Up and Coming: Acidfinky – "Bass, Percussions und ganz viel ear candy!"
© Emily Dodd-Noble

Up and Coming: Acidfinky – "Bass, Percussions und ganz viel ear candy!"

Features. 23. Juni 2023 | 4,8 / 5,0

Geschrieben von:
Simon Ackers

Bei Acidfinky gibt es nur eine einzige Devise und die lautet: Bass! Um die tiefsten der tiefen Frequenzen herum schüttelt sie Woche um Woche Sets aus dem Ärmel, die wie das Hörbuch über das Lexikon der elektronischen Musik klingen. Das macht sie in ihrer eigenen Radioshow, bei Clubnächten in der Paloma Bar und Golden Pudel oder Showcases mit ihrem FLINTA-Kollektiv BLVSH. Acidfinky ist Teil der neuen Generation, die nach dem Corona-Gap lautstark und kreativ ihren Anspruch in der Clubkultur geltend macht, und Antwort auf jene Techno-Boomer, die in den jungen Leuten nur buntes TikTok-Marketing und ein Untergang des DJ-Handwerks wähnen. Wir haben mit der Newcomerin über ihre ersten Schritte an den Decks, ihr eigenes Label und emsiges Wühlen in Plattenkisten gesprochen.

DJ LAB: Lass uns doch ganz am Anfang beginnen, denn die Leute lieben Origin Storys. Wie sieht denn deine ganz eigene Geschichte auf dem Weg zum ersten Gig aus? Wann wurdest du erstmals mit DJing konfrontiert und wie sahen deine ersten Schritte an den Decks aus?

Für mich hat es, wie bei vielen Newcomer:innen momentan, im ersten Lockdown 2020 angefangen. Da es nicht viel anderes zu tun gab, hab ich mir ein paar günstige Plattenspieler besorgt und dann stundenlang am Tag damit verbracht, Musik aufzulegen. Gleichzeitig bin ich dem FLINTA Workspace namens SPOON beigetreten, wo ich viel über DJing und elektronische Musik im Allgemeinen gelernt habe. Da hab ich dann auch hripsime und INVERNO kennengelernt, mit denen ich das feministische Kollektiv BLVSH gegründet habe. Wir waren eine Lockdown-Clique, haben uns regelmäßig getroffen, Wein getrunken und gelernt, wie man Platten auflegt. Im Jahr 2021 ging dann meine Residency bei THF Radio und ich wurde Mitglied des Produktions-Workspaces Éclat. Dank dieser Plattformen konnte ich Auftritte bei Open Airs spielen – Clubs waren noch geschlossen – und bei HÖR auftreten. Mein erster richtiger Club-Gig fand im März 2022 in der Paloma in Berlin statt. Tom (Booker und Resident des Clubs, Anm. d. Red) hat mich eingeladen, eine ganze Nacht für seine Veranstaltung "Tom invites" aufzulegen. Ich war extrem aufgeregt, aber scheinbar hat es ganz gut geklappt. Immerhin durfte ich anschließend noch oft dort auflegen.

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DJ LAB: Es ging zuletzt für dich als DJ ziemlich rasant bergauf. Du bist regelmäßig bei HÖR zu sehen, hast eine eigene Radioshow und sogar eine Residency im Golden Pudel. Was soll denn jetzt eigentlich noch kommen?

Acidfinky: Das weiß ich ehrlich gesagt selber nicht, momentan freue ich mich einfach zu spielen! Ich werde auf jeden Fall meine verschiedenen Residencies fortsetzen und mit der BLVSH-Crew weitere Vinyl-Mixing-Workshops geben.

DJ LAB: Während deine DJ-Karriere langsam gefestigt ist, geht dein Weg als Produzentin jetzt ja erst richtig los. Wie sahen deine Anfänge aus und was hat dir beim Einstieg geholfen? Das Themenfeld Musikproduktionkann ja mitunter sehr erschlagend sein.

Acidfinky: Das lief ziemlich ähnlich wie beim DJing ab. Ich habe bei verschiedenen Programmen und Workspaces mitgemacht, um gemeinsam mit anderen das Produzieren zu erlernen. Alleine macht mir das einfach keinen Spaß. 2021 habe ich mit Rhythm Sister und Éclat angefangen und letztes Jahr hatte ich das große Glück, an einem kostenlosen fünfmonatigen Programm mit Open Music Lab und Native Instruments teilzunehmen. Zusammen haben wir eine Compilation veröffentlicht und ich habe dort auch mein erstes Live-Set erstellt. Momentan nehme ich am 3024-Mentoring von Martyn teil, und ich lerne bereits eine Menge davon! Grundsätzlich nutze ich jede Gelegenheit, um von Profis zu lernen, hauptsächlich in FLINTA-Räumen. Das ist eine der großartigen Möglichkeiten in Berlin – es gibt viele kostenlose musikbezogene Workshops, die ständig stattfinden.

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DJ LAB: Bisher hast du deine Tracks zumeist auf Compilations mit anderen Artists veröffentlicht. Sind für die Zukunft bereits eigene EPs oder sogar LPs geplant?

Acidfinky: Aktuell arbeite ich an vielen Tracks, von denen einige möglicherweise als EP veröffentlicht werden. Ich habe es aber nicht eilig. Als Künstlerin fühle ich mich für eine LP noch zu „frisch“. Ich hoffe, dass ich in ein paar Jahren in der Lage sein werde, so ein großes Projekt abzuschließen.

