Die Vinylkrise: Eine Blase implodiert – Reportage (Teil 1)
Schallplatten zu pressen dauert derzeit länger und ist teurer als je zuvor. Die Gründe dafür sind mannigfaltig und nicht ausschließlich auf den Hype zurückzuführen, der sich seit 15 Jahren hartnäckig hält. Vielmehr sind sie Teil umfassender globaler Störungen von Lieferketten und Materialkrisen. Darunter leiden besonders diejenigen, die das Medium hochhielten, während die Major-Labels erst auf CDs und später auf Digitalverkäufe und Streaming gesetzt haben. Doch kassieren mittlerweile auch die großen Player gehörig mit Schallplattenverkäufen ab. Nur bleiben auch sie vor der großen Vinylkrise nicht verschont.
Selbst eine Adele muss sich bisweilen in Demut üben. Ihr viertes Studioalbum ‘30’ soll sie laut einem Artikel von Chris Willman in der US-amerikanischen Zeitschrift Variety bereits im Mai finalisiert haben, bevor es am 19. November sowohl digital wie auch auf diversen physischen Formaten, darunter ebenfalls auf Schallplatte, erschien. Mit Blick auf das Auftragsvolumen verwundert diese Wartezeit allerdings kaum: Eine halbe Million Vinyl-Exemplare von ‘30’ sollen gepresst worden sein. Selbst nach 15 Jahren, in denen die Verkaufszahlen für Schallplatten Jahr für Jahr graduell in die Höhe kletterten, ist diese Zahl nahezu erschlagend. Zum Vergleich: Adeles im Jahr 2011 erschienenes Zweitwerk ‘21’ verkaufte sich in den USA, dem größten Musikmarkt der Welt, nur schlappe 16.500 Mal. Von der meistverkauften Platte des Jahres dort – ‘Abbey Road’ von The Beatles – wurden zur selben Zeit immerhin rund 41.000 Exemplare abgesetzt.
Das ist allerdings weniger als ein Zehntel dessen, was sich Adeles Plattenfirma Columbia/Sony heutzutage an möglichen Absatzzahlen vorzustellen scheint. Das massiv hochskalierte Angebot reagiert allerdings nur auf eine entsprechende Nachfrage, die über das vergangene Jahrzehnt hinweg beachtlich zugenommen hat. Bei der meistverkauften Schallplatte des Jahres 2019 beispielsweise handelte es sich erneut um ‘Abbey Road’ von den Beatles –, allerdings wurden in diesem Jahr eine Viertelmillion Exemplare des zu dem Zeitpunkt bereits 50 Jahre alten Albums verkauft. Das Wachstum der Vinyl-Branche kann kaum anders als exponentiell genannt werden: immer weiter, immer höher, Jahr für Jahr.
Und dann kam die Pandemie.
Während ab spätestens März 2020 das Leben in den meisten Teilen dieser Welt stillstand, drehten sich die Plattenteller weiter. Im Vinylmarkt kam es zu einem regelrechten Sprung der Absatzzahlen: Über das gesamte Jahr wurden allein in den USA fast 50 % mehr Platten als im Vorjahr verkauft, insgesamt wanderten rund 27,5 Millionen Exemplare über die Ladentheke oder wurden, den Umständen entsprechend, online verkauft. Auch in Deutschland, wo die CD unter den physischen Tonträgern mit einem Marktanteil von 14,5 % weiterhin das meistverkaufte physische Medium war, erhöhte sich der mit Vinyl erwirtschaftete Umsatz um die Hälfte und macht trotz Streaming-Dominanz mittlerweile 5,9 % – etwa 4,2 Millionen Schallplatten wurden im ersten Pandemiejahr verkauft – der Einnahmen aus dem Geschäft mit Musikaufnahmen aus.
