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Corona: Unsere Szene schützen – Was können wir tun?

Corona: Unsere Szene schützen – Was können wir tun?

Features. 20. März 2020 | / 5,0

Geschrieben von:
Simon Ackers

Spätestens seit Montag sind die Auswirkungen der durch das Coronavirus hervorgerufenen Pandemie auch in Deutschland spürbar. Diskussionen darüber, ob das staatliche Handeln früher und konsequenter hätte erfolgen müssen, sind an dieser Stelle jedoch unangebracht und auch nicht unser Fachgebiet. Als Musikmagazin liegt unser Fokus vielmehr auf dem Kultursektor, der von den Schließungen der Clubs, Theater, Museen und vielen mehr stark betroffen ist. Kulturschaffenden weltweit wird derzeit ihre Existenzgrundlage entzogen und ein Großteil ihrer Einnahmen durch Auftritte und Ausstellungen entfällt. Das öffentliche Leben wird derzeit – zurecht – eingeschränkt und mit Blick auf andere Länder stehen wir in Deutschland erst am Anfang dieser Entwicklung. Was können wir als Gesellschaft also tun, wie gehen wir mit der sozialen Isolation um und wie lässt sich der Schaden für unsere Szene minimieren?

Der wichtigste Punkt vorab ist, dass wir alle gemeinsam die Lage ernst nehmen, dabei aber jedoch nicht in Panik verfallen. Hamsterkäufe und das horten von Hygieneartikeln ist ebenso unangebracht wie schädigend. Gleiches gilt für Freizeitbeschäftigungen in großen Gruppen wie etwa das muntere Grillen im Park. Es ist fast schon zynisch, dass ausgerechnet jetzt die Sonne scheint und dazu einlädt, nach draußen zu gehen. Das ist auch grundsätzlich nicht unangebracht: Macht Spaziergänge, alleine oder zu zweit – dies ist ein guter Ausgleich und auch gesund.

Ein weiterer Punkt ist die große Menge an Nachrichten, die nun auf uns einwirkt. Hier gilt: WhatsApp und Kettenbriefe sind keine valide Quelle! Hört darauf, was Virolog*innen sagen, achtet auf die Anweisungen des Gesundheitsamts und die Reiseempfehlungen des Auswärtigen Amts und folgt den Appellen der Regierung. Wir sind alle keine Expert*innen und sollten unbedingt auf Fachleute hören – der Rest ist gelinde gesagt für die Tonne. Jetzt aber zu dem, was uns am Herzen liegt und wozu wir einen Beitrag leisten können: Musik und  Kultur.

MusikerInnen, Labels und Clubs kämpfen mit einem immensen Verlust an Einnahmen. Bei uns in der Elektronischen Musikszene kommt der größte Teil des Einkommens aus DJ- und Live-Sets, die nun ausfallen. Der einfachste Weg, um die Musik derzeit zu unterstützen ist deswegen denkbar simpel: Kauft (online!) Platten, CDs oder wenigstens Downloads, sofern eure eigene finanzielle Lage es zulässt. Spotify-Streams zaubern den meisten MusikerInnen kein Essen auf den Tisch und bringen leider nur einen verschwindend geringen Teil ein!

Bandcamp bietet z. B am Freitag, den 20.03. an, komplett auf ihre eigenen Einnahmen zu verzichten und den gesamten Erlös aus den Käufen direkt den MusikerInnen zukommen zu lassen. Schreibt eure LieblingsmusikerInnen ruhig an und fragt, wie ihr sie unterstützen könnt. Selbiges gilt auch für eure Kneipe oder Bar um die Ecke, kleine Kinos und Clubs.

Unterstützt Petitionen,um Druck auf den Staat auszuüben. Wirtschaftliche Förderung muss auch den Kultursektor inkludieren, denn gerade dieser macht ein Land und unsere Gesellschaft erst lebenswert. Unterstützung darf daher nicht nur an VW oder ähnliches gehen, sondern muss auch das städtische Theater oder den kleinen Club erreichen, ob in der Groß- oder Kleinstadt.

