Deep House Geschichte – ein Begriff im Wandel
Deep House. Bei diesem Stichwort klingelt es. Von den Elektro-Affinen bis zu den Gelegenheits-Radio-Hörern ist Deep House für viele ein Begriff geworden. Kaum ein Genre aus dem Techno/House-Kosmos konnte sich in den letzten Jahren einer solchen Popularität erfreuen und ein solch immenses Wachstum verbuchen. Mit seiner starken Ausbreitung allerdings kam auch die Problematik, dass der Begriff als solches immer schwammiger wurde.
Die Geschichte der elektronischen Musik reicht weit in die Zeit zurück und beinhaltet zahlreiche KünstlerInnen, Genres und Spielarten. In dieser Rubrik wollen wir euch einzelne geschichtliche Aspekte näherbringen und in den Kontext aktueller Techno- und House-Musik setzen. In jedem Artikel der Reihe 'Geschichte' befassen wir uns mit einem bestimmten Zeitpunkt oder Genre, um die Geschichte der elektronischen Musik greifbarer zu machen.
Was ist überhaupt Deep House?
Stellt man diese Frage generationen- und szeneübergreifend, werden ganz verschiedene Antworten genannt und Tracks gespielt, die nur wenige Gemeinsamkeiten haben. Der Deep House in der Panoramabar wird komplett anders klingen als eine Deep House Party im Go Parc. Trotzdem findet man an beiden Orten begeisterte Fans des Genres, welche eine klare Vorstellung von Deep House und dessen Klang besitzen. Über die vielen Jahre seit seiner Entstehung hat der Begriff immer weitere Formen angenommen und wurde in immer neue Kontexte eingebettet.
Für Puristen und Zeitzeugen ist klar: Deep House, das ist Chicago an der Schwelle zu den 90ern mit etwas New York und Detroit gemischt. Eine andere Gruppe wiederum verortet das Genre aktuell im europäischen Raum. Hier fallen Namen wie Âme, Solomun oder keinemusik. Der Großteil der Hörerschaft (die szenenexterne Gruppe) allerdings kennt Deep House aus dem Radio. Hier dürften vor allem Wankelmut, Klangkarussell, Bakermat oder auch Robin Schulz genannt werden.
Wie gehen wir also nun mit dieser Masse an verschiedenen Ansichten um und bringen Ordnung in das Chaos? Mittlerweile gibt es einige Erklärungsansätze, welche jedoch dem ganzen Phänomen nur unzureichend gerecht werden. Um sich diesen Ansätzen allerdings zu nähern, bedarf es zunächst einer grundlegenden Übersicht über die Entwicklung und Differenz der verschiedenen Deep House Stile. Die Geschichte des Genres ist natürlich nicht immer linear verlaufen und lässt sich in den Details auch kaum allumfassend abbilden, dennoch kann man Deep House grob in drei verschiedene Phasen einteilen:
1. Der Beginn - Die Achse Chicago, New York, Detroit
Der Beginn des Deep House wird im Allgemeinen auf das Jahr 1986 zurückdatiert. In Chicago erhebt sich um dieser Zeit herum, aus der Disco- und Funk-Musik, der House. Neben Pionieren wie Frankie Knuckles oder Marshall Jefferson macht auch ein gewisser Larry Heard aka Mr. Fingers (oder zusammen mit den Sängern Robert Owens und Ron Wilson als Fingers Inc.) auf sich aufmerksam. Mit seinem Track „Can You Feel It“ gilt er bis heute als der Begründer des Deep House.
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Im Gegensatz zu anderen zeitgenössischen House-Produktionen, bspw. von Marshall Jefferson, besticht Larry Heard durch besondere Eigenheiten: Das gemächliche Tempo, der jazzige Sound und die eigenwillige harmonische Ästhetik, die durch das Pitchen der gesampelten Akkorde entsteht (ein Akkord wird in derselben Lage auf verschiedene Tonhöhen gepitcht, wodurch der diatonische Raum verlassen wird), sind bis heute charakteristisch für diese Form des Deep House. In den folgenden Jahren schwappt der Stil durch die USA und findet in New York und Detroit neue Künstler, die das Genre aufgreifen, verarbeiten und verändern. Anfang der 90er Jahre erscheint Kerri Chandler auf der Bildfläche, seine Vorstellung von Deep House, die sich mit dem New Yorker Garage House vermischt, wird international bekannt und bis heute gilt Chandler als einer der größten Deep House Artists.
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Mitte der 90er bekommt dann auch Detroit mit Theo Parrish und Moodymann zwei der bekanntesten Deep House Produzenten. Der in Chicago geborene Parrish mit seinem starken Bezug zum Jazz und Moodymann mit seinem Hang zum eigenwilligen Sampling bringen jeweils einen neuen Ansatz in den Deep House. Beide verbindet ihre Komplexität, die sie dem Genre hinzufügen. Sie brechen mit dem gewohnten Four to the floor, bedienen sich gelegentlich am Detroit Techno und spielen mit Songstrukturen. Ihre Tracks variieren von groovy-eingängig zum Sperrigen. Trotz ihrer Verspieltheit und Eigenständigkeit bleiben sie in ihrem Werk fast durchgehend ihren Wurzeln treu. Soul-Samples, Jazz-Harmonien und schwarze Kultur durchziehen ihre gesamte Diskographie und verbindet sie mit den Ursprüngen der House-Musik.