Die Gründe für den rasanten Anstieg der Absatzzahlen sind vielschichtig. Im Bereich der elektronischen Musik allerdings lassen sie sich primär mit einerseits Solidaritätsbekundungen in Form von hartem Cash gegenüber Produzent:innen und andererseits durch den Wegfall von anderen Ausgaben unter der Kundschaft zu erklären. “Weil niemand Geld für Partys ausgegeben hat, wurden stattdessen Schallplatten gekauft”, erklärt Cinthie Christl. Ihr Plattenladen Elevate in Berlin-Friedrichshain, ein gut sortiertes Geschäft für House- und Techno-Heads, habe 2020 einen regelrechten Boom erlebt, berichtet sie. Von solchen Erfolgsgeschichten gab es allerdings nicht unbedingt viele zu hören – erst recht nicht seitens der Labels und Artists, die mit immer größeren Problemen zu kämpfen haben.
DIY-Releases an der Pinnwand
Christl ist selbst Produzentin und Labelbetreiberin, die die Schattenseiten des hartnäckigen Hypes um die Schallplatte zu spüren bekommt. Denn über die Jahre sind nicht nur die Produktionskosten für Vinyl und dementsprechend auch die Verkaufspreise merklich angestiegen, sondern haben sich spätestens mit Beginn der Pandemie die Wartezeiten für Labels und Künstler:innen massiv erhöht. “Als wir mit Beste Modus angefangen haben, Platten zu pressen, dauerte es zwei Wochen bis zur Testpressung und zwei weitere bis zum fertigen Release”, erinnert sie sich an den Status quo während der Laufzeit eines von ihr mitbetriebenen Labels, das im Jahr 2013 gegründet und vorletztes Jahr eingestellt wurde. Für die drei aktuell von Christl geleiteten Imprints muss sie derzeit allerdings mit Wartezeiten von etwa sechs Monaten rechnen. Und das, obwohl sie aus Vertrauen zu ihrem Presswerk heraus mittlerweile auf Testpressungen verzichtet und somit einen zeitraubenden Schritt im Produktionsprozess komplett überspringt.
Nachdem Christl sich während der Pandemie vorwiegend auf andere Projekte konzentriert hat, plant sie derzeit schon die nächsten Releases – allein das braucht Geduld. “Ich fange jetzt an zu pressen und dann sind die Platten hoffentlich im Mai oder Juni da”, erzählt sie. “Ich bin sehr DIY eingestellt, muss mir mittlerweile aber auch mithilfe einer Pinnwand jedes Release planen, damit ich nicht allzu viel Leerlauf habe.” Ähnliches berichtet Irakli Kiziria, Mitbetreiber der Veranstaltungsreihe STAUB in Berlin und Betreiber des Labels Intergalactic Research Institute for Sound: “Ich habe für mich entschieden, keine Release-Dates mehr anzukündigen. Erst, wenn die Platten wirklich da sind, werde ich mich darum kümmern”, sagt er.
Was für weitgehend unabhängig agierende Artists und Labels gilt, davor sind aber selbst größere Institutionen der Clubszene nicht gefeit. “Vor vier Jahren hat die Produktion einer Platte von Anfang bis Ende noch drei Monate gedauert. Dann wurden vier draus, dann fünf”, berichtet Jon Berry, Label Manager bei Kompakt. “Mittlerweile planen wir Releases zwischen sechs und neun Monaten im Voraus.” Die aktuelle LP von Kölsch, einem der größten Pferde im Stall des Kölner Traditionsunternehmens, ist digital schon seit Oktober erhältlich, die Vinylversion allerdings verzögert sich noch bis März 2022.
Die Zukunft, ein schwarzes Loch
Die Planungsunsicherheit bringt auch ein Umdenken hinsichtlich des veröffentlichten musikalischen Materials mit sich. “Ich werde nichts veröffentlichen, was eine Lebensdauer von ein oder zwei Wochen hat”, gibt Kiziria zu Protokoll – in der näheren Zukunft wird er sich vor allem auf Alben konzentrieren und die Veröffentlichung von Dancefloor-orientierten Singles weitgehend aussetzen. Ähnliches gilt auch für Kompakt, das nicht nur als Label, sondern auch als Vertrieb ein maßgebliches Scharnier der Dance-Music-Welt ist, wie Berry unterstreicht: “Für uns wie auch für andere Labels war das ein Weckruf, darüber nachzudenken, wie viele Platten grundlos angefertigt werden – das, was ich als ‘Vanity Pressing’ bezeichne.” Gemeint sind bekannte Artists, die zwar wenig Vinyl verkaufen und trotzdem darauf insistieren, ihre Releases auf Schallplatte zu veröffentlichen.
