Vor Kurzem kündigte DVS1 den Start von Aslice an. Der Service soll der ungerechten Verteilung von Geldern in der Clubszene entgegenwirken. Die Initiative ist wichtig und der ihr zugrundeliegende Gedanke richtig. Doch warum braucht es Aslice und was kann der Service auf lange Sicht oder in der Breite bewirken? Welche Probleme werden damit gelöst – und welche neuen könnten dadurch entstehen?
Ende März kündigte der DJ, Produzent und Labelbetreiber DVS1 den Beta-Launch der Plattform Aslice an. Die Nachricht wurde in der Breite zwar sehr positiv aufgenommen, doch mischte sich hier und dort auch Skepsis unter die Wortmeldungen. Bisweilen hatte es ebenso den Anschein, als wäre nicht immer allen Fans oder DJs klar, aus welcher Motivation und mit welcher Absicht die Plattform gegründet wurde.
Im folgenden Artikel beantworten wir einerseits die zentralen Fragen zu Aslice sowie dem Potenzial des Services, in Zukunft eine gerechtere Vergütung von Produzent:innen zu gewährleisten, deren Musik in Clubs und auf Festivals gespielt wird. Andererseits möchten wir auch Überlegungen dazu anstellen, mit welchen Problemen sich Aslice konfrontiert sieht – oder welche neuen dadurch gar aufgeworfen werden könnten. Denn bei einem noch jungen Dienst mit großen Plänen für die Zukunft steht die Frage nach Perspektiven für die Zukunft an erster Stelle.
Auf welches Problem reagiert Aslice?
Ganz einfach: Manche DJs kassieren pro Auftritt zum Teil fünfstellige Beträge oder noch mehr. Sie werden also dafür bezahlt, dass sie für ein paar Stunden überwiegend die Musik anderer Menschen abspielen und diese daran nur im seltensten Fall etwas mitverdienen.
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich diese Schieflage intensiviert. Einerseits explodierten DJ-Gagen ins Unermessliche, andererseits es ist für Produzent:innen zunehmend schwieriger geworden, mit ihrer Arbeit überhaupt die Miete zu zahlen. Das ist in jeglicher Hinsicht ungerecht und wurde zuletzt immer schärfer kritisiert.
Was ist Aslice und was bietet es Produzent:innen?
Aslice ermöglicht es DJs, Teile ihrer Einkünfte aus DJ-Sets an die Produzent:innen abzugeben, deren Musik sie darin gespielt haben. Ob sie das bei jedem ihrer Sets oder nur in Einzelfällen tun, ist ihnen ebenso überlassen wie auch die Höhe des ausgeschütteten Gesamtbetrags. Vom Unternehmen selbst wird vorgeschlagen, pro Auftritt 5 Prozent des Honorars abzugeben.
Ein Beispiel: Wenn ein:e DJ bei einem Gig 1.000 Euro verdient und eine Playlist von 50 bei Aslice registrierten Stücken von ebenso vielen verschiedenen Produzent:innen einreicht, bekommen die bei einer Abgabe von 5 Prozent abzüglich einer von Aslice erhobenen Gebühr von 15 Prozent sowie gegebenenfalls zusätzlich anfallenden Gebühren durch das aktuell vom Dienst verwendete Zahlungssystem PayPal circa zwischen 75 und 85 Cent dafür, dass irgendwo auf der Welt ein Track von ihnen gespielt wurde.
Klingt nach wenig? Ist es aber nicht, wenn beispielsweise ein Track zum Hit avanciert: Sollten pro Wochenende 200 DJs ihn spielen, nach den Sets ihre Playlists einreichen und einen Teil ihrer Gagen abgeben, könnte dabei schon eine ganze Monatsmiete herauskommen. Ähnliches gilt natürlich, wenn ein:e Produzent:in mit einer Vielzahl von Stücken in den Clubs vertreten ist.
Und selbst wenn es hier und da bei ein paar Cents bleiben sollte: Das ist immer noch mehr als gar nichts. Denn gar nichts ist etwa das, was Produzent:innen aktuell dafür erhalten, wenn ihre Musik in Clubs und auf Festivals gespielt wird.
Zusätzlich könnte Aslice den Produzent:innen auch über die quartalsweise erfolgenden, vollautomatisierten Überweisungen hinaus etwas bieten. Mehr Transparenz nämlich. Wie viele Tracks werden von DJs gespielt? Und wann, wo, von wem? Zumindest teilweise lassen sich diese Fragen mit Aslice nun besser beantworten als zuvor.
Darauf lässt sich in mancherlei Hinsicht aufbauen. Stellen wir uns etwa vor, dass deine Tracks laut Aslice-Setlists von diversen DJs in den Clubs einer bestimmten Region rauf und runter gespielt werden. Es würde dann Sinn ergeben, das Marketing für deine Releases dort zu fokussieren und/oder zu versuchen, sie in den dortigen Plattenläden unterzubringen. Genauso könnten eventuell dort Bookings als DJ oder Live-Act herausspringen. Aslice ermöglicht es eventuell, über die bloßen Ausschüttungen hinaus finanziell von dem System zu profitieren.
Sollte sich Aslice weitreichend etablieren, könnte das für nicht wenige Künstler:innen, die sich in erster Linie als Produzent:innen sehen und ihre Arbeit als DJs nur als Brotjob betrachten, vielleicht sogar bedeuten, dass sie sich auf ihre eigentliche Berufung konzentrieren könnten.
