smileys versehen. Tags darauf wurde das Posting von Omar S gelöscht.

"Fuck Resident Advisor"

Interessantes Detail am Rande: Smith trug bei dem Foto ein T-Shirt mit der Aufschrift "Fuck Resident Adivsor". Omar S veröffentlichte im Juni 2020 ein gleichnamiges Album. Eine Verbindung zu den Berichten von Annabel Ross auf RA ist allerdings unrealistisch, da sie ein halbes Jahr nach dem Album-Release den ersten Bericht veröffentlichte. Es könnte eher als Reaktion von einem Album-Review von RA verstanden werden, in dem ein Song vom Album 'You Want' mit einem Ford Fiesta verglichen wurde. "It's functional to a fault, a description that you could apply to, say, a Ford Fiesta. Solid. Reliable. Only disappointing in light of past glories."

"Bros before hoes"

Ross kritisiert in ihrem Blogpost mehrmals die ungesunden Männerfreundschaften in der Szene. Unter dem Motto "bros before hoes" werden Kumpels geschützt, auch wenn diese moralisch verwerflich oder mutmaßlich strafbar handeln. "It’s the brotherhood that encourages the men around abusers to turn a blind eye to bad behaviour, especially when they’re also making profits", schreibt Ross dazu. Sie fordert mehr Solidarität mit Opfern von Belästigungen und sexueller Gewalt und ein entschiedeneres Vorgehen gegen Täter. Auch wenn es bisher nicht zu einer Verurteilung von May gekommen ist, sei sein Verhalten gegenüber Frauen engen Freunden wohl bekannt gewesen.

Letztlich störe es sie vor allem, dass es immer nur Beschwichtigungen und keinerlei Einsicht von Seiten der drei Männer gebe. Denn am Ende kann die Musik geliebt, aber gleichzeitig Rechenschaft von den Akteuren verlangt werden: "It is possible to celebrate Detroit techno and at the same time to demand accountability from the figures in the scene who have abused their power."

Veröffentlicht in News und getaggt mit Carl Craig , Derrick May , Detroit Techno , Omar S , Resident Advisor

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