Im dritten Teil dieses Ratgebers für DJ-Anfänger geht es um digitale Vinylsysteme. Kurz: DVS.
Nachdem wir in Teil 1 das klassische DJ-Setup, mit Plattenspielern und Mixer, unter die Lupe genommen hatten, folgte im zweiten Teil eine Abhandlung zu CD-Playern. Ziemlich chronologisch geht es mit digitalen Vinylsystemen (DVS) weiter. Dabei werden Musikstücke auf einem Rechner mit einem sogenannten Timecode - auf Schallplatte oder CD - gesteuert. Die perfekte Kombination zwischen alter und neuer DJ-Welt, lassen sich doch klassische DJ-Techniken mit den Vorteilen eines Computers verbinden.
Back in the days ... die noch nicht mal fünfzehn Jahre her sind ... gab es für Club-DJs ein bestimmendes Medium - das Vinyl. So war das seit den frühen Tagen der Disco. Steigender Beliebtheit erfreute sich der CD-Rohling. Ziemlich neu war ein schnelles Internet, welches Zugang zu - meist illegalen - Downloadplattformen bot. Zusammengezählt ergab das Audiofiles aus dem Netz, gebrannt auf eigene CD-Compilations. Was (neben Kauf-CDs) die zweite Art von Tonträger war, welche einem Deejay zur Verfügung stand. Einen Rechner schleppte kaum jemand mit. Warum auch?
Um die Jahrtausendwende setzte die holländische Firma N2IT ein Konzept um, bei dem über einen Signalton auf Vinyl ein, in einem Computerprogramm laufendes, Musikstück gesteuert werden konnt. Eine Revolution. Beratenden Einfluss hatten die beiden kanadischen DJs Richie Hawtin und John Aquaviva. Später kamen mit STANTON (für die Hardware) und NATIVE INSTRUMENTS (für die Software) zwei weitere Firmen hinzu und FINAL SCRATCH war geboren. Mit Version 1.5 lief die Mutter aller DVS unter Windows XP, womit das Thema für eine breitere Masse interessant wurde. Ich erinnere mich gut, als ich erstmalig mit FINAL SCRATCH im Club auflief. Offene Münder bei den DJ-Kollegen und komische Geräusche aus den Boxen, sobald die Nadel etwas Staub abbekam. Kurz: das System war störanfällig, die gewonnene Freiheit immens. Natürlich schleppte ich zur Sicherheit noch lange Zeit "100 Vinyl für den Notfall" mit zum Gig.
Jahre später ist FINAL SCRATCH Geschichte. Ebenso wie ähnliche, frühe Programme. Zum Beispiel der Bruder des BPM-STUDIO - DIGISCRATCH. NATIVE INSTRUMENTS ist noch präsent. Mit TRAKTOR kommt die klassische DJ-Software aus diesem Hause. Ebenfalls lange und ganz vorn dabei ist SERATO. Weitere Namen sind VIRTUAL DJ oder MIXVIBES. Die einzelnen Produktlinien sind etwas verwirrend, ebenso wie das Funktionsprinzip und die benötigten Komponenten. Der folgende kurze Überblick soll das aufklären.
Wir haben einen Plattenspieler, auf dem ein spezielles Vinyl läuft, und einen Computer, mit einer Software. Beliebte Frage: Wie kommt nun das MP3 auf die Platte? Die Antwort: Gar nicht. Auf der Platte ist ein Steuersignal - meist ein Sinuston mit 1 oder 2kHz. Ist man der Physik weniger zugetan, bezeichnet man sowas als "pfeifen". Der Plattenspieler ist an eine Soundkarte, das sogenannte Interface, angeschlossen. Das ist seinerseits über USB mit dem Computer verbunden und durch seinen Ausgang mit den Eingängen des DJ-Mixers. Die Software hat virtuelle Decks, was man sich als Nachbildung einer Platte auf dem Plattenspieler vorstellen darf. Zieht man eine Sounddatei in eines der virtuellen Decks und startet die Platte mit dem Timecodesignal auf dem Turntable wie gewohnt, berechnet die Software die Position der Nadel und setzt das Ergebnis im zugewiesenen Deck um. Man hört aber nicht den Signalton, sondern den Titel aus der Software ... ausgegeben über die Soundkarte und (wenn man das mit zwei oder mehr Decks praktiziert) gemischt an den Kanälen des externen Mixer. Mit dieser Konstellation kann man mit gewohntem Handling ein digitales File steuern. 100% Vinylfeeling, nur mit Boni von Loops über Cue-Punkte bis zu Effekten. Ganz einfach. O`rly? Nö!