Die Auswirkungen der hohen Wartezeiten sind also vielschichtig und sie wirken sich langfristig auf die eigene Planung aus. Ob aus Sicht der Labelbetreiberin, die im April einen Sommerhit als Promo erhält und ihn aber unmöglich rechtzeitig zur Saison veröffentlichen wird können oder aus der Perspektive einer Künstlerin, die ihre eigenen Produktionen mit einem halben oder Dreivierteljahr Abstand kritisch beäugt: Wie gewohnt lässt sich das Geschäft für Christl beispielsweise nicht mehr durchführen, was vor allem in einer schnelllebigen Szene wie der für House und Techno für Dilemmata sorgt. Auch Kiziria erzählt Ähnliches: Wenn die Platten, oder zumindest nicht die richtigen, zu einer Release-Party nicht rechtzeitig geliefert werden können, ist das auf jeder erdenklichen Ebene ärgerlich.
Christl bekommt das Chaos vor allem um Singles genauso in ihrem Laden zu spüren, bleibt aber optimistisch. Selbst wenn es einige Monate dauert, bis ein Club-Hit nach Digital-Release in Schallplattenform seinen Weg in ihren Ladens findet: “Wer das Vinyl wirklich haben möchte, wartet auch darauf”, ist sie sich sicher. “95 % meiner Kundschaft besteht aus Hobby-DJs, die ihre Jobs haben und selbst während der Pandemie noch kräftig gekauft haben.” Anders gestaltet sich der Fall bei Robert Schulze, der nur ein paar hundert Meter von Elevate den Plattenladen Bis aufs Messer mitbetreibt und mit seinem Angebot wie auch mit seinem Label Adagio830 eine ganz andere Klientel anspricht: Punk und Post-Punk, Hardcore und Metal sowie experimentelle Musik und andere randständige Spielarten sind hier in den Crates vertreten. Es ist die Art Plattenladen, der von seiner Stammkundschaft genauso wie von tourenden Bands lebt, für die eine Stippvisite bei Bis aufs Messer während eines Tourstopps zum Pflichtbesuch gehört – und die dementsprechend im Jahr 2020 als Kundschaft ausblieben.
Nicht allein für den Plattenladen allerdings war die Pandemie eine finanzielle Zerreißprobe. Zuletzt musste Schulze gut vier Monate auf eine Testpressung warten und hofft nun, dass er das dazugehörige Album im Januar über Adagio830 veröffentlichen kann. “Wir haben keinen langen Atem. Mit der Testpressung kommt die erste Rechnung und dann dauert es vielleicht ein halbes Jahr, um das fertige Produkt zu bekommen”, erklärt er. “Wenn du fünf Aufträge gleichzeitig in der Pipeline hast, sind das schon zwischen 5.000 und 8.000 Euro, die du so schnell nicht wieder reinbekommst.” Das kann kleinen Labels schnell das Genick brechen, zumal nicht immer klar ist, wann oder besser noch ob das Geld wieder in die Kasse zurückfließt.
Nicht nur für Schulze als Labelbetreiber ist das prekär, sondern stellt auch ein finanzielles Risiko für die von ihm vertretenen Acts dar: “Für unsere Band sind Live-Gigs die Haupteinnahmequelle. Gut die Hälfte von einer Pressung wird bei Shows verkauft”, berichtet er. Da Tourneen für kleine Bands in der Regel eher ein Verlustgeschäft als eine wirkliche Einnahmequelle darstellen, handelt es sich dabei um alles andere als eine Kleinigkeit. Zumal sich das Problem nicht nur auf neue Releases erstreckt. “Ich habe noch gar nicht verinnerlicht, dass selbst Represses ein halbes Jahr dauern”, sagt Schulze hinsichtlich einer Nachpressung einer Platte, die vermutlich im März oder April geliefert wird – obwohl die Band sie für ihre vorher stattfindende Tour dringend bräuchte.
