Feature: Warum ist Feierngehen so teuer geworden?

Feature: Warum ist Feierngehen so teuer geworden?

Features. 16. Mai 2023 | 4,6 / 5,0

Geschrieben von:
Cristina Plett

Im Club 15 oder sogar 20 Euro Eintritt zu zahlen ist neuerdings normal. Das kann doch nicht nur an der Inflation liegen? Warum haben Clubs die Preise an der Tür und Bar seit der Pandemie so sehr erhöht?

Nachdem man eine Stunde in der Schlange gestanden hat, rückt man zum Türsteher vor. Er lässt einen rein – puh – und an der Kasse dann: "20 Euro, bitte". Leicht stutzig holt man den blauen Schein aus dem Portmonee. 20 Euro? Das war doch mal weniger? Oder ist man selbst nur knausriger geworden?

Nein, der gefühlte Eindruck stimmt: Feiern gehen ist in den vergangenen Monaten deutlich teurer geworden. Zahlte man früher 10 Euro, kostet der Eintritt heute 15 Euro. Wo früher 15, kostet es heute 20, mancherorts sogar 25 Euro. Früher meint damit vor den pandemiebedingten Schließungen. Konkrete Beispiele: Im Stuttgarter White Noise waren es früher 10, heute 15 Euro. Im Berliner Tresor kostete der Eintritt an einem Samstagabend um die 17 Euro, nun kostet er 22. Im Leipziger Club Elipamanoke: Früher im Schnitt 10 bis 12 Euro, jetzt sind es 15 bis 17 Euro.

Und das ist nur der Eintritt. Ist man drin, kommen noch Ausgaben für Garderobe und Bar hinzu. Auch die sind gestiegen. Woran liegt das? Klar, wir spüren seit 2022 die Inflation deutlich. Zuletzt sank die Inflationsrate aber wieder. Rechtfertigt die Inflation allein so hohe Eintrittspreise? Oder macht hier jemand ordentlich Profit und nutzt die Inflation als Vorwand? Bei einigen Lebensmitteln soll es laut einer Studie ja zum Teil so sein. Warum ist Ausgehen heute so teuer geworden? DJ LAB hat mit vier Clubs darüber gesprochen. Die Antwort ist weniger kompliziert, als sie scheint.

Bis zu 30 Prozent mehr Personalkosten

Warum also müssen derzeit deutlich höhere Preise bezahlt werden? Ein Grund sind die gestiegenen Personalkosten. Der Mindestlohn stieg im vergangenen Oktober von 10,45 Euro auf 12 Euro – an sich eine positive Entwicklung. In einer Branche, in der viele Angestellte Mindestlohn oder nur wenig mehr verdienen, schlägt das jedoch schnell zu Buche. Henny Völzke, genannt Cocny, vom Leipziger Club Elipamanoke rechnet beispielhaft grob vor: "Sagen wir, eine Veranstaltung geht bei uns im Schnitt zehn Stunden. Im Laufe des Abends arbeiten durchschnittlich etwa 2,5 Leute an der Bar. Pro Person und Stunde sind nun zwei Euro mehr fällig. Hinzu kommen vier Securitys, die zwar vorher bereits mehr verdienten, aber auch hier haben wir die Löhne angepasst. Dann Awareness, Abendleitung, Technik, sagen wir 3,5 Schichten. Da sind wir schon bei 200 Euro Mehrausgaben. Plus der Arbeitgeberanteil für die Sozialversicherung, der beträgt nochmal etwa 30 Prozent, sagen wir 300 Euro." Aktuell nimmt der Club rund 15 Euro Eintritt. Heißt: Allein um diese 300 Euro einzunehmen, müssen rund 20 Gäste mehr kommen.

Klingt wenig, aber bei einem Club wie dem Elipamanoke, den an einem Abend 400 Leute besuchen, bleibt da nicht viel Spielraum. Garderobe und andere anfallende Arbeiten nicht mit eingerechnet. Dennoch will Cocny nicht falsch verstanden werden: "Es ist cool, dass der Mindestlohn erhöht wurde, wir profitieren ja selbst davon. Aber dass wir alle auf Mindestlohnbasis arbeiten, ist unser Kritikpunkt." Anders gehe es nicht. Sie fordert institutionalisierte Förderung, wie sie auch Opernhäuser erhalten.

