Deep Web: Kommunikationsströme aus Licht und Sound
Erst einmal: Deep Web ist nicht das Dark Web. Wer den Begriff in Verbindung mit den Namen Bauder oder Henke googelt, dem werden Videos und Fotos der Lichtinstallation im Kraftwerk in Berlin und vom Fête des Lumières Festival in Lyon angezeigt. Darum geht es: Deep Web ist eine monumentale Licht- und Lasershow, die Datenströme im Netz visualisieren soll und von Christopher Bauder als Lichtkünstler und Robert Henke, dem deutschen Musiker und Professor für Sound Design, der vor über 20 Jahren die Software Ableton entwickelt hat, gemeinsam gestaltet und aufgeführt wurde. Wir haben mit Christopher Bauder, dem Künstler hinter den Werken Deep Web, Skalar und Atom, über seine leuchtenden Installationen gesprochen.
Licht, Sound und Raum
Deep Web besteht aus Laserstrahlen, Lichtkugeln, Datenströmen – eine Performance mit einem abgestimmten Sound-Design, die bereits Tausende BesucherInnen anlockte. Bei diesen Schlagworten hakt Christopher Bauder ein und erklärt: „Es geht bei Deep Web um die Geschichte von Kommunikation: Netzwerk-Kommunikation, Eins-zu-eins-Kommunikation und Probleme in der Kommunikation. Das wollten wir audio-visuell darstellen.“
Bei Deep Web ist, neben Licht und Sound, der Raum eines der Elemente der Performance. Der Raum ist nicht nur eine immer mitschwebende Komponente, er ist als gleichwertige dritte Säule der Performance zu betrachten. Im Fall von Deep Web ist das das Kraftwerk in Berlin, wo beispielsweise auch das Atonal-Festival stattfindet. Die Halle ist beeindruckend, gigantisch; heroisch wirkt die, wie Christopher Bauder das ehemalige Kraftwerk nennt, „Kathedrale“. Der Kontrast zwischen High-Tech und brachialem Industrial-Space ist für Deep Web zur Uraufführungsstätte, quasi zum Zuhause geworden.
Hier konnte das Publikum im Sommer 2019 die audio-visuelle, kinetische Lichtskulptur aus verschiedenen Blickwinkeln erkunden. Dazu leuchten hier die Laser stärker als in einem cleanen, abgedunkelten Raum hervor. Auch soundtechnisch hat das Kraftwerk seine (geliebten) Eigenheiten: „Im Kraftwerk hallt der Sound zehn Sekunden lang nach, also zehn Sekunden Reverb“, sagt er. Die Installation arbeitet aktiv und bewusst mit dem Raum, passt sich ihm nicht nur an.
Neben dem besagten Kraftwerk in Berlin wurde Deep Web auch in Lyon während des Fête des Lumières in Lyon aufgeführt. Dort waren die räumlichen Verhältnisse deutlich anders. Ein gläsernes, hypermodernes Gebäude war Spielstätte der Performance. Das sei zwar war auch interessant gewesen, Bauders erste Wahl wäre aber immer das Kraftwerk in Berlin oder eine ähnliche Industriehalle aus den 70er oder 80er Jahren.
Skulptur aus Licht
Angesprochen auf den Begriff „Lichtskulptur“ erklärt er, wie der Begriff mit den Erwartungen des Publikums spielt. Traditionell seien Skulpturen aus Bronze oder Stein; es seien statische, unbewegliche, physische Erscheinungen. Die angebrachten Leuchtkugeln bilden bei Deep Web das skulpturale Element, das gemeinsam mit den Strahlen der insgesamt zwölf Laser zu einer „Architektur aus Licht“ werde.
Bei solch einer Licht-Mega-Installation – kann da eigentlich etwas richtig schieflaufen? Was treibt den MacherInnen hinter der Show die Schweißperlen auf die Stirn? „Alles, in jedem Bereich, kann schieflaufen – wir bauen da an einem Prototypen, der von Technik bis Software Fehler machen kann“, sagt Christopher Bauder und erklärt weiter: „Wir bauen sozusagen ein Instrument. Ein Instrument, von dem wir nicht wissen, wie es klingt und wie es gespielt wird. Das ist eigentlich das Spannende, genau das zu erforschen und herauszufinden.“
An diesem Prototypen arbeiten allein 30 Menschen im Büro des Lichtkünstlers, die Laserfirma Sollinger in Berlin und ein Team von TechnikerInnen und Helfenden an der Location selbst. Schätzungsweise arbeiten also an einer Show in der Größenordnung von Deep Web ca. 200 Menschen zu verschiedenen Zeiten.
Der schönste Moment für Christopher Bauder als Head of Lights ist bei der Arbeit an Performances und Ausstellungen ganz klar die finale Generalprobe. Bei Deep Web bedeutet das, dass Robert Henke und er bestimmte Teile der Aufführung das erste Mal gemeinsam unter ‚On Air‘-Bedingungen austesten. Es ist die letzte Feuerprobe: Funktioniert alles so, wie es geplant war? Er erinnert sich an diesen Moment im Kraftwerk noch genau: „Davon ist man dann doch ziemlich geflasht. Da haben wir uns einfach nur gegenseitig umarmt. Es ist schon ein erhebendes Gefühl, die ganze Arbeit dann in ihrer Umsetzung zu erleben. Dann kommt die Nervosität vor der ersten großen Show. So richtig genießen kann ich das Ganze dann ab der dritten oder vierten Aufführung.“
Deep Web #4?
Von Idee bis Auftritt vergeht bei Bauders Projekten in der Regel nur wenig Zeit – zwischen drei und sechs Monaten arbeiten er und sein Team an ihren Ausstellungen mit Performance. Um ihre großen, skulpturalen Lichtinstallationen vor 2.000 oder auch 3.000 Menschen zu zeigen, bemühen sie sich derzeit nicht um Förderungen, sondern versuchen alle Kosten über den Ticketverkauf reinzuholen. Keine stressfreie Aufgabe, auch wenn die Performances und Shows seit Jahren immer bekannter geworden sind und sich etliche Menschen dafür interessieren. Die Bedingungen für eine vierte Welle Deep Web sind eher schwierig, denn die Miete der insgesamt zwölf Laser, die für das Projekt nötig sind, sei ziemlich teuer.
Gerade erst wurde ein anderes, aber verwandten Projekt abgeschlossen: Skalar. Diese Lichtskulptur, bei der er mit dem Audio-Künstler Kangding Ray kollaboriert, wurde bis zum 5. Februar 2020 in Amsterdam aufgeführt. „Aber Deep Web habe ich natürlich weiter auf dem Schirm“, sagt er – auch wenn er ein weiteres Projekt andeutet, an dem er momentan arbeitet. Details möchte er darüber noch nicht verraten, nur so viel: „Skalar hat sich den Emotionen verschrieben, Deep Web der Kommunikation. Das neue Projekt ist wie Deep Web kinetisch, aber vielfältiger. Es ist sehr umfassend angelegt und definitiv noch ein Level up.“ Ob wir uns also auf ein weiteres Mal Deep Web oder mehr auf das neue Projekt freuen sollen, bleibt offen. Spannend, kinetisch und monumental wird es in jedem Fall.
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