Wer kann außerdem von der Plattform profitieren – und wer nicht?
Aslice ist ein Produkt, das aus der Szene für elektronische Tanzmusik kommt und richtet sich deshalb nach den dort herrschenden Paradigmen der Musikproduktion aus. Eines davon lautet, dass Musikproduktion weitestgehend von Einzelpersonen erledigt wird, wobei es zeitweise zu Kollaborationen in verschiedensten Formen kommt.
Das ist ein Umstand, der bei der Ausschüttung auch beachtet wird. Handelt es sich beispielsweise um einen Feature-Track, einen offiziellen Edit beziehungsweise einen Remix, wird der ausgeschüttete Betrag zu gleichen Teilen auf die beteiligten Artists aufgeteilt.
Es lässt sich fragen, ob das im Einzelfall gerecht ist und auch auf andere Bereiche der Musikwelt anzuwenden wäre. Wenn ein:e Gastsänger:in beispielsweise kaum mehr als ein paar Worte beigesteuert hat, ist es dann wirklich gerecht, wenn 50 Prozent der Einnahmen ausgezahlt werden? Überhaupt: Wird jemand für Vocals oder einen Remix rekrutiert und erhält im Gegenzug eine einmalige Summe, wieso müssen danach weiterhin Tantiemen durch Aslice ausgeschüttet werden?
Interessant ist allerdings, dass das Geld nur an die direkt an der Musik beteiligten Künstler:innen ausgeschüttet wird. Das System fußt anscheinend auf der Annahme, dass Songwriter:in und Performer:in identisch sind. Normalerweise wird rechtlich und also auch hinsichtlich der Ausschüttung von Tantiemen allerdings zwischen denjenigen unterschieden, die ein Stück schreiben und denjenigen, die es oder zumindest Teile davon im Studio einspielen.
In der Szene allerdings, aus der Aslice kommt, sind beide Rollen meistens identisch – weshalb auch der Begriff “Producer” statt etwa “Songwriter” verwendet wird, weil darin diese Personalunion zum Ausdruck kommt. Auch das wird im Einzelfall sicherlich Fragen aufwerfen. Was, wenn bestimmte Künstler:innen für einige Tracks mit Produzent:innen zusammengearbeitet haben, die diese Stücke nach ihren Vorstellungen umgesetzt haben und aber nicht als Feature-Gäst:innen im klassischen Sinne genannt werden? Wem steht das Geld zu?
Obwohl das sicherlich in Hinblick auf Dance Music die Ausnahmefälle sind, deutet die von Aslice vorgenommene Gewichtung durchaus darauf hin, dass der Service in anderen Gebieten der Musiklandschaft nicht ohne Weiteres nach demselben Prinzip anzuwenden wäre. Das muss er auch nicht und tatsächlich könnte die Spezialisierung in vielerlei Hinsicht Vorteile bieten, allemal weil den Bedürfnissen der damit bedienten Gemeinschaft umso präziser begegnet werden kann. Es heißt aber auch im Guten wie im Schlechten, dass Aslice womöglich niemals über diese Szene hinaus wachsen und wirken könnte.
Fehlt da nicht etwas? Natürlich: die Labels! Obwohl es leichter ist als je zuvor, Musik auf eigene Faust zu veröffentlichen, gibt es die schließlich weiterhin. Eben auch, weil sie in Hinblick auf die Szene für Dance Music einen großen Anteil daran haben, dass Tracks überhaupt ihren Weg zu bestimmten DJs finden. Einerseits bietet die Veröffentlichung eines Releases auf einem Label in der Regel mehr Sichtbarkeit als der Selbstvertrieb über Bandcamp und andere Plattformen. Andererseits kümmern sie sich in der Regel auch um Bemusterung und PR sowie den Vertrieb im digitalen Raum und von physischen Tonträgern.
Dazu ließe sich ebenfalls argumentieren, dass Labels in manchen Fällen durch Feedbackrunden oder die Bereitstellung verschiedenster Ressourcen am kreativen Prozess beteiligt sind. Es scheint in diesem Sinne nur logisch, dass auch sie von Aslice profitieren sollten. Das wird aber nicht der Fall sein, oder zumindest nicht direkt. Eine direkte Beteiligung an den Ausschüttungen ist für sie nicht vorgesehen.
Dafür sollen die von DJs eingereichten Playlists jedoch mit Buy-Links angereichert werden – vergleichbar etwa mit dem System des Buy Music Club, den bereits einige DJs verwenden, um Fans die Möglichkeit zu geben, Tracks aus ihren Sets und Mixen direkt auf Bandcamp zu kaufen. Ist das fair? Aus Sicht der Labels vermutlich nicht, oder zumindest nur bedingt.
Das wirft die Frage auf, ob Produzent:innen tatsächlich ihr gesamtes Schaffen unwidersprochen zur Monetarisierung über Aslice anmelden können. Wenn außer ihnen noch andere Parteien wie beispielsweise eben Labels oder auch Verlage bestimmte Rechte an ihrer Musik und deren Verwertung haben, könnte es zumindest in Einzelfällen zu Diskussionen kommen. Zwar handelt es sich bei den über Aslice getätigten Auszahlungen in rechtlicher Hinsicht wohl eher um Spenden als Royaltys im klassischen Sinne, doch ist nicht auszuschließen, dass einige Labels ebenfalls ein Stück vom Kuchen abhaben möchten.