Wichtig ist hier unter anderem, die Arbeit von der Clubcommission und anderen Organisationen hervorzuheben, denen ihr folgen und eure Unterstützung anbieten könnt. Die Clubcommission hat unter anderem eine Crowdfunding-Aktion zur Rettung besonders gefährdeter Clubs ins Leben gerufen. Die UnitedWeStream-Kampagne erschafft einen „digitalen Club“ mit DJ-Sets, Live-Musik aber auch Gesprächsrunden und Filmen zur Clubkultur, den ihr mit einem monatlichen Soli-Beitrag unterstützen könnt.

Direkte Unterstützung könnt ihr auch über den Subscription-Service Patreon anbieten, wo zahlreiche KünstlerInnen und Freischaffende angemeldet sind.

Plattenläden, die eh schon rar sind und um ihr überleben kämpfen, haben meistens auch einen eigenen Discogs-Account, über den ihr Zugriff auf ihren Katalog habt. Auch hier gilt: Schreibt die Läden an und fragt im Zweifel nach, was ihr tun könnt. Falls ihr bereits Tickets für Shows, Konzerte oder Auftritte besitzt, besteht auch hier die Möglichkeit, das Geld nicht zurückzufordern und somit zumindest einen kleinen Teil des Einkommens zu sichern. Alle, die sich in der privilegierten Lage befinden, weiterhin ein stabiles Einkommen zu haben, sollten also jetzt einen kleinen Beitrag zu dem Erhalt der Kultur beizutragen, denn sonst könnten wir auch nach der Krise vor verschlossenen Türen stehen.

Wie wichtig Kultur und Musik ist, sehen wir in Notlagen, wie sie derzeit Italien durchlebt, in der auf den heimischen Balkonen gemeinsam gesungen und Musik gespielt wird. Noch ist in Deutschland keine Ausgangssperre in Kraft getreten, dies ist allerdings keine Einladung zu tun und lassen, was man will. Deswegen muss leider noch einmal mit dringender Deutlichkeit gesagt werden: Unterlasst in jedem Fall das Veranstalten von illegalen Raves und Hauspartys! Als jüngere Generation können wir auch in ein paar Monaten noch feiern und Partys veranstalten. Unvorsichtiges bisweilen auch asoziales Verhalten führt eventuell aber dazu, dass alte Menschen und Menschen mit schwachem Immunsystem und Erkrankungen ihr Leben verlieren. Seid nicht dumm und gefährdet andere!

Es müssen nicht immer staatliche Anordnungen notwendig sein, wenn wir lernen, individuelle Bedürfnisse derzeit einem gesamtgesellschaftlichen Wohl unterzuordnen. Soziale Isolation ist schwierig, das lässt sich nicht bestreiten. Depression und Lagerkoller sind Kämpfe, die in solchen Zeiten auf viele Leute zukommen. Deswegen lernt emphatisch miteinander umzugehen, hört auf eure Mitmenschen und bietet Unterstützung an. Redet viel miteinander, ruft Freunde und Verwandte an und tauscht euch aus. Sucht euch schöne Beschäftigungen, macht Musik, widmet euch der Kunst.

Ein weiterer sehr wichtiger Punkt ist das politische Klima, das sich in der Krise weiter verschärfen kann. Xenophobie, Abschottung und die Sehnsucht nach starken Entscheidern, bestimmt schon länger das Weltgeschehen und können sich durch diese Pandemie weiter verschärfen. Schuldzuweisungen und sprachliche Härte wie sie etwa aus den USA zu vernehmen sind, spalten dabei unsere Gesellschaft. Gerade der Kultursektor ist in diesen Punkten als progressives Gegengewicht von großer Bedeutung und umso wichtiger ist dessen Erhalt. Wir brauchen Kunst, Musik, Literatur und ähnliches, um solchen Entwicklungen entschieden entgegenzutreten. Unsere Szene steht für freiheitliche Werte und diese müssen wir auch in Krisenzeiten verteidigen.

Bleibt gesund, unterstützt die Kultur und dann sehen wir uns bald wieder auf der Tanzfläche!

Veröffentlicht in Features und getaggt mit Bandcamp , Clubcommission , Corona , Coronavirus , Discogs , Elektronische Musikszene , Kulturbranche , Patreon , Unitedwestream

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