Frank & Tony im Interview: „Echte House-Musik wird immer politisch sein“

Frank & Tony im Interview: „Echte House-Musik wird immer politisch sein“

Features. 21. April 2024 | 5,0 / 5,0

Geschrieben von:
Ina Friebe

Zehn Jahre nach ihrem Debütalbum und nach zwischenzeitlichen Funkstillen melden sich Frank & Tony aka Francis Harris und Anthony Collins mit ihrem zweiten Studioalbum zurück. „Ethos“ heißt das Werk, das in gewohnt minimalistischer Weise am 22. März auf ihrem Label Scissor & Thread erschienen ist. Wir haben mit dem DJ- und Produzenten-Duo aus Brooklyn und Biarritz darüber gesprochen, wie ihre Zusammenarbeit über die Distanz funktioniert, wie wichtig der richtige Groove ist und inwieweit House-Musik noch politisch ist. 

DJ LAB: Seit eurem Debütalbum „You Go Girl“ im Jahr 2014 habt ihr kein weiteres volles Album veröffentlicht. Warum?

Frank & Tony: Nach dem Release von „You Go Girl“ haben wir ziemlich viel getourt und hatten tatsächlich nur Zeit, um EPs zu produzieren. Von 2017 bis 2019 haben wir dann eine Pause mit dem gemeinsamen Projekt eingelegt. Jetzt, nachdem wir seit vier Jahren wieder zusammenarbeiten, hat es sich nach einem guten Moment angefühlt, zum Album-Format zurückzukehren und sich in den Sound zu vertiefen, von dem unser Projekt von Anfang an inspiriert war. 

Wofür steht der Albumtitel „Ethos“?

Ethos kommt von dem griechischen Wort „ἦθος“, das soviel bedeutet wie Charakter, Brauch oder Angewohnheit. Wir beziehen uns damit auf die Essenz eines Brauches, einer Kultur oder einer Community, die sich in der kulturellen Produktion manifestiert. In Frank & Tony manifestieren sich die Freundschaft und Zusammenarbeit, die in der Anonymität des Dancefloors entstanden sind, wo durch die Entdeckung eines perfekten Grooves temporäre autonome Zonen oder kleine Utopien entstehen können, versteckt vor dem Wahnsinn und den Ungerechtigkeiten der Welt. 

Einer von euch wohnt in den USA, der andere in Frankreich. Wie läuft euer Produktionsprozess ab? Habt ihr bestimmte digitale Routinen gefunden, die gut für eure Zusammenarbeit funktionieren?

Durch unsere monatliche Residency im Public Records können wir jeden Monat gemeinsam Zeit im Studio verbringen. Normalerweise nutzen wir diese Zeit, um finale Arrangements und Abmischungen unserer Tracks zu machen. Zwischen diesen Treffen reden wir über Konzepte und senden uns Ideen und Grooves hin und her, bis eine Idee wirklich Form annimmt. 

Während eurer Zusammenarbeit als Frank & Tony habt ihr beide weiterhin als Solo Artists Musik herausgebracht. Wie würdet ihr den Frank-&-Tony-Sound beschreiben, den wir nicht auf euren Solo-Releases hören würden?

Das ist sehr einfach. Wir sind verrückt nach einfach gestrickten Grooves. Auch wenn viele der Produktionstechniken unserer Solo-Projekte in unseren gemeinsamen Produktionen hörbar sind, stellen wir uns am Ende immer dieselbe Frage: Funktioniert der Groove? Entweder tut er das oder er tut das nicht, und bei dieser Frage ehrlich mit uns selbst zu sein, hat uns wirklich geholfen, unseren Sound zu verfeinern und auszuarbeiten. 

In der Presseerklärung zu „Ethos“ sagt ihr, dass House-Musik immer ein Ausdruck von politischem Willen war und dass ihr schon immer von gegenkulturellen Bewegungen inspiriert worden seid. Könnt ihr erklären, inwieweit wir das in eurer Musik hören können?