Das Interface ist nicht nur aus technischen Gründen essentiell, oft fungiert es gleichzeitig als Dongel. Mitunter sind in DJ-Mischern verbaute Soundkarten "zertifiziert", so dass man kein externes Interface benötigt. Nicht zuletzt kann man, zum Beispiel bei VIRTUAL DJ oder MIXVIBES irgendendeine beliebige Soundkarte nutzen. Die Verwirrung steigt, da man zwar TRAKTOR oder SERATO DJ besitzt, nicht aber die notwendige "Scratch-Lizenz". Und zu guter Letzt gibt es noch verschiedene Arten und Versionen von Timecode-Medien sowie zwei, drei bzw. vier virtuelle Decks in der Software. Vinyl, CD, DSP, MK1, MK2, SL1 bis SL4, Duo oder Pro und so weiter, und so fort. Viele Stolperfallen, gerade für Einsteiger. Aus dieser Erfahrung rate ich Anfängern zu einem Komplettsystem, wie TRAKTOR SCRATCH A6 (289 Euro) oder SERATO SL2 (599 Euro).
http://www.youtube.com/watch?v=KWDWCZ9qZu0
Was läßt sich mit einem DVS anstellen? Wie schon erwähnt, bringen aktuelle Programme eine Vielzahl an Funktionen mit. Das reicht von der Key Correction (ein Song, der gepitcht wird, behält die gleiche Tonhöhe bei und klingt nicht wie Micky Mouse) über Effekte, Loops, Cuepunkte oder einen integrierten Sampler, bis zu der Möglichkeit auch Videos durch den Timecode zu steuern. Nicht immer sind alle Features inklusive. Speziell SERATO fährt bei Erweiterungen eine "Politik der Zusatzkäufe". Und noch eins sollte man bei SERATO wissen: die preiswert angebotene SL1 Box (und der TM57 Mixer) haben (im Vergleich zum Rest der Serie) nicht nur einen pappigern Sound, mit diesem Jahr gibt es auch keinen Support mehr. Zudem ist man auf das alte Programm SCRATCH LIVE festgelegt. SERATO DJ und seine feschen Updates lassen sich nicht nutzen.
Wie integriert man ein DVS am DJ-Platz? Solange man allein auflegt ist alles simpel. Auch der Kollege mit seinen "analogen" Vinyl oder CD ist kein Problem. Dessen Signal wird entweder durch die Software geschliffen (Bypass / Thru) oder der Eingang des gemeinsam genutzten Plattenspielers / CD-Players wird aufgesplittet (Multicore). Etwas komplizierter wird es mit weiteren DVS-Usern, die sich eine Peripherie teilen. Leider haben sich speziell konzipierte Switchboxen nicht durchsetzen können, bei diesen konnten zwei DVS parallel an einem Setup genutzt werden. So bleiben meist nur Lösungen, wie das Durchschleifen oder Splitten des Plattenspielersignals bzw. ein Umstecken der Eingänge an der Soundkarte. Im laufenden Betrieb kann das ziemlicher Sackgang sein, obwohl der Ablauf einfach ist: DJ 1 spielt seinen letzten Song und wechselt in der Software in den internen Modus (ausgeschaltene Timecodesteuerung). Die Plattenspieler wechseln von dessen Interface an das Interface von DJ 2. Die Ausgänge sollten zuvor bereits an freie Inputs am Mixer gesteckt worden sein. DJ 2 richtet seine Software ein, überprüft die Anzeige des Steuersignals und übernimmt den Mix(er). Wie gesagt: in der Praxis kann dieser Vorgang zu Tränen der Verzweiflung führen ... eigentlich der Punkt, an dem das System ausgebaut werden sollte. Das ist jedoch eine Frage der Hardware und 2015 sind DVS, so famos sie sind, definitiv nicht mehr auf dem Zenit ihrer Zeit. Controller und DJ-Apps drängen nach der Gunst der DJs, wir behandeln dieses Thema im vierten Teil unserer Serie. Schaut also wieder rein.
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Knicks und raus
Ole
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