DJ LAB: Mit Twisting Knobs Records hast du ein eigenes Label gegründet und dieses Jahr die erste Compilation veröffentlicht. Welche Vorstellungen verfolgst du mit dem Label, welche Kriterien setzt du an die Releases an und wie soll der zukünftige Weg aussehen?

Acidfinky: Aktuell ist die elektronische Musik in Deutschland sehr schnell und ravy, mit vielen Edits. Einige behaupten, dass das auf die sozialen Medien zurückzuführen ist. DJs veröffentlichen derzeit viele kurze Videos mit verrückten Drops, bei denen das Publikum ausflippt. Ich möchte sie nicht dafür verurteilen, dass sie sich auf soziale Medien einlassen, um zu überleben und eine Karriere aufzubauen, aber ich glaube nicht, dass das die ganze Vielfalt der elektronischen Musik widerspiegelt. Mit meinem Label versuche ich verschiedene Genres, Rhythmen und Produzent:innen, die ich wirklich schätze und unterstütze, zu präsentieren. Keine unserer Veröffentlichungen würde ein Video mit 100k Aufrufen bekommen, aber sie erzählen eine Geschichte und zeigen den Charakter sowie die Persönlichkeit der Produzent:innen. Neben der Wahl der Musiker:innen habe ich mit meinem Label auch die Möglichkeit, über alles zu entscheiden, wie beispielsweise das Mastering (Queer Ear Mastering), die Visuals (cute.tupper) oder wen ich zur Radioshow und zur Golden Pudel Nacht einlade (Twisting Pudel). Es ist sehr schön, die volle Freiheit zu haben und mit den Menschen zusammenzuarbeiten, die ich mag. Mein großer Wunsch für die Zukunft ist, dass ich genug Geld verdiene, um meine eigenen Platten pressen zu lassen. Vielleicht klappt das ja schon bald, mal schauen.

DJ LAB: Bleiben wir bei den musikalischen Kriterien. Bei dir scheint am DJ-Pult, im positiven Sinne, quasi alles egal zu sein. In der Vorbereitung auf das Interview habe ich mich bei jedem einzelnen Set und Track diebisch darüber gefreut, was denn jetzt als Nächstes kommt und auch vieles direkt geklaut. Wie viel Zeit verbringst du am Tag damit, durch die analogen und digitalen Plattenkisten zu wühlen und was sind deine cop-or-drop-Kriterien?

© Emily Dodd-Noble

Acidfinky: Ich lege mittlerweile fast ausschließlich mit Vinyl auf. Obwohl ich nichts gegen das digitale Auflegen habe, finde ich es einfach schön, ein physisches Objekt in der Hand zu haben und nicht ständig auf einen Bildschirm schauen zu müssen, wenn ich Musik kaufe oder spiele. Jeden Monat besuche ich Hardwax und kaufe alle neuen Bass-Veröffentlichungen, die mir gefallen. Für gebrauchte Platten gehe ich alle paar Wochen zu Bikini Waxx und/oder Sleeve++ in Leipzig. Inch by Inch kann ich ebenfalls sehr empfehlen. Kürzlich war ich auch in Großbritannien und habe dort eine Menge UKG und Dubstep ergattert. Online kaufe ich niemals Platten, da bin ich ziemlich oldschool. Da ein paar Festivals bevorstehen, spiele ich derzeit ein bis zwei Stunden am Tag und höre mir alles an, was ich in meinem Plattenregal habe. Da ich nicht auf ein bestimmtes Genre festgelegt bin, ist es wichtig, dass ich meine Platten gut kenne, um zu wissen, was gut zusammenpasst. Eine gründliche Vorbereitung ist mir auch wichtig, damit ich mich bei Auftritten wohlfühle. Ich möchte nicht an einem Ort spielen und danach denken: "Mensch, ich hätte mich besser vorbereiten sollen." Meine cop-Kriterien für den Dancefloor sind: viel Bass, viele Percussions und ganz viel ear candy. Ich bezeichne solche Sounds als crispy Sounds, und ich glaube, man kann sie sehr gut in meinem DJ LAB Set hören. Für zu Hause und Radio-Shows kaufe ich aber wirklich alles, von Ambient zu Disko, und von Hip-Hop zu Techno. Es gibt zu viel gute Musik überall, ich finde es schade, wenn man sich nur für ein Genre interessiert.

DJ LAB: Chaos und „alles geht” ist auch das Stichwort für die letzte Frage. Du spielst erstmals auf dem Krake Festival, wo genau das ja Teil des Charmes ist. Was glaubst du, was dich erwartet und gibt es etwas, worauf du dich besonders freust?

Acidfinky: Bei Krake gibt es ein paar Punk Acts, die ich auf jeden Fall mitbekommen möchte, sowie das Panel über "Club Culture & Disability". Ich habe mir überlegt, für mein Set alle old school breaks und early hardcore Platten zu spielen, die ich in den letzten Monaten gefunden habe.

Acidfinky könnt ihr unter anderem dieses Wochenende auf dem Krake Festival hören und hier bei uns im exklusiven DJ LAB Mix:

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Veröffentlicht in Features und getaggt mit Bikini Waxx , BLVSH , cute.tupper , Éclat , Golden Pudel , HÖR , Inch by Inch , Native Instruments , Open Music Lab , Paloma Bar , Queer Ear Mastering , Rhythm Sister , Sleeve , SPOON , THF Radio , Twisting Knobs Records , Twisting Pudel

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