Warum also Aslice?
Es sollte offensichtlich sein, warum es ein System wie Aslice braucht. Scheinbar zumindest. Denn tatsächlich sollte dieses Unternehmen eigentlich gar nicht existieren. Die Verantwortung für die gerechte Verteilung von Geldern, die aus der Wiedergabe von Musik in verschiedenen Kontexten generiert wird, liegt nämlich eigentlich woanders: bei den sogenannten Verwertungsgesellschaften.
Die bekannteste deutsche Verwertungsgesellschaft ist die GEMA. Als sogenannter wirtschaftlicher Verein nimmt er eine in rechtlicher Hinsicht spezielle Rolle ein, wichtig ist in diesem Kontext aber vor allem eins: Die GEMA kann als wirtschaftlich agierender Verein von verschiedenen Unternehmen Geld dafür verlangen, wenn bei der GEMA registrierte Musik wiedergegeben wird. Das können genauso große Internet-Plattformen sein wie eben auch Clubs, Festivals oder auch nur das Café die Straße runter.
Einige werden sich erinnern: Bis vor einigen Jahren waren nicht wenige Musikvideos auf YouTube gesperrt, weil zwischen beiden Parteien keine Einigung darüber erfolgt war, welche Abgaben dafür notwendig waren. Manche sind vor rund zehn Jahren vielleicht sogar auf die Straße gegangen, als die GEMA die Beiträge für Clubs erhöhen wollte. Manche Clubs sahen sich damals sogar existenziell von diesen Erhöhungen bedroht. Einen guten Ruf hat der Verein also nicht.
In der Theorie zumindest ist das System der GEMA aber ein sinnvolles, denn eigentlich sollte es sehr ähnlich funktionieren wie das von Aslice: Deine Musik wird auf YouTube gestreamt oder im Club gespielt? Prima, dein Geld wird dir bald überwiesen! Denn schließlich wird alles registriert und dir dann mit der nächsten Abrechnung überwiesen, sofern du bei der GEMA registriert bist. Das Geld dafür kommt aus ebenjenen Abgaben, die die GEMA rechtlich gesehen einfordern darf.
Diese Gelder werden übrigens auch aus anderen Quellen erschlossen. Wer beispielsweise egal zu welchem Zweck einen USB-Stick im Handel kauft, drückt dabei automatisch 30 Cent an die GEMA ab. Ähnliches gilt für andere Speichermedien wie Festplatten oder CD-Rohlinge. Der dahinterstehende Gedanke ist ebenfalls nicht verkehrt: Weil im digitalen Umfeld über diese Medien Musik vervielfältigt und in der Regel auch abgespielt wird, sollten die Urheber:innen dieser Musik daran auch mitverdienen.
Nur lässt sich mit 30 Cent angesichts einer Gebrauchszeit von bisweilen mehreren Jahren, während derer DJs davon tausende verschiedene Tracks abspielen, nur schwerlich rechnen. Wie eben auch insgesamt das in der Theorie ganz gut klingende GEMA-Prinzip in der Praxis so gut wie gar nicht funktioniert – zumindest nicht im Bereich der Dance Music. Auch weil die GEMA die DJs in zumindest finanziell nicht in die Verantwortung nehmen kann: Gebühren erhebt sie nur von Clubs und Festivals beziehungsweise Veranstalter:innen.
Warum macht Aslice den Job der GEMA?
“Die GEMA arbeitet nicht für unsere Community”, wetterte DVS1 im Interview mit GROOVE-Chefredakteur Alexis Waltz, als es um die Notwendigkeit des Services ging. Er hat leider recht. Zugespitzt ließe sich sogar sagen, dass die GEMA den DJs sogar Steine in den Weg legt, wenn diese ihrer moralischen Verantwortung nachkommen und ihre Playlists bei dem Verein einreichen wollen, damit die jeweiligen Rechteinhaber:innen von den GEMA-Ausschüttungen profitieren können.
Das lässt sich einerseits darauf zurückführen, dass die GEMA in vielerlei Hinsicht eingerostet ist oder zumindest auf technologischer Ebene nicht auf der Höhe der Zeit agiert. Der Verein könnte wohl gar nicht den bürokratischen Aufwand stemmen, der für die Erfassung und Verarbeitung von mehreren hundert oder gar tausend Playlist-Einreichungen pro Wochenende einhergeht – eben genau das, was durch Aslice weitgehend automatisiert ablaufen soll.
Es ließe sich sogar argumentieren, dass die GEMA kein Interesse daran hat, das Geschehen bezüglich der Wiedergabe von Musik in Clubs oder auf Festivals vollumfänglich zu registrieren.
Anderswo nämlich geschieht das weitgehend problemlos. Dank Verwertungsgesellschaften lässt sich etwa im Radio und TV ziemlich gutes Geld verdienen, wenn dort ein Track gespielt wird. Doch richten sich Radio und TV als Formate in der Regel an ein ganz anderes Publikum und verfolgen dementsprechend eine andere Programmierung als etwa ein Club. Verkürzt gesagt bedienen sie beide eher die Bedürfnisse eines Mainstream-Publikums, weshalb ein Großteil der GEMA-Ausschüttungen auch in die entsprechenden Taschen fließen. Ein alter Witz zum Thema bringt es auf den Punkt: Am Ende des Tages arbeiten alle für Dieter Bohlen.