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2. Der Europäische Stil – Verschmelzung mit Techno
Ende der 2000er Jahre entwickelte sich größtenteils in Europa und Deutschland ein neuer Deep House Stil. Auffällig hierbei ist die teilweise Abkehr von den prägenden Jazz-Harmonien des ursprünglichen Deep House. Statt auf den Black-Culture-Wurzeln basiert der europäische Stil wieder vermehrt auf klassischeren harmonischen Bezügen und bewegt sich mehr im bereits angesprochenen diatonischen Raum. Gleichzeitig entfernt sich dieser Stil auch von der organischen Komponente, die durch Soul- und Funk-Samples evoziert wurde. Vielmehr mischt sich der „moderne“ deepe House deutlich stärker mit Techno und Techhouse-Musik. Die Tracks gestalten sich deutlich kühler und technoider und die Qualität der Produktionen geht Richtung High-End.
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Labels wie Innervisions, Diynamik oder Life and Death stehen dabei für eine neue Welle in der Techno-House-Szene. Da sich ihre Musik weder dem Harten des Techno noch dem Disco-Touch von House zuordnen lässt, entsteht eine Leerstelle, die kurzerhand mit dem Begriff Deep House gefüllt wurde. Da sich dieser House aber nicht mit dem bereits bestehenden Begriff deckt, muss es eine andere Erklärung für die Kategorisierung geben, welche sich am ehesten mit der gemeinsamen Thematik oder Grundprämisse des aktuellen Deep House erklären lässt. Das „Deep“ lässt sich am hierbei mit einer emotionalen oder klangästhetischen „Tiefe“ erklären. Der dominante Faktor ist die oft düstere Grundstimmung und ein starker melancholischer Ansatz in der Musik. Am deutlichsten grenzt sich der moderne Deep House von seinen Wurzeln durch den Einsatz von Vocals ab. Statt Samples von alten Soul-Platten werden die Vocals größtenteils für den Track eingesungen und lassen sich in ihrem Stil am ehesten noch dem Indie Rock/Pop zuordnen.
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Eingängige Melodien und Vocals führen schlussendlich dann zu der immensen Beliebtheit, die der deepe House-Sound seit Mitte der 2010er Jahre erfuhr. Kein anderes Genre der Independent-Clubmusik erfuhr solch einen Aufschwung wie der Deep House. Die Szene produzierte mehr und mehr Hits und entwickelte sich dann in ihrer letzten Konsequenz hin zum Radio-Pop.
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3. Der Pop – Deep House in kommerziellen Bereichen
Neben Hits von Solomon, Koletzki und Co., welche sich zwar dem Pop nähern aber durchaus noch in der House/Techno-Szene zu verorten sind, treten auch Künstler wie Bakermat, Robin Schulz oder Wankelmut in das Licht der Öffentlichkeit. Mit ihnen kommt Anfang der 2010er der Sound ins Fernsehen, läuft im Radio, stürmt weltweit die Charts und macht einige wenige Protagonisten sehr reich.
Die düstere Atmosphäre weicht einer entspannten Wärme, kühle Synthie-Flächen werden zu organischen Samples aus Gitarre oder Saxophon und die traurige Melancholie wird ersetzt durch eine poppige Sehnsucht nach dem Schönen. Harmonisch und strukturell setzten Tracks wie beispielsweise One Day (Reconing Song) vor allem auf Vereinfachung, klassische Refrains und benutzen größtenteils Vocals aus der Singer-Songwriter-Szene. Die Lieder lassen sich mühelos auf einen Radioedit runterbrechen und sind – wenn man so will – nur noch durch die Wahl des Grundbeats als House zu bezeichnen.
https://www.youtube.com/watch?v=MXJDuEibo80
Erklärungsansätze und ihre Mängel
Deep House ist also vielfältig. Der Begriff war und ist einem historischen Wandel unterworfen und hängt vor allem auch von der Perspektive des Zuhörers ab.
Das wird nicht überall so empfunden: In einer anderen Erklärung wird schlicht die Deutungshoheit über den Begriff für sich beansprucht. Es gäbe einen „echten“ Deep House, der Rest ist fake. Hier wird eher aus einem chronologischem Gesichtspunkt argumentiert. Deep House in seiner Ursprungsform (also der Zeitpunkt seiner Entstehung) ist die reine Form, das Echte und Wahre. Hierbei wird allerdings verkannt, dass solche Genrebezeichnungen immer auch einem zeitlichen und gesellschaftlichen Wandel unterworfen sind. Der Subtext eines Begriffs ändert sich stetig und wird mit immer neuem Inhalt gefüllt. Es scheint also keine einfache Erklärung zu geben, was genau Deep House bedeutet, ein absoluter Anspruch auf eine Festlegung besteht nicht. Mehr erreichen kann man über eine geschichtliche Betrachtung des Genres: Dadurch können die verschiedenen Kontexte eingeordnet und ihr Verhältnis zu dem einenden Begriff Deep House geklärt werden.
1 Kommentare zu "Deep House Geschichte – ein Begriff im Wandel"
So ein Quatsch! Wie willst du denn die heutigen Produzenten des echten Deep House von dem Fake unterscheiden? Die Unterschiede sind so gewaltig, dass es einfach nur dumm ist, den kommerziellen Mist Deep House zu nennen. Sorry, Mist sage ich nur, weil es mir als Deep- und Soulful House DJ einfach überhaupt nicht gefällt und es mich tierisch nervt, wenn ich nach Deep House Playlists suche und fast nur den kommerziellen Teil finde. Nicht vergleichbar mit den heutigen Produzenten von echtem Deep House: Kerri Chandler, Fred Everything, Jimpster, Mike Dunn, Jovonn, Demarkus Lewis, Dirtytwo, Oscar P, usw..
Die Personen, die die kommerzielle Richtung Deep House genannt haben sind entweder dumm oder unwissend oder beides. DJ Crash
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