DJ, Producer und Co

DJ, Producer und Co

Archiv. 1. Juni 2012 | / 5,0

Geschrieben von:
Olaf Hornuf

Yeah Baby, its Remix-Deck Time. Somit mal wieder Zeit für einen Blick über den Tellerrand, straight in die Glaskugel.

Genug halbgarer Anglizismen und heraus mit der heutigen These: Nach dem Trendsport Deejing und der hippen Nebendisziplin Veranstalter wird man zukünftig verstärkt von Producern hören. Also nicht deren Schaffen, sondern die bloße Aussage. Dick aufgeblasene, noch baybspeckige Backen, posaunen "Ich prodjuse jetzt auch". Was wohl nicht als Warnung, sondern als Einladung zum Schulterklopfen gedacht ist. Inklusive ehrfürchtigem Schlottern untenrum, was speziell die Knie meint. "Alter - echt? Krass!".

In meiner Welt und Vorstellung geht die Entwicklung schon länger vom Track- Aneinanderreihen zum Zerhackstückeln von ebensolchen. "Live Remixing" hab ich das selbst oft genannt und nun, da Native die Remix Decks an den Traktor baut, werde ich die Konsequenzen erleben dürfen. Es wird einige Leute geben, die das Tun, mit der überholten Benennung Deejaying, auf eine neue Ebene tragen werden. Und es wird viele geben, die schon beim Schulmalkasten nicht wussten, dass die Idee das Bild macht. Entscheidende Frage: ist die Tube Ölfarbe aus Dummheit aufs Brot gekommen oder soll es Installationskunst sein? Oder ganz anders: was mach der mit dem, über hunderte Clips verteilten, 1GB Loopcontent, der schon seine liebe Not hat die Playlist von Star-DJ XYZ nachzuspielen? Vermutlich das selbe, was er früher mit seinen Lego-Bausteinen gemacht hat. Einfach Mauern, ohne Fenster und Tür. Ein Haus ist zu schwierig und was Kreatives geht nur wenn es der fünf Jahre ältere Lego-Nerd von gegenüber (vor)macht.

Zurück zur Musik. Loops aneinanderreihen kann eine Katze, wenn gerade eine Fliege über die Pads des Controllers läuft und im Katzentier den Jäger weckt. Wenn die Fliege durch Zufall den richtigen Weg nimmt, kommt vielleicht sogar was hörbares raus. Wahrscheinlicher ist aber eine sinnfreie Clipfolge ... da das trollige Haustier zwar Engagement zeigt, aber das ähnlich klingende Arrangement fehlt. Womit die samtene Pfote sich mit der Patschehand des großmäuligen Jungproducers zum High Five treffen darf. Merke also: Clips reihen sollte nur wer eine Vorstellung vom Trackaufbau hat. Dabei zählt der Einsatz eines Filters am, auf zwei Stunden gestreckten, Loop nicht wirklich. Neue Fragen: Legt Lego eigentlich für Einsteiger eine Bauanleitung bei? Was könnte sich Native von den Inverkehrbringern einer Triola oder eines Kinder-Xylophons abschauen? Richtig ... eine vereinfachte farbliche Darstellung am und Bau- respektive Spielanleitung zum Objekt. Wobei dann ja alles gleich klänge, gleicher als es eh schon klingt. Und der Lernwille ist ja leider nicht per beigelegter Brausetablette einzunehmen, sondern muss aus einem selber kommen. Menno, dabei will der Neu-Producer doch in erster Linie nur cool sein. Ein Deejay Plus sozusagen. Richtig, im eigentlichen Sinn,  produzieren will und kann der nicht, wird er auch nie. Es geht schlicht um Pop!

Was ist Pop? Vom lateinischen Populus, dem Volk kommend, bezeichnet das Kürzel die Beliebheit einer Sache bei einer Gruppe von Menschen. Tät ich mal so definieren und nach diesem Prinzip pumpen Plattenfirmen seit Jahrzehnten Acts in den sogenannten Markt. Dabei wird nicht nur eine Nachfrage gedeckt, sondern es wird schon auf aufkommende Trends reagiert und diese werden gewinnbringend ausgesaugt. Aus Trend wird Pop, nach einer gewissen Halbwertszeit ist Schicht im Schacht und zwanzig Jahre später geht alles von vorn los, wobei dann der Begriff Retro dazu kommt. Native - und damit zurück zum Thema - reagiert nicht nur auf Nachfrage, sondern baut gleich Gleise, stellt Weichen und liefert die Züge. Clever! Remix Decks und F1 sind sicher absolut zukunftsweisende Werkzeuge, welche die Entwicklung des Deejaying wenigstens so beeinflussen werden, wie vor einigen Jahren die DVS. Während man da aber lediglich eine neue Technologie nutzte, um (erstmal) wie gehabt weiter zu machen, ist es hier anders. Es ändert sich nicht das Medium, sondern der Schaffensprozess. Was ja erstmal gut ist. Nun gebe man aber einhundert Leuten die gleichen Backzutaten und koste nachher vom Kuchen. Vermutlich wird der Bäcker den besten machen, neben Mutti natürlich. Und nun stelle man sich vor, unter den einhundert Leuten sind keine Bäcker, Hobbyköche, Muttis oder Omas, dafür aber übermäßig viele, die verbal Schaum schlagen, das aber mit dem Klaren vom Ei nicht können. Mahlzeit!

Es bleibt also abzuwarten, was so mit den Remix-Decks .. und kommenden Tools ... angestellt wird. Ein Fest für die Kreativen und Interessierten, eine Sache die Eigeninitiative erfordert.  Die nächste Stufe sind wahrscheinlich Tracks in Einzelspuren und spezielle Loopkits. Nur eben nicht mehr für Leute, die zuhause an einem Sequenzer mit Zeit und Muse rücken, sondern für Leute, die in Echtzeit auf das Pad des Controllers kloppen. Und die dabei mehr Energie auf Außendarstellung, als auf Inhalt verwenden. Kling ich negativ? Nur weil ich bisherige Erfahrungen auf die Zukunft anwende? Es kommt so - im normalen bis schlimmsten Fall, wetten? 🙂

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