Das Wort zum Freitag

Das Wort zum Freitag

Archiv. 14. Oktober 2011 | / 5,0

Geschrieben von:
Olaf Hornuf

Anstelle technischer Daten mal einige Worte. Ich weiß gar nicht, ob wir das Thema schon mal hatten :). Der DJ, die Technik und überhaupt.

„Alles kann, nichts muss“ sagt der Volksmund, wenn es gemeinhin entspannt werden soll. In der Umkehrung ist „alles muss, nichts können“ schon aus logischen Gründen eine unrelaxte Sache. Dazu bringen die vier Worte auf den Punkt, was wir so öfters mal erleben … Leute, die Formel 1 fahren wollen, aber nicht mal ein geklautes Bobbycar anstoßfrei fortzubewegen vermögen. Da hat man Traktor Scratch Pro und Ableton Live, fragt aber, ob der Timecode auch mit einer Audio 2 geht und warum Live eigentlich Live heißt. Erst nach längerem Zureden erkennt man, dass ein Eingang bei einer Soundkarte, für die Integration des Plattenspielers in ein DVS, durchaus dienlich wäre und dass es bei Ableton eventuell gewollt ist, dass die Clips in der Sessionansicht nach einem einheitlichen Mastertempo laufen.

Typische Frage zum Mixtrack: Ich habe auch so einen Mischer, kann ich den auch mit Serato nutzen? Typische Antwort: Der Mischer ist ein MIDI-Controller und der arbeitet in dem konkreten Fall sogar wirklich mit Serato. Genauer: Serato Intro, sofern es ein Mixtrack mit dem Zusatz Pro ist. Nur mit einem Mixtrack, ohne Pro, geht das nicht. Man sieht: Die Thematik ist zugegebenermaßen verwirrend. Mixer, Controller, mit Soundkarte oder ohne, DVS, Timecode, MIDI, Traktor Duo, Traktor Pro, Itch, Scratch Live oder Intro. Alles einzeln oder eine Kombination aus alledem. Das man da, als Einsteiger, nicht gleich durchblickt ist logisch. Da steht man wie Indiana Jones vorm zugewucherten Mayatempel. Nun hat man die Wahl: Machete rausholen und den Pfad freischlagen oder im Archäologen- Forum fragen, ob jemand einen geheimen Weg in den Tempel kennt. Manche schlagen auch neben der extrabreiten Touristenpforte eine neue Bresche ins Gehölz und wieder andere bauen sich zuhause einen Mayatempel aus Lego und tun so, als ob sie Indiana Jones, am echten Tempel,wären.

Über die Jugend zu schimpfen ist ein Privileg der Alten. Früher war alles besser, sogar das Früher. Und nach zwanzig Jahren als Schallplattenunterhalter bin ich auch eher ein Privilegierter. Ich will aber gar nicht schimpfen. Ich will auch nicht verallgemeinern. Es betrifft auch nicht nur junge Menschen, sondern ebenfalls hornalte DJ-Hasen, bei denen als Problem noch dazukommt, dass Windows und Mac zwei Dörfer in Böhmen sind. Während der 17 jährige iPhone User, obwohl ständig online, erst abends wieder ins Internet kommt (weil Internet ist nur das zuhause, am großen Rechner), denkt der vierzig Jahre ältere BPM-Studio Umsteiger, Native macht die Online-Registrierung nur, um an seine Kreditkarte zu kommen. Auch wenn er sich nicht erklären kann, wie das gehen soll, wo diese doch im Geheimfach hinterm Ofen versteckt ist. Schöne digitale Welt, Fluch oder Segen …  Floh hat das bereits beleuchtet.

Was mir bis zum Hals steht, ist nicht Unwissenheit, sondern das schlaue Gelaber, obwohl jegliche Grundlage fehlt. Mit Milch kochen wollen, aber weder Herd noch Topf im Haus. Vom Kuhsaft ganz zu schweigen. Was interessieren mich Kühe, wenn ich Milch brauch, geh ich in den Supermarkt (Originalzitat). Da werden ernsthaft an einer kostenlosen Software fehlende Features bemängelt oder man wurde betrogen, da die neu gekaufte Soundkarte defekt ist. Latenz? Sampelrate? Routing? Nie gehört. Sich damit befassen? Warum denn? Wenn was nach dem Anschließen nicht geht, ist es kaputt. So einfach. Ach und es gibt ja noch die, die das Anschließen ganz vergessen. Wobei die im echten Leben sehr nett sein können.