Den höheren Mindestlohn spüren die Clubs gerade jetzt so sehr, weil er vor der Pandemie noch deutlich geringer war: Im März 2020, als der erste Lockdown begann, lag er bei 9,35 Euro. Während die Clubs geschlossen waren, wurde er schrittweise, aber deutlich schneller als in den Jahren zuvor erhöht, bis hin auf die aktuellen zwölf Euro. Auch bei einem großen Laden merke man das, sagt Frank Quickstern, Controller vom Tresor in Berlin: "Wir haben rund 30 Prozent mehr Personalkosten als vor Corona."

© Institut Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen

Das Gagenkarussell dreht sich schneller

Nicht nur die Nacht-Arbeiter:innen kosten mehr, sondern auch die DJs, berichten die Clubbetreiber:innen. Eli Steffen vom Berliner Club About Blank sagt: "Das Gagenkarussell dreht sich schon länger immer schneller. Nach der Pandemie sind aber vor allem im unteren Segment und im Mittelbau die Gagen gestiegen. Wer vorher 250 Euro (unteres Preissegment) oder 800 Euro (Mittelbau) kostete, nimmt nun 400 bis 500 Euro oder 1000 Euro." Frank vom Tresor schätzt, dass DJ-Gagen um rund ein Viertel gestiegen sind im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie. Dazu kommen die Reisekosten der DJs, bei denen vor allem Flüge deutlich teurer geworden seien.

Zur Gage kommt üblicherweise noch die Gebühr für die Bookingagentur hinzu, auch die sei gestiegen, berichten Eli und Cocny. Verständnis dafür haben sie durchaus, schließlich hätten sowohl Agenturen als auch DJs während der Pandemie weniger oder nichts verdient. Auch sie sind von höheren Lebenshaltungskosten und steigenden Mieten betroffen. Außerdem stünden bekannte DJs, sogenannte Headliner, immer mehr im Fokus des Publikums. "Die Gäste, die schon länger dabei sind, möchten schon ihre Stars sehen, und nicht nur die kleinen lokalen Leute", sagt Cocny vom Elipamanoke. "Aber die sind viel teurer geworden. An regionalen DJs wiederum wird dann extrem gespart. So sollte es eigentlich nicht sein. Tracks kaufen müssen beide." Ein Beispiel: Im Münchner Club Blitz spielen regelmäßig ein oder mehrere Headliner. Lokale DJs hingegen bekommen standardmäßig 250 Euro, wie aus dem Umfeld des Clubs vernommen.

Preiserhöhungen "von der Müllabfuhr bis zum Catering"

Auch Clubs betrifft, was im vergangenen Herbst die mediale Debatte dominierte: steigende Energiekosten bei Heizung und Strom. Im Tresor lief vergangenes Jahr der dreijährige Stromvertrag aus, seitdem zahlen sie fast ein Drittel mehr. Das About Blank hat, wie viele andere Clubs auch, während der Pandemie eine neue Lüftung eingebaut. Die verbraucht mehr Energie als die alte, kostet dementsprechend mehr. Dazu viele kleinere Posten, die man als Gast nie bedenkt. "An allen Stellen gehen die Preise hoch. Von der Müllabfuhr bis zum Catering", sagt Florian Hirsch vom About Blank.

Auch die GEMA-Gebühren sind gestiegen, erklärt Frank vom Tresor, in den vergangenen fünf Jahren von rund 20.000 Euro im Jahr auf rund 50.000 Euro in Jahr. Die Preissteigerung war zwar länger angekündigt und erfolgte schrittweise, traf die Clubs aber aufgrund der pandemiebedingten Pause schlagartig. Sogar beim Gang aufs Klo spürt man die Inflation. Frank rechnet vor: "Bis 2019 kostete jeder Besucher, der einfach nur den Laden betritt – ohne Musikprogramm – und in der Nacht ein-, zweimal auf Toilette geht, etwa 70 Cent. Jetzt sind das 1,25 Euro." Laut Statistischem Bundesamt kosten Toilettenpapier und Handtuchpapier aktuell 41,7 Prozent mehr als 2020.

Auch Getränke sind im Einkauf teurer. "Die Rechnung der Getränkehändler wird jede Woche höher", berichtet Felix Heukenkamp vom Elipamanoke. Die merkt man als Gast dann beim Bezahlen an der Theke, nicht im Eintritt. Mit den Eintrittspreisen decken die meisten Clubs die Kosten für DJs, Bookingarbeit, Promo, Türpersonal, Nightmanager:in, Artist Care. Die Kosten für das Barpersonal und die Getränke werden durch die Bareinnahmen gedeckt. Ob nun die Einnahmen über die Bar oder den Eintritt für den Rest (wie Miete, Strom, Technik, Büroarbeit) aufkommt, macht jeder Club ein wenig anders.