“Irgendjemand hat online geschrieben, dass es sich anfühlt, als würde man seine Projekte in ein schwarzes Loch schmeißen und das bringt es auf den Punkt”, sagt John Brien vom Label Important Records. Er kündigte im Sommer an, weitgehend auf Vinyl zu verzichten und sich auf die Produktion anderer Formate wie CDs und Kassetten zu verlegen. Schallplatten wird er selbst nur noch in Ausnahmefällen produzieren. So offenbart sich im Kleinen eine weitreichende Krise hinter der großen Erfolgsgeschichte und all den beeindruckenden Verkaufszahlen. Die lässt sich aber auch auf globaler Ebene in Zahlen fassen und macht sich nicht zuletzt im Plattenladen bemerkbar: Nicht nur die Umsatzzahlen, sondern auch die Preise steigen an.
Doppelte Nachfrage, halbe Kapazitäten
In einem Bericht des Magazins Billboards schätzt ein nicht namentlich genanntes Mitglied der Musikbranche in höherer Stellung die Nachfrage nach Vinyl auf weltweit etwa 320 bis 400 Millionen Stück pro Jahr. Dem gegenüber stünde allerdings eine ungefähre Kapazität von circa 160 Millionen Exemplaren, welche die knapp mehr als hundert über die Welt verteilten Presswerke jährlich fertigen können. Das ist eine Rechnung, die ganz offensichtlich nicht aufgehen kann und deren Effekte sich ausgerechnet in einer Zeit zeigen, in welcher vor allem kleine Künstler:innen und Labels mehr denn je auf die Einnahmen durch Tonträgerverkäufe angewiesen sind. Für viele von ihnen war das Geschäft mit dem Vinyl ein Rettungsanker in der großen Krise des Jahres 2020, nun reißt ihnen eine ganz andere Katastrophe diesen Anker unter dem Kiel weg.
Das gilt so übrigens auch für eine Adele und andere Stars, die bei Major-Labels untergekommen sind. Denn wenn sich derweil selbst ein Ed Sheeran darüber beschwert, dass die Produktion von ‘30’ andere Projekte zu verdrängen drohte und so auch die rechtzeitige Anlieferung der Exemplare seines im Oktober veröffentlichten Albums ‘=’ in Gefahr brachte, beweisen allein die für sie beide geltenden Wartezeiten, dass auch die Majors Rückschläge einstecken müssen. Die drastische Maßnahme von James Blakes Label Universal unterstreicht, wie viel finanzielle Zugkraft Schallplatten für einen Künstler selbst seines Kaliber zu haben scheint: Anstatt darauf zu vertrauen, dass die Fans noch einen Monat nach dem Digital-Release seines Albums ‘Friends That Break Your Heart’ ihr Portemonnaie für eine LP zücken, wurde dessen Veröffentlichungstermin mit einem schwammigen Verweis auf ‘vinyl factory delays caused by COVID’ direkt um einen Monat verschoben.
“Es ist nicht so, als wären die kleinen Labels die einzigen, die Probleme haben, ihre Zeitfenster zu halten”, sagt auch David Wetzel, Einkäufer beim Versandhandel HHV. “Es geht durch die Bank weg. In den letzten Monaten, in denen sich Angebot und Nachfrage nicht mehr gedeckt haben, haben selbst die Majors bei weitem nicht mehr das gepresst bekommen, was sie gerne hätten.” So entstehen dann sogar unter den 1 % der Pop-Welt Hackordnungen in der Kontingenzverteilung der Presswerke: Die neue ABBA geht vor, ein ‘Nevermind’-Super-Deluxe-Box-Set muss dagegen warten und erscheint als Jubiläumsausgabe des Nirvana-Albums aus dem September 1991 erst im Mai 2022.