Die kurze Antwort wäre, dass House-Musik seinen Ursprung in Schwarzen Communities hat, die recht vorsätzlich marginalisiert wurden. Deshalb waren die künstlerischen Praktiken, die in diesen Communities entstanden sind, auf jeden Fall Ausdruck von politischem Willen und haben eine Authentizität, die sich nicht kopieren lässt. Warum? Weil das echt und wahr war. Außerdem bringt der Groove Menschen auf dem Dancefloor zusammen. Was ist noch gegenkultureller? House-Musik ist keine Flucht aus der Realität. Aber sie zeigt, dass etwas, das so simpel wie ein Groove ist, Menschen zusammenbringen kann, ohne sofort eingefangen, abgepackt und als Wegwerfware verkauft zu werden, die dann direkt konsumiert und vergessen wird. 

Ist House heutzutage immer noch politisch? Wie seht ihr die Entwicklung von House, seitdem ihr 2012 mit Frank & Tony angefangen habt?

Echte House-Musik wird immer politisch sein, egal, wie die Leute das sehen, und zwar aufgrund ihres Ursprungs. Egal, wie sehr du sie auch verwässerst, du kannst ihren historischen Ursprung in Chicago, Detroit und New York nicht leugnen. 

Im Jahr 2011 habt ihr gemeinsam das Label Scissor & Thread gegründet. Francis, in einem alten Interview hast du gesagt, dass du nur Künstler:innen releasen würdest, die du persönlich getroffen hast. Stimmt das immer noch? Warum ist das so wichtig für dich?

Francis: Ich glaube, da gibt es mittlerweile ein paar Ausnahmen. Aber im Großen und Ganzen ging es bei Scissor & Thread von Anfang an darum, verschiedene Stimmen zusammenzubringen, um eine Community an Künstler:innen zu schaffen, die in der Summe größer ist als ihre Einzelteile. Es geht weiterhin vor allem darum, Menschen für gemeinsame Projekte zusammenzubringen. Ich wünsche mir, dass alle Leute des Labels immer Freund:innen bleiben und hoffe, dass unsere Fans diese Leidenschaft in unserer Musik hören können. Oder vielleicht stehen wir alle auf dem Label einfach nur auf Melancholie. Unterschätzt niemals die Emo-Bewegung!

Francis, du betreibst eine Location in Brooklyn namens Public Records. Wie würdest du den Ort beschreiben?

2019 habe ich mit Shane David, meinem Geschäftspartner, Public Records gegründet, mit der einfachen Absicht, alle unsere Interessen in einem Projekt zusammenzubringen: Gastronomie, Musik und Design. Wir wollten herausfinden, ob wir  unsere stetige Neugier tatsächlich zu einem Business machen können. Kurzum: Das Ganze war ein langer Prozess, aber wir glauben, dass man in unserer Venue, die wir selbst entworfen und gebaut haben, die Authentizität unserer Absichten spürt. Wir lieben Menschen. Wir lieben Tiere – deswegen ist alles vegan. Wir lieben DIY. Wir lieben Musik und Musiker:innen. Darum geht es. 

Als Frank & Tony spielt ihr seit kurzem eine monatliche Residency im Public Records. Wie läuft das bisher? 

Bei jeder Show fragen wir uns: „Kann es eigentlich noch besser laufen?“ – und tatsächlich ist es bei der nächsten Show dann noch besser. Wir sind unglaublich dankbar, diese Residency zu machen und so ein treues und engagiertes Publikum zu haben, das sich dem Deep House verschrieben hat. Wir freuen uns auch sehr über den einzigartigen Support der Mitarbeiter:innen von Public Records.

Welche anderen Projekte habt ihr für 2024? Werden wir wieder 10 Jahre auf euer nächstes Album warten müssen oder habt ihr bereits Ideen für neue Musik im Kopf?

Wir arbeiten bereits an einer Follow-up-EP und – wir trauen es uns kaum zu sagen – gehen vielleicht sogar wieder auf Tour, mit unserem täglichen Mantra: House4Life! 

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Veröffentlicht in Features und getaggt mit Deep House , Frank & Tony , House , Public Records , Scissor and Thread

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