Einige Clubs richten vor allem Partys von externen Promotern oder Kollektiven aus, wie das About Blank. Sie nehmen eine Miete und geben ihren Veranstaltungen Richtwerte für den Eintrittspreis vor. Beides sei laut Florian gestiegen: "Wenn wir die Mietpreise erhöhen, ist klar, dann müssen auch die Eintrittspreise erhöht werden, damit das überhaupt für die Veranstalter:innen möglich ist." Dazu ständen "reguläre" Mieterhöhungen an, beim Elipamanoke etwa.

Weniger Gäste, geringere Ausgaben

Zu all den Mehrkosten kommen die Langzeitfolgen der Pandemie hinzu: Nicht alle, aber einige Clubs haben Schulden. 50.000 Euro eines zinsfreien Kredits zum Beispiel muss das Elipamanoke jetzt abbezahlen, sagt Cocny: "Ich kenne eigentlich keinen Club, der während der Pandemie keinen Kredit aufnehmen musste." Obwohl sie nicht gewinnorientiert arbeiten wollen, muss nun etwas übrig bleiben, um den Kredit zurückzuzahlen. Und: Das Publikum hat sich verändert. Ein Teil des Stammpublikums kommt nach Corona seltener, das berichten nahezu alle Clubs, mit denen DJ LAB gesprochen hat. Und es kommen weniger Menschen, sagt Lex Weiss vom White Noise aus Stuttgart: "Die Resonanz ist zurückgegangen. Die Leute sind irgendwie nicht mehr so am Start wie davor. Das ist ein Problem, was wir gerade bewältigen müssen." Cocny, die auch im Leipziger Clubnetzwerk LiveKommbinat aktiv ist, beobachtet nicht bei ihr im Club, aber im Umfeld ähnliches: "Es ist zumindest in Leipzig ein Problem, dass zu den ganzen Technoveranstaltungen viel weniger Gäste kommen als vor der Pandemie." Ihr Kollege Felix ergänzt: "Die Leute überlegen sich zweimal, zu welcher Veranstaltung sie gehen und sparen dann vielleicht auch an den Getränken."

In Berlin sind die Besucherzahlen bei Tresor und About Blank kein Problem, sagen die Clubs. Aber bei den jungen Gästen merke man, dass sie weniger Geld ausgeben, sagt das About Blank, weil natürlich alle mit steigenden Lebenshaltungskosten zu kämpfen haben. Unter den 18- bis 25-Jährigen ist rund ein Viertel armutsgefährdet. Anders sieht es im Berliner Tresor aus: "Zumindest unsere Klientel haben anscheinend vom gestiegenen Mindestlohn profitiert, indem sie jetzt etwas mehr Geld in der Tasche haben", sagt Frank. Sie lassen mehr an der Bar als vor der Pandemie. Trotzdem: "Unsere Gewinnmarge ist gleich geblieben." Weil die Kosten für den Club schneller gestiegen seien als für die Gäste.

Wie geht es weiter?

Für die Clubs war es seit der Wiedereröffnung nach der Pandemie finanziell schlicht notwendig, die Preise zu erhöhen. Bei Festivals und Konzerten ist es das gleiche Spiel. Das macht diese Frage umso dringlicher: Wie kann eine Szene, die sich Zusammenhalt, Community und Safe Space auf die Fahnen schreibt, für alle zugänglich bleiben? Bleibt bzw. ist es das nicht, droht Feiern zur Luxusunterhaltung für wenige zu werden. Hört man sich bei Clubgänger:innen um, ist es das in den Augen einiger bereits.

Lösungsideen gibt es. "Bei unseren eigenen Veranstaltungen gibt es immer in der ersten Stunde einen vergünstigten Eintritt", erklärt Eli vom About Blank. Eine Praxis, die vor Jahren noch gängig war. Andere Veranstalter:innen bieten für ihre Community, etwa über einen nicht-öffentlichen Link, günstigere Tickets an. Und immer öfter findet man bei Partybeschreibungen den Hinweis, dass man sich an die Promoter:innen wenden könne, wenn man sich in einer finanziell schwierigen Lage befindet. Vereinzelt bieten Partys auch Vergünstigungen für Leute an, die ihren Berechtigungsnachweis für Sozialleistungen mitbringen. All das löst jedoch nicht das Problem, das schon während der Pandemie offenkundig wurde: Der Clubbetrieb ist an vielen Stellen prekär. Auch, wenn die 20 Euro Eintritt anderes suggerieren.

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