Ein Dieter Bohlen trägt mit dem ihm zugehörigen Songkatalog und dem entsprechenden Marktwert zum Wert wie auch zur Berechtigung der GEMA bei. Es wäre also theoretisch gesprochen gar nicht im Sinne des Vereins, die Einnahmen von ihm oder vergleichbar großen Fischen zu schmälern, indem in der Breite dafür gesorgt wird, dass die Erfassung der überall wiedergegebenen Musik umfassender ausfällt. Denn das könnte auch bedeuten, dass die großen Fische nicht mehr ganz so große Stücke vom Kuchen abbekommen, weil plötzlich viel mehr kleine ebenfalls daran knabbern.
Viele Clubs, DJs und Musiker:innen trauen der GEMA sowie der anderen deutschen Verwertungsgesellschaft für Musik, der GVL, überhaupt nicht. In den vergangenen Jahren wurden deshalb die Stimmen nach grundlegenden Reformen der Verwertungsgesellschaften in Deutschland oder anderswo immer lauter.
GEMA und GVL sind nur zwei Verwertungsgesellschaften unter vielen ähnlich agierenden Institutionen in aller Welt. Die Probleme sind trotz aller Unterschiede zwischen ihnen fast identisch. Allemal lässt sich also sagen, dass mit Aslice ein international einheitliches und doch individuell anpassbares System geschaffen wurde, das die Vergütung von Produzent:innen regeln kann, deren Musik in Clubs gespielt wird – etwas, das zuvor so flächendeckend schlicht nicht möglich oder vorgesehen war.
Warum ist Aslice ein privates Unternehmen?
Anders als bei der GEMA handelt es sich bei Aslice um eine LLC, eine Limited Liability Corporation. Das lässt sich mit GmbH, also Gesellschaft mit beschränkter Haftung, übersetzen, ist aber rechtlich nicht unbedingt dasselbe. Wichtig ist in erster Linie, dass die Aslice LLC als profitorientiertes Unternehmen auftritt. Ist das nicht widersinnig, wenn es dabei um ökonomische Fairness gehen soll?
In der ausführlichen und transparent gehaltenen FAQ-Sektion der Aslice-Homepage wird darauf hingewiesen, dass es nur mit einer entsprechenden Rechtsform möglich ist, auf internationaler Ebene Gelder einzusammeln und auf eine Art weiterzuverteilen, die es DJs ermöglicht, die Zahlungen aus ihren Gagen steuerlich geltend zu machen. Darüber hinaus schlüsselt das Unternehmen sehr konkret auf, wofür die auf die Auszahlungen an Produzent:innen erhobenen Gebühren von 15 Prozent verwendet werden sollen.
Zwar haben wir – wie zuletzt im Fall von Bandcamp – oft genug erlebt, dass vermeintlich integere “Indie-”Firmen letztlich doch dem Großkapital erlegen sind. Das scheint zum derzeitigen Zeitpunkt allerdings unwahrscheinlich. Aslice wurde offensichtlich aus den besten Absichten gegründet und versucht, einen bestehenden Mangel zu beheben. Etwaige Profitinteressen, die es auf lange Sicht vielleicht von seinem erklärten Ziel einer gerechteren Verteilung von Geldern abbringen könnten, spielen aktuell sicherlich nicht die erste Geige.
Die bloße Rechtsform und damit wirtschaftliche Struktur sind zumindest in dieser Hinsicht aufs Erste zu vernachlässigen. Sie bringt allerdings ein anderes Problem mit sich.
Was kann Aslice wirklich bewirken?
In einer ersten Pressemitteilung stellt das Unternehmen eine einfache Rechnung auf: 1,1 Milliarden US-Dollar sind im Jahr 2019 laut einem IMS Business Report von DJs umgesetzt worden. Hätten all diese DJs 5 Prozent ihrer Gage geopfert, hätten 55 Millionen US-Dollar an Produzent:innen ausgeschüttet werden können. Zu vernachlässigen ist bei dieser Rechnung wohl, dass die Nettosumme abzüglich der Aslice-Gebühren und eventuell anfallender Abgaben für den Zahlungsverkehr – anfänglich nur über PayPal möglich – kleiner ausfallen würde.
Denn sie ist bewusst utopisch gehalten und soll in erster Linie das Potenzial von Aslice unterstreichen – drückt damit zugleich aber ein großes Problem aus. Denn wie bitteschön kann Aslice garantieren, dass DJs überhaupt einen einzigen Cent von ihren Gagen opfern, um die Produzent:innen daran teilhaben zu lassen?
Die unschöne Antwort: gar nicht. Denn eben weil es sich bei Aslice um ein privatwirtschaftliches Unternehmen handelt, hat es anders als Verwertungsgesellschaften keinerlei rechtliche Handhabe, sprich kann höchstens in moralischer Hinsicht an die Solidarität der DJs appellieren, sie aber nicht dazu verpflichten, Abgaben zu tätigen. Und ob denen der bloße Appell reicht?
Lohnt sich das Konzept für DJs?