Es trifft also alle und damit nicht zuletzt die Kundschaft, die durchschnittlich mehr Geld für die Releases ausgeben muss als zuvor, weil sich nicht nur die Produktion verlängert, sondern sich der gesamte Herstellungsprozess verteuert hat. Robert Schulze hat die über sein eigenes Label veröffentlichten LPs in seinem Plattenladen früher noch für 13 oder 14 Euro anbieten können, muss mittlerweile aber bis zu 17 Euro verlangen, um gestiegene Kosten abzufedern. Gravierender noch ist der Unterschied bei fremden Titeln zu spüren, fügt er hinzu: “Mittlerweile sind einige Platten bei uns im Einkauf so teuer wie vor 15 Jahren noch im Verkauf.” Das führt zu risikoreichen Kalkulationen: “Das Problem sind vor allem Stock-Titles, also Platten, die immer gut laufen und immer nachgepresst werden müssen”, erklärt er. “Dann denkst du dir: Nehme ich lieber zwanzig und hoffe, dass sie weggehen? Und wenn sie nicht weggehen, sitzt du wieder auf den Miesen.”
Cinthie Christl berichtet von einem ähnlichen Trend im Bereich der Dance Music: “12 bis 14 Euro ist mittlerweile ein völlig normaler Preis für eine reguläre Single”, erklärt sie. Um weiterhin noch Platten zu annehmbaren Preisen verkaufen zu können, versucht sie sich in ihrem Plattenladen Elevate an einer Art kreativer Mischkalkulation: Die Verkaufspreise der Releases ihrer eigenen drei Labels werden leicht erhöht, damit die von vor allem kostspieligen Importen nach unten korrigiert werden können, sodass unterm Strich kein Verlust dabei herumkommt.
Anderswo jedoch werden die Preiserhöhungen noch direkter an die Kundschaft weitergegeben: Die neue, mit Verspätung veröffentlichte LP von James Blake kostet zwischen 24 und 27 Euro – ein Preis, der noch vor gut zehn Jahren für eine einzelne Schallplatte undenkbar gewesen wäre. Das führt vor allem in Plattenläden dazu, dass die Kundschaft gezielter das Bekannte einkauft und also unbekanntere Acts quasi automatisch das Nachsehen haben – wer mit 50 Euro in der Tasche in den Plattenladen geht und sich bewusst ist, diesen nur mit zwei Exemplaren zu verlassen, wird beim Kauf schätzungsweise keine Risiken eingehen.
Der Ton wird rauer
Nicht nur wird die Situation für Labels, Künstler:innen und Plattenläden zunehmend drastischer, auch der Ton wird rauer. Die für die Vinylkrise des Jahres 2021 vermeintlich Schuldigen werden identifiziert und an den Pranger gestellt. Wahlweise konzentriert sich die Wut entweder auf Kampagnen wie den Record Store Day, der über die vergangenen Jahre Pressrhythmen durcheinander gebracht hat und dabei vor allem aufwändige Neuauflagen von Platten bot, die auf jedem Flohmarkt für ein paar Groschen gebraucht mitgenommen werden können. Oder es wird doch auf die Majors geschimpft, insbesondere in den Monaten vor dem Weihnachtsgeschäft.
Der Zorn von kleineren Labels und Musiker:innen richtet sich derweil auf die Broker, Unternehmen, die für viele Parteien auf dem Vinylmarkt die Kommunikation und Produktion mit den Presswerken regeln – und damit nach Meinung einiger eine Art von Oligopolstellung einnehmen, das heißt, den Markt dominieren. Natürlich wird die Schuld auch auf die Presswerke selbst geschoben. Der Vorwurf: Sie würden große Kund:innen wie die Majors und Broker bevorzugen, weil sich mit ihnen beständig das meiste Geld machen ließe.
