Das Beste aus 2021: Alben
Alben sind eine konzipierte Zusammenstellung, in der jedes Element bewusst platziert wird und in Wechselwirkung mit den anderen tritt. Der Fokus liegt im Gegensatz zu einem Mix vermehrt auf den einzelnen Stücken: Zwar kann auch das Album von Anfang bis Ende durchgehört werden, es funktioniert aber auch unabhängig von der so wichtigen Dramaturgie eines Sets. Kein Wunder also, dass auch 2021 wieder etliche LPs veröffentlicht wurden und in Zeiten der Pandemie vielleicht sogar das beliebteste Format waren, um elektronische Musik zuhause zu hören. Unsere zehn liebsten Alben haben wir hier zusammengestellt:
Aiko Aiko – Radical Nopinion [Whales Records]
Christoph: "Never say no zu einer Platte von zwei Parade-Wiener:innen, die mit Streicher-Einheiten auffallen und den Portishead-Abschlepper stibitzen, um sich aufs Stockerl für die Hymne des Jahres zu hieven. Allein für den ersten Track dreht man den Thermostat drei Grad höher. BLISS."
Eris Drew – Quivering in Time [T4T LUV NRG]
Cristina: ""Dieses Debütalbum kam spät – über 25 Jahre nachdem Eris Drew begann aufzulegen – und zugleich früh, denn es ist ihr dritter Release überhaupt. Sie war bis jetzt vor allem als DJ in Erscheinung getreten, deren DJ-Sets eine unlgaublich euphorische Qualität haben. Genauso wie ihre Sets klingt auch 'Quivering in Time' – ravender Breakbeat trifft auf verträumte Melodien und katapultiert einen geradewegs auf einen der besten Dancefloors, den man sich vorstellen kann."
Ross From Friends – Thread [Brainfeeder]
Ina: "Mit 'Tread' beweist der Brite Felix Weatherall einmal mehr, dass er sich längst vom klassischen LoFi-House gelöst hat. Sein zweites Album klingt gewohnt nostalgisch, bleibt dabei aber überraschend differenziert und interessant. Schwammige Soundschnipsel stehen für die Spuren der Erinnerung, die er über die Jahre in seinem Heimatviertel hinterlassen hat und nun im Londoner Lockdown auf diesem Album musikalisch für uns rekapituliert hat."
RÜFÜS DU SOL – Surrender [Rose Avenue]
Mathias: "Mit 'Surrender‘ hat RÜFÜS DU SOL den perfekten Spagat zwischen Wohlfühlatmosphäre und Dopamin-Pusher geschaffen. Die Tracks sind meist melodisch und verstehen es, gut mit dem Tempo zu spielen. Sie lassen sich aber auch verdammt gut mixen, weshalb so mancher Remix den Tracks noch den passenden Antrieb gibt."
Scotch Rolex – Tewari [Hakuna Kulala]
Kristoffer: "Erinnert ihr euch noch daran, wie zu Beginn der Pandemie alle davon sprachen, dass die Szene das als Möglichkeit ergreifen könnte, sich auch musikalisch gesundzustoßen, mehr zu wagen, Risiken einzugehen, das Four-to-the-Floor-Diktat an den Nagel zu hängen? Tja, doof gelaufen. Oder besser gesagt: Immerhin einer hat’s gemacht. Obwohl 'Tewari' von Scotch Rolex alias Shigeru Ishihara, besser bekannt als DJ Scotch Egg, zugegebenermaßen aus prä-pandemischen Kollaborationen mit Acts aus dem Umfeld der ostafrikanischen Nyege-Nyege-Posse entstand. Dennoch: Zwischen drückenden Bassgebilden, auf die MC Yallah ihren tonnenschweren Flow ausrollen durfte, und Industrial- und Cybergrind-Hybriden, auf denen Lord Spikeheart den Kreischhals markierte, wurde hier mit jedem Takt Musikgeschichte neu geschrieben. Ein Album für die Ewigkeit, eh klar. Vor allem aber der Soundtrack einer Zukunft, die jetzt nur noch eintreten muss."
Quimbie – Sunday Fiction [Janx Records]
Marius: "Noch weiß man nicht, wer hinter dem Pseudonym Quimbie steckt, der auf Janx Records eine der reifesten Debüt-LPs dieses Jahres rausballert. Aber zumindest, was drin ist: Lieben, träumen, weinen, sich berappeln – die Gefühle gehen hoch und runter. Wunderbar zusammengehalten von einer Soundästhetik, für die andere erst einen ausgeprägten Release-Katalog vorweisen müssen."
Vivian Koch – Beyond Contact [AD 93]
Lukas: "Vivian Koch liefert mit ihrem Debütnachfolger einen Sound, der im Vergleich zu ihren vorhergehenden Veröffentlichungen nochmals einen gewaltigen Satz gemacht hat. Nicht weil das Vorher nicht schon sehr gut war, sondern weil dieser Release in sich derart reif, geschlossen und zeitlos auftritt, dass es einem fast den Atem nimmt."
Odete – The Consequences Of a Blood Language
Nasti: "In einem meiner Nachberichte für DJ LAB, genauer dem Tripbericht zum Balance Festival 2021, habe ich es schon verkündet, hier also nun nochmal "offiziell": Odete ist DIE musikalische Neuentdeckung des Jahres für mich. 'Consequences Of a Blood Language' ist einfach ein fantastisches Album. Sphärisch, experimentell, exzeptionell... 'Lamento' ist dabei der Track, der mich emotional am meisten mitnimmt. Im positiven Sinne, denn mit diesem Track kann ich immer wieder eintauchen – in einen Strudel von Gefühlen, die mich nicht loslassen, aber nicht eindeutig greifbar sind. Genau wie die Musik von Odete, die mich nicht loslässt und nicht eindeutig beschreibbar ist. Must hear!"
Suzanne Kraft – About You [Melody As Truth Recordings]
Simon: "Suzanne Kraft hat wegen seines Albums 'Talk From Home' (2015) bereits mein Herz gewonnen. 2021, ein Jahr in dem ich mich selbst wieder der Gitarre zuwandte, kommt mit About You dann ein Album, auf dem sich der Amsterdamer plötzlich Indie-Rock- und Pop-Klängen à la The Cure widmet. Eigentlich ja so gar nicht meine Musik, aber hier passten scheinbar alle Umstände zusammen. About You ist perfekte Loner-Musik, die einen wieder 16 Jahre alt sein lässt."
The Zenmenn – Enter The Zenmenn [Music From Memory]
Tim: "Man sucht sich Platten echt nur noch, um sie mit den redundantesten Pseudoerinnerungen aufzuladen, damit man sich dann für ein paar Wochen dran festklammert, nur um sagen zu können, dass das vergangene Jahr wieder voll schwierig war. 'Enter The Zenmenn' ist aber dieses eine Album, das einfach so vorbeisegelt und nichts Negatives fühlen lässt. Da ist keine moralische Bitterkeit drin, auch nichts Dekonstruierendes oder Antizyklisches. Einfach nur stumpfe Entspannung."
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