Wer Aslice nutzt, muss pro eingereichter Playlist einen Teil – wie gesagt, vorgeschlagen werden 5 Prozent, als Minimum wird aber ein Betrag von zehn US-Dollar verlangt – des Honorars für den jeweiligen Auftritt opfern und obendrein noch etwas mehr Mehrarbeit leisten, sei es nur die bloße Erstregistrierung beim Service, dem Upload der Setlists oder, im Extremfall, sogar die manuelle Eingabe aller einzelnen Playlists nach einer rein mit Vinyl bestrittenen Tour.
Geld verlieren und obendrein noch unbezahlte Arbeit leisten? Das wird den wenigsten schmecken. Erst recht nicht, weil die meisten DJs in den vergangenen Jahren herzlich wenig zum Arbeiten kamen und die Priorität vermutlich erst darauf legen werden, Geld einzunehmen anstatt es abzugeben.
Nun handelt es sich beim vorgeschlagenen Prozentsatz von 5 Prozent allerdings um keine große Summe. Bei einer Gage von zum Beispiel 200 Euro reden wir schließlich von einem Zehner. Und was sind schon 50 Euro, wenn am Ende des Tages von 1.000 Euro noch 95 Prozent dieses Betrags brutto übrig bleiben? Nein, viel Geld ist das nicht. Und insbesondere für DJs, die komplett oder zumindest weitgehend digital und dazu noch mit Pioneer-Hardware – so ziemlich der Industriestandard also – wie CDJs auflegen, hält sich der Mehraufwand in Grenzen.
Dazu kommt außerdem, dass eben die Rechtsform von Aslice es ermöglicht, die Abgaben aus der eigenen Gage als tatsächliche Ausgaben zu verbuchen und dementsprechend von der Steuer abzusetzen. Das heißt, dass die erteilten Abgaben genauso wie beispielsweise der Kauf von Hardware, Platten oder digitalen Files geltend gemacht werden können.
Auch wenn das für viele, die die Musik für ihre Sets kaufen, umso mehr nach einer Doppelausgabe aussehen dürfte: Insbesondere DJs, die überwiegend mit kostenfrei zugesandten Promos auflegen, sollte die Fairness des Ganzen einleuchten. Vor allem aber wird das System vielen DJs eben deshalb sinnvoll erscheinen, weil sie sich vielleicht dem bestehenden Gefälle zwischen ihren Einnahmen und dem, was davon bei den eigentlichen Produzent:innen ankommt – so ziemlich gar nichts –, bewusst sind.
Zu dieser moralischen Motivation könnte sich eine weitere gesellen, die an ein finanzielles Interesse gekoppelt ist: In der Szene sind schließlich die meisten DJs auch als Produzent:innen aktiv oder umgekehrt.
Zwar ist niemand verpflichtet, sich zugleich als DJ und Produzent:in bei Aslice zu registrieren und erst recht steht niemand in der Bringschuld, von jedem Honorar Einnahmen abzugeben. Aber wer als Produzent:in von Aslice profitieren möchte, hat zumindest ein indirektes Interesse daran, als DJ mit gutem Beispiel voranzugehen.
Denn obwohl DJs kein Geld dafür erhalten, ihre eigenen Tracks zu spielen – das Geld wird stattdessen anteilig auf die anderen in jeder Playlist vertretenen Produzent:innen aufgeteilt —, so doch daran, dass es mehr DJs ihnen gleichtun. Denn je mehr DJs Aslice nutzen, desto höher fallen auch für sie die insgesamt erwartbaren Einnahmen aus.
Aslice muss allerdings vor allem in der Anfangszeit des Services auf Eigeninitiativen setzen und kann nur mit viel Aufklärungs- und noch mehr Überzeugungsarbeit, nicht aber mit verpflichtenden Maßnahmen eine breite Adaption des Systems bewirken. Den moralischen Imperativ hat der Service dabei ebenso auf seiner Seite wie eine Reihe von Testimonials bekannter DJs aus allen Schichten der Szene – mehr allerdings auch nicht.
Aus den vorigen Erläuterungen sollte des Weiteren deutlich werden, warum sich viele DJs überhaupt nicht für Vergütungsfragen verantwortlich fühlen – weil sie es ja gar nicht sein sollten! Die Frage, warum sie Abgaben und Mehrarbeit leisten sollten, um damit das Versagen der Verwertungsgesellschaften mittels einem neuen Services zu kompensieren, lässt sich jedenfalls nicht ohne Weiteres vom Tisch räumen.
Ihr lässt sich nur entgegnen, dass Aslice auf lange Sicht mit ihrer Mithilfe vielleicht für einen Paradigmenwechsel sorgen könnte, der ihnen diese Verantwortung wieder abnehmen könnte. Mehr dazu später.
Welche DJs werden den Dienst voraussichtlich nutzen?
Aktuell lässt sich darüber nur spekulieren, wie viele DJs welcher Größenordnung Aslice eine Chance geben beziehungsweise das System dauerhaft annehmen werden. Auf den ersten Blick scheint es vor allem geboten, dass große DJs den Service nutzen – aus ihren Gagen lässt sich einerseits am meisten Geld abzweigen und andererseits könnte ihr Engagement für die Plattform einen sogenannten bandwagon effect forcieren, also noch unentschlossene DJs davon überzeugen, es ihnen gleichzutun. Doch ist das wahrscheinlich?