Doch wie leicht es auch fällt, einen Sündenbock für die Krise auszumachen: Die Lage ist weitaus verzwickter. Was auch daran liegt, dass der Produktionsprozess von Schallplatten ein ebenso kleinteiliger ist, wie er von großen globalen Zusammenhängen, also von bestimmten Ressourcen und internationalen Lieferketten abhängig ist. Schon vor der Pandemie war die Lage prekär, seit März 2020 aber führen eine ganze Reihe von Faktoren dazu, dass die sich über die vergangenen 15 Jahre gebildete Blase langsam aber sicher zu implodieren beginnt.
Um zu erklären, wie jenseits von der bloßen gesteigerten Nachfrage erhöhte Wartezeiten und gestiegene Kosten zustande gekommen sind, braucht es deshalb einen kurzen Exkurs: Welche Materialien und Produkte werden eigentlich für die Produktion einer Schallplatte benötigt, welche Prozesse sind dafür unabdingbar? Wo kann es zu Engpässen, Fehlern, verlängerten Wartezeiten oder sogar Ausfällen kommen? Wie also gestaltet sich der Weg von der fertigen Aufnahme hin zum fertigen Vinylprodukt?
Zum zweiten Teil dieser Reportage geht es hier.
Zusätzliche Recherche: Thaddeus Herrmann
6 Kommentare zu "Die Vinylkrise: Eine Blase implodiert – Reportage (Teil 1)"
Mein Onkel möchte gerne für seine neue Wohnung Vinylbeläge kaufen. Dabei ist es gut zu wissen, dass es sogenannte "Vinylkrise" gab. Danke für diesen Einblick.
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Wir wollen einen neuen Boden kaufen. Dazu wollen wir Vinyl kaufen. Interessant, dass durch die Pandemie hierbei ein Engpass entstanden ist.
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People buy vinyl because they want an physical artifact of something they love. Even if they just put it on a shelf and stream it's still a source of enjoyment. If it's a limited set it's going to retain value if there's demand so it's not like you are just throwing money away.
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Die Leute kaufen Vinyl, weil sie ein physisches Artefakt von etwas wollen, das sie lieben. Selbst wenn sie es nur in ein Regal stellen und streamen, ist es immer noch eine Quelle des Vergnügens. Wenn es sich um ein limitiertes Set handelt, wird es seinen Wert behalten, wenn die Nachfrage besteht, also ist es nicht so, als würden Sie einfach Geld wegwerfen.
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Der Begriff Blase wird hier unpassend verwendet. Um eine Spekulationsblse kann es beim Vinyl-Wachstum nicht handeln, da die hohen Umsätze nicht über dem inneren Wert liegen (der ja ein ideller Wert ist). Um eine Filterblase oder Informationsblase kann es sich ebenfalls nicht handeln.
Außerdem: Was soll implodieren und warum? Der Autor weist selbst auf die hohe Nachfrage hin, dem das Angebot aus diversen Gründen (die detailliert beschreiben werden) nicht folgen kann. Ein Markt bricht doch nicht zusammen, weil die Nachfrage zu hoch ist. Im besten Falle werden sich einige Marktteilnehmer umorientieren (was eher unwahrscheinlich ist, da ein Mangel in der Regel das Haben-Bedürfnis steigert).
Dann dies Gejammer über die angeblich hohen und geradezu "absurden" Vinylpreise. 1970 kostete ein Vinylalbum 20 DM, also in etwa 10 €. Die Nettolöhne haben sich seit jener Zeit ungefähr verzwölfffacht. Also kostete damals gewissermaßen eine Vinyl-LP ungefähr 120 €. Ich musste damals 5 Stunden für eine Platte arbeiten.
Die ins Feld geführten Umweltargumente sind nachvolziehbar. Indes sollte man im Hinterkopf haben, dass eine gehegte und gepflegte Schallplatte mit einer deutlich geringeren Wahrscheinlichkeit in einer absehbaren Zeit die Umwelt belastet, als es zum Beispiel bei einem Vinyl-Fußbodenlag der Fall ist.