Da fällt mir ein schönes Beispiel ein. Ein gestandener DJ-Haudegen, nennen wir ihn B.. Für mich eine Art Vorbild. Musikalisch topp, persönlich topp, alles topp. Dann steigt er um. Partiell und auf Traktor. Mit Audio 2. Alles eingestellt, alles spielt, Abgang B. und Schluss der ersten Szene. In der zweiten Szene baut B. sein Setup zuhause auf. Und nichts geht. Szene drei: erneuter Aufbau bei mir. Erneute Erklärung des Zusammenhangs von Audio-Routing und Soundausgabe, nebst Unterschied bei internem und externem Mixer und er möge doch bitte den internen Soundchip nicht mit dem Interface verwechseln, Zusatz: Interface ist gleich Soundkarte. Alles fein. Nächster Akt: „Der Scheiß geht wieder nicht“. Ich werde langsam ungehalten. Anschließend ein großes Hin & Her. Der Blutdruck steigt. Ende vom Lied (B. mit dem USB-Kabel in der Hand). „Ach, das hätte man einstecken müssen?“. Hätte ? Muß! Haben wir dann gemeinsam gemacht, B. hat sich das gemerkt und so konnten wir uns, nach einem Klaps auf den Hinterkopf, der bekanntlich das Denkvermögen erhöht, endlich wieder freundschaftlich in die Arme schließen.

Was lehrt mich die Anekdote? Irren ist menschlich und manchmal ist der Mensch irre. Ich sollte nicht immer von böswilliger Beratungsresistenz ausgehen. B. wollte allerdings auch nie mit dem Bobbycar auf den Nürburgring. Vor allem ist bei ihm Traktor nur eine Komponente, innerhalb seines Setups und auf seinem musikalischen Spezialgebiet reicht ihm ohnehin kaum einer das Wasser. Da steht auch jahrzehntelange Erfahrung dahinter, denn B. stammt noch aus einer Zeit, als man nicht im DJ-Forum fragen konnte „Welche Tracks kann ich für Übergänge verwenden?“ oder „Brauche dringend eine Playlist für `ne Beachparty“. Wobei selbst solche Fragen nicht verwerflich sind. Wenn man denn die Antwort als Anstoß nimmt und nicht eine Vollbedienung erwartet, was leider viele tun. „Hier“ hätte man schreien sollen, als der Herrgott Hirn verteilte, nicht, als es darum ging die DJ-Stelle bei der nächsten Themenparty zu besetzen. Es sein denn, man hat vom Thema Ahnung, was aber wiederum das Gegenteil des von mir beheulten Zustands wäre.

Wie synchronisiert man nun also zwei Rechner mit je vier Decks in Traktor und dazu noch einen dritten mit Ableton? Die Frage finde ich weniger spannend als: was kommt dabei eigentlich raus? Wird Minimal maximaler, wenn man es verdoppelt? Dient das Youtube Video einer DJ-Ikone als Inspirationsquelle oder Vorlage fürs schlechte Nachspielen? Was wäre wenn jemand die Beatportcharts hackt und die Chartpositionen umkehrt? Ich ahne wozu man sich das Wochenende drauf auf deutschen Dancefloors bewegen würde.

Apropos Wochenende. Das steht ins Haus und ich wisch mir mal die Tränen aus den Guggäugelein. Es geht mir, nach diesem Wort zum Freitag, deutlich besser. Heute steht Drum`n Bass mit Aries ins Haus, morgen das Brandt Brauer Frick Ensemble und nachher geht’s vielleicht noch auf nen Abstecher zu Flohs Fatsche. Signale: positiv! Ich hoffe bei Euch auch.

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