Einer der bekanntesten Fürsprecher:innen von Aslice ist Richie Hawtin. Das überrascht wenig: Einerseits ist er als extrem technologieaffin bekannt, andererseits hat er sich trotz seiner Bekanntheit einer bestimmten Underground-Ideologie verschrieben. Doch stellt er damit nicht die Ausnahme dar? Denn was ist mit den DJs vergleichbarer Größenordnung, die aus ihrem Handwerk ein multinationales Geschäft gemacht haben und keine Skrupel haben, auch fragwürdige Deals anzunehmen?
Weil es jenseits der moralischen Frage keine wirklichen finanziellen Anreize gibt oder gar rechtliche Verpflichtungen für sie gelten, scheint es unwahrscheinlich, dass die Top-DJs dieser Welt Aslice mit offenen Armen empfangen werden. Unter den Großverdiener:innen der DJ-Welt wird schließlich mit harten Bandagen gekämpft – und zwar in der Regel um die eigenen Vorteile. Ein bisschen Dazugewinn zum eigenen Ruf reicht wohl leider nicht aus, um sie zum Verzicht auf Teile ihrer Gagen zu bewegen.
Wesentlich wahrscheinlicher ist es, dass vor allem kleinere DJs dem Service eine Chance geben werden, vor allem wenn sie auch als Produzent:innen davon profitieren können – auch weil es merkwürdig anmuten würde, wenn sie ihre Tracks dort registrieren und selbst als DJs nichts beisteuern würden. Bestraft werden könnten sie dafür zwar nicht, aber Fragen würde es allemal aufwerfen.
Gegebenenfalls rechnet das Unternehmen damit, eine solide Basis von kleineren Namen und DJs aus dem ökonomischen Mittelfeld aufzubauen, die die Nutzung von Aslice erst in bestimmten Kontexten und vielleicht so Stück für Stück als neue Norm etablieren sollen. Ob das funktionieren wird, ist derzeit allerdings noch nicht abzusehen. Und welche Effekte es anderweitig mit sich bringen könnte, darüber lässt sich an dieser Stelle ebenfalls nur spekulieren.
Könnte Aslice zu neuen Konkurrenzkämpfen führen?
Wo immer Wertschöpfungssysteme existieren, finden sich auch Menschen, die diese auszunutzen versuchen. Denken wir beispielsweise an die Betreiber:innen einschlägiger YouTube-Kanäle, die von aufstrebenden Produzent:innen bestimmte Summen fordern, um ihre Tracks darin zu platzieren. Ist Ähnliches auch im Fall von Aslice denkbar?
Produzent:innen hatten schon zuvor ein Interesse daran, dass ihre Tracks von namhaften oder zumindest vielen DJs gespielt wurden, weil das zu mehr Plattenverkäufen, Einnahmen durch Downloads oder zumindest aus dem Streaming-Umfeld wie vielleicht auch Bookings führen könnte. Und obwohl sie theoretisch gesehen schon vorher aus der bloßen Wiedergabe hätten profitieren sollen: Nun können sie es auch praktisch.
Hieße das nicht, dass sie ein umso größeres Interesse daran haben, DJs dazu bewegen, ihre Musik zu spielen – und die wiederum das ausnutzen könnten? Aslice würde die DJs zumindest noch direkter zu Gatekeepern zwischen Publikum und Produzent:innen machen und das eben auch in finanzieller Hinsicht.
Ließe sich das aber ausnutzen? Der Gedanke einer neuen Form von Payola, wie sie im Radio eine lange Tradition hat, scheint allemal weit hergeholt, völlig abstrus ist er nicht. Zumindest scheint es erstmal keinen Mechanismus zu geben, der DJs effektiv direkt daran hindern könnte, gegen Geldzahlungen oder sonstige Gefälligkeiten bestimmte Tracks einzelner Produzent:innen zu spielen.
Die Frage ist allerdings, ob sich das wirklich für beide Seiten lohnen würde: Um aus einem solchen Deal Profit zu schlagen, müssten DJs schon mehr Geld verlangen, als sie der jeweiligen Person über Aslice zukommen lassen, wenn sie ihre Tracks spielen. Und die Produzent:innen müssten im Gegenzug darauf hoffen, dass sich aus der daraus gewonnen Sichtbarkeit auf anderem Wege neue Einnahmen generieren lassen – wenn beispielsweise andere DJs den Tune ebenfalls in ihre Sets aufnehmen oder wenn die erhöhte Präsenz zu mehr Einnahmen aus Verkäufen und Streaming sorgt. Das ist mindestens ein Risikogeschäft.
Festzustehen scheint dennoch, dass es aus Produzent:innensicht lukrativer und also wichtiger denn je wird, dass ihre Tracks in der Breite wahrgenommen und von mehr DJs gespielt werden. Auf unterschiedliche Arten wird das womöglich den sowieso bestehenden Konkurrenzdruck um Aufmerksamkeit bei den DJs erhöhen. Es könnte ebenso dazu führen, dass sie ihre Promo-Bemusterung für bei Aslice registrierte DJs intensivieren oder allgemein umfassenderes beziehungsweise gezielteres Marketing für die Bewerbung ihrer Musik anstrengen müssen.
Kann (und sollte) sich das auch auf Clubs und Festivals auswirken?