Umweltproblematik, Herstellungprobleme, Engpässe und Lieferkettenkalamitäten (Wo gibt es die zur Zeit nicht?) führen doch angesichts der ungebrochenen und absehbar weiter steigenden Nachfrage nicht zu einer Implosion des Marktes!
Insgesamt scheint die Implosionstheorie eher dem Unverständnis und der Aversion des Autors gegenüber dem Vinylgeschehen geschuldet.
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Zu den teilweise teuren Preisen kommt noch hinzu, dass man die Qualität, die man dafür erwartet oft nicht bekommt. Die Mehrzahl der neuen Pressungen haben oft ein komisches Grundrauschen und Knacken, das es früher in diesem Ausmaß nicht gab. Sicherlich klingt eine Platte nicht so clean wie eine CD und das ein oder andere Knistern gehört dazu aber das was man zum Teil bekommt ist echt übel. Jede Pressung aus den 80er oder noch vor dem "Boom" klingt um Welten besser. Das ist sehr schade. Ich kann auch nicht mehr das x-te Repress von großen Bands wie Beatles und Pink Floyd sehen, die man bei jedem Trödelmarkt für 1 bis 2 Euros nachgeschmissen bekommt. Wer braucht den Scheiß? Und wenn dadurch die Presswerke ausgelastet werden und die Qualität nicht mehr stimmt, weil immer mehr und schneller gepresst wird, dann ist das einfach nur traurig.
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Diese undifferenzierte Sicht auf aktuelle Schallplattenpressungen kann ich so nicht unkommentiert lassen. Chris, Du beschreibst Deine Hörerfahrungen mit neuen Vinyl-Pressungen und darin ist die Rede von "Grundrauschen" und Knacken". Für die Jahre 2016-2018 kann ich dies subjektiv und selbstverständlich nicht repräsentativ bestätigen. Jedoch muß hier genau hingeschaut werden. Es waren bestimmte Labels die es leider nicht verstanden Schalllplatten ohne Fehler auf den Markt zu bringen. Auf der anderen Seite kann ich einige Labels und wundervolle LP-Titel nennen, die absolut fehlerfrei hergestellt wurden. Zurück zu Deinem Kommentar: In der 3. Zeile schreibst Du, daß "ein oder andere Knistern" gehöre zur Platte dazu. Ich kann es nicht mehr hören. Es ist unglaublich wie sich einige Annahmen scheinbar nicht ändern und immer wieder fortgeschrieben werden. Ich habe Schallplatten in meinem Bestand aus erster Hand. Kein Knacken und kein Grundrauschen ist zu hören, ausser die Musik. Wenn Du also einerseits völlig zu Recht die z.T. mangelhafte Pressqualität ansprichst aber andererseits von selbstverständlichem Knistern sprichst, welches sich quasi nicht vermeiden liesse, dann erliegst Du in Deiner Argumentation einer klassischen kognitiven Verzerrung. Dies deshalb, weil Deine Annahme leider unscharf ist.
Die formulierte Polemik und Generalabrechnung ist hier zudem nicht weiterführend, und nicht unterhaltsam. Wer im übrigen welche Pressung von welchem Künstler braucht, ist eine gänzlich individuelle Entscheidung. Die aus meiner Sicht interessantere Frage ist doch: Welches Label liefert die Qualität die wir Musikfreunde erwarten? Unter den zahlreichen Vinylpressungen gibt es durchaus rein analog hergestellte und produzierte Schallplatten. Anstelle von Spekulation und Mutmaßung setze ich auf Recherche und Hören. - Pepperland
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Finds immer lustig, wenn ich brutal harten, kranken sound google und dann ganz oben ... ... ... MEDIAMARKT :P
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Wer braucht ein Super-Deluxe-Box-Set von irgendwelchen Platten? Für mich nur Geldschneiderei. Am schlimmsten ist aber, dass es Leute mit zuviel Geld gibt, die den Mist auch noch kaufen, sich die Platten als schickes Accessoires ins Regal neben einen sauteuren Dreher stellen und dann die Musik aus Bequemlichkeit streamen.
Das freut das Major gleich doppelt!
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Haha, Word!
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