Was ist, wenn DJs andere Wege finden, die Kosten für entstehende Abgaben durch andere kompensieren zu lassen? Ist es nicht beispielsweise denkbar, dass einige ihre Gagen mit dem Argument erhöhen, so den Produzent:innen mehr Geld zukommen lassen zu können? Sollte eine kritische Masse von DJs so vorgehen, würden Clubs, Festivals und Veranstalter:innen das vermutlich mittels einer Erhöhung der Eintrittspreise aufs Publikum umlegen müssen. Das wurde zuvor in Einzelfällen auch schon mit Verweis auf gestiegene GEMA-Tarife getan.
Dass ein ähnlicher Prozess von Aslice angestoßen wird, scheint zum jetzigen Zeitpunkt unwahrscheinlich, weil der Service sich noch nicht etabliert hat. Versuche dieser Art von DJ-Seite, Aslice als Argument für eine Erhöhung ihrer Honorare zu missbrauchen, sollten dennoch von Anfang an im Keim erstickt werden. Denn auch das Publikum zahlt doch eigentlich schon drauf, um die GEMA-Gebühren zu finanzieren.
DJs sollten viel eher gemeinsam mit Clubs und Festivals in den Dialog treten und einen Austausch über den Einsatz sogenannter Music Recognition Technology (MRT), wie sie anderswo bereits zunehmend eingesetzt wird, beginnen. MRT ermöglicht die Registrierung der gespielten Musik und die Weitervermittlung an die klassischen Verwertungsgesellschaften. Die erhöhte Aufmerksamkeit für die Thematik durch Aslice könnte ihren gemeinsam formulierten Forderungen an die Verwertungsgesellschaften mehr Zugkraft verleihen.
Das wäre auch im Sinne der Clubs und Festivals. Denn die zahlen zwar Gebühren an Verwertungsgesellschaften, sorgen jedoch nur in Ausnahmefällen dafür, dass diese Gelder auch bei den Richtigen ankommen. Sicherlich sollte das nicht in ihrer Verantwortung liegen, den Druck diesbezüglich auf die Verwertungsgesellschaften zu erhöhen, es liegt aber im Interesse der Szenen, die sie bedienen.
Könnten sich neue Communitys entwickeln?
Obwohl natürlich unterschiedliche Clubs und Festivals auch sehr unterschiedliche Communitys ansprechen oder repräsentieren. Überhaupt: Wenn wir über die DJ-Welt reden, dann sprechen wir eigentlich von einem unübersichtlichen Gewirr aus Netzwerken. Die Grenzen verlaufen entlang verschiedener Genres, regionaler Szenen oder auch verschiedenen Kapitalinteressen und Einkommensgrenzen. Geklüngelt wird immer, vor allem wenn es ums Geld geht. Das tut es bei Aslice, weshalb die Frage erlaubt sein sollte: Könnte die Einführung des Services sich auf die sozialen Mechanismen der Dance-Music-Szenen auswirken?
Es besteht wie bereits gesagt ein noch deutlicherer Anreiz für Produzent:innen, die bei Aslice registrierten DJs bei der Bemusterung mit ihrer Musik zu priorisieren und ihnen eventuell sogar Musik zur Verfügung zu stellen, die anderen gar nicht oder zumindest nicht umsonst zur Verfügung gestellt wird. Klingt exklusiv? Ist es auch. Aber machen wir uns nichts vor: Das hat auf die eine oder andere Art insbesondere in allen Ecken der DJ-Welt Tradition. Außerdem könnte es einigen DJs sogar als Anreiz dienen, sich bei Aslice zu registrieren und so zu bandwagon effects führen. Ein sanfter Marktzwang, sozusagen.
Interessant daran ist, dass sich so an der Schnittstelle von Aslice neue Blasen oder Netzwerke von DJs und Produzent:innen bilden könnten. Das muss nicht per se negativ sein – zusammenfinden könnten darüber allemal Szenefiguren, denen etwas an der fairen Vergütung von Produzent:innen liegt. Es bleibt abzuwarten, ob das wirklich geschieht und Aslice also eine soziale Komponente erhält. Dass das System diese bekommen soll, darauf weist allein die Tatsache hin, dass sich dort auch Fans registrieren können, um beispielsweise Tracklists einzusehen.
Könnte Aslice dazu führen, dass in Zukunft andere Musik zu hören sein wird?
Die Einführung von Aslice könnte dazu führen, dass DJs ihre Selektion anders angehen als zuvor. Beispielsweise bringt es ihnen finanziell nichts, ihre eigenen Tracks zu spielen – das Geld würde auf alle anderen in einem Set vertretenen Produzent:innen umgelegt. Nun werden sie sicherlich weiterhin mit ihren eigenen Produktionen auflegen wollen. Wichtiger aber noch wäre es, wenn andere dies tun. Auch dies könnte übrigens einen gewissen Konkurrenzdruck oder auch eine höhere Orientierung hin zu bestimmten Netzwerken nach sich ziehen.
Vor allem wäre dies der Fall, wenn bestimmte Produzent:innen exklusives Material für bei Aslice registrierte DJs zur Verfügung stellen. Denn die würden dieses eventuell nicht nur aus Erkenntlichkeit spielen, sondern vielleicht auch weniger Geld für den Kauf von anderen Tracks aufwenden oder gar bei der Auswahl in der Booth diejenige Musik priorisieren, deren Produzent:innen bei Aslice registriert sind. Wem es wichtig ist, Teile der eigenen Gage abzugeben, wird vermutlich eher zu neuen Tunes greifen als zum Beispiel die Tracks von House-Legenden zu spielen, die bereits verstorben sind und nicht mehr davon profitieren könnten.
Dazu könnten beispielsweise auch moralische Fragen beitragen. Ob es nun persönliche Abneigungen gegenüber bestimmten Personen oder aber ideologische Unstimmigkeiten sind: Werden DJs eventuell nun doppelt darüber nachdenken, die Musik bestimmter Produzent:innen aufzulegen? Oder könnten sie, umgekehrt gedacht, die Musik von Produzent.innen priorisieren, die sich etwa gerade in finanzieller Not befinden, um ihnen so spontan und unkompliziert zumindest etwas Geld zukommen zu lassen?
All das ist aktuell zweifelsohne die reine Spekulation. Je breiter das Angebot von Aslice allerdings angenommen wird und je mehr neue ökonomische und soziale Prozesse durch seine Einführung angestoßen werden, desto eher könnte sich das auch in ästhetischer Hinsicht bemerkbar machen.
Wohin sollte die Reise von Aslice gehen?
Die Einführung von Aslice ist ein in jeder Hinsicht begrüßenswerter Schritt. Nur ist aktuell noch fraglich, wie weit die Reise gehen kann. Es ist dem Unternehmen – und das heißt letztlich den Produzent:innen – zu wünschen, dass viele DJs den Sinn und Zweck des Services erkennen und sich solidarisch zeigen.
Das perfekte Vergütungssystem gibt es womöglich nicht. Bei Aslice handelt es sich um eines, das zwar sehr ausgeklügelt und transparent ist, letztlich aber nur die Dysfunktionalität eines maroden Systems ausgleichen soll. Wäre es nicht besser, wenn dieses System grundlegend reformiert und unter neuen, faireren Bedingungen neu aufgestellt wird?
Angesichts der Reformierungsresistenz der GEMA und anderen Verwertungsgesellschaften scheint es unwahrscheinlich, dass sich diesbezüglich bald etwas tut. Selbst die großen Demonstrationen vor zehn Jahren zogen letztlich keine grundlegenden Veränderungen nach sich. Mit Aslice jedoch gesellt sich plötzlich eine neue Variable hinzu, mit der die Verwertungsgesellschaften zuvor nicht rechnen mussten: Konkurrenz. Je breiter das Angebot angenommen wird, je lukrativer es sich vielleicht sogar erweist, desto länger wird der Hebel, an dem die Szene sitzt. Aslice könnte es so endlich ermöglichen, nachhaltig Druck auf GEMA und Co. auszuüben.
Dass Aslice Produzent:innen dazu auffordert, ihre Informationen über zum Beispiel der Mitgliedschaft in bestimmten Verwertungsgesellschaften oder zu denen mit ihnen zusammenarbeitenden Verlagen bereitzustellen, ist dahingehend bemerkenswert. “We are working to integrate with PROs and publishers to get you even more earnings (beyond Aslice) that are rightfully yours”, heißt es dazu im FAQ des Unternehmens.
Eben diese Ambitionen eröffnen Perspektiven weit über Aslice hinaus, und das nicht nur in Hinsicht auf erweiterte Einnahmequellen von Urheber:innen. Auch könnte die Integration mit Verwertungsgesellschaften zumindest zu einer Kurskorrektur bei denen sorgen. Und im Idealfall treten die Verwertungsgesellschaften sogar soweit mit Aslice in einen Dialog, dass sie aus der Arbeit des Unternehmens ihre Konsequenzen ziehen und interne Reformen in Bewegung setzen.
Es mag paradox klingen, aber der ultimative Erfolg von Aslice bestünde darin, dass sich das Unternehmen abschafft. Das heißt, dass es für einen dermaßen weitreichenden Paradigmenwechsel in der DJ-Welt und darüber hinaus sorgt, dass die Verwertungsgesellschaften endlich Handlungsbedarf spüren und eine gerechtere Verteilung der aus der Wiedergabe von Musik in Clubs und auf Festivals generierten Gelder ermöglichen. Denn das liegt in ihrer Verantwortung und sollte nicht die Aufgabe privatwirtschaftlicher Unternehmen oder gar einzelner DJs sein.
Mit diesem zugegebenermaßen utopischen Ziel vor Augen sollten sich dementsprechend nicht nur Produzent:innen, sondern auch DJs bei Aslice anmelden. Je mehr die Plattform wächst, desto größer auch ihre Handhabe.
Allein darauf verlassen sollten sie sich nicht: Trotz allem vorhandenen Misstrauen oder mangelndem Wissen um ihre Rechte und Möglichkeiten bei den Verwertungsgesellschaften sollte die Einführung für Aslice auch ihnen ein Anlass sein, sich besser darüber zu informieren und ihren Bedürfnissen eine Stimme zu geben. Die Gelegenheit scheint günstiger denn je.
Der Autor dankt Peter Armster, Sam Barker und Declan McGlynn für Anregungen, Einsprüche und Hinweise, die in diesen Artikel eingeflossen sind.
4 Kommentare zu "Bruchstelle: Aslice – Potenziale, Probleme und Perspektiven des neuen Services"
Gut strukturierter Artikel zu einer äußerst vielschichtigen Thematik!
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Total pro!
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super artikel ... supportet on EME
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Guter Artikel
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