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Musik zum Wochenende: Die großen Melodien des Angelo Badalamenti

Musik zum Wochenende: Die großen Melodien des Angelo Badalamenti

Features. 16. Dezember 2022 | 5,0 / 5,0

Geschrieben von:
Simon Ackers

Am Sonntag den 11. Dezember starb Angelo Badalamenti im Alter von 85 Jahren. Der Komponist bildete gemeinsam mit dem Regisseur David Lynch ein Duo, das mich seit meiner späten Jugend tief prägte. Düsterer Neo-Noir, verstörende Mystery-Einschübe und allerhand Absurditäten bis hin zur völligen Verwirrung, sind die prägnantesten Elemente aus Lynchs filmischen Werk. Doch der US-Amerikaner erschöpft sich nicht nur in der bloßen Dekonstruktion hollywoodscher Traumbilder, sondern sucht geradezu nach Momenten, in denen er ebensolche meisterhaft auf die Leinwand zaubern kann. Hauptanteil an diesen emotionalen Gipfelpunkten hatte Angelo Badalamenti. Ein Abschied in vier großen Melodien. 

Der schönste C-Dur Akkord der Seriengeschichte

"Keep building it, keep building it!". Das Video, in dem Angelo Badalamenti an seinem alten Fender Rhodes sitzt und die Entstehung von Twin Peaks nacherzählt, ist fast schon kultiger als die Serie an sich. Ob es sich wirklich so zugetragen hat, oder Badalamenti den Mythos ein wenig befeuern mag, sei mal dahingestellt. Es zeigt jedenfalls eindrucksvoll, wie kongenial das Duo ihre Visionen von Film und Musik miteinander verbunden haben. Lynch beschreibt sein Setting, Badalamenti formt es in Töne.

Laura Palmer's Theme nimmt eine fast omnipräsente Rolle in der Serie ein und sorgt mit seinem Höhepunkt für einen der schönsten Momente der Seriengeschichte. Die Einleitung des Pilots endet mit einer Kamerafahrt durch die leeren Gänge des Schulgebäudes, im Hintergrund läuft der düstere C-Moll Vamp (der später durch Mobys 'Go' zum Welthit avancierte). Plötzlich bricht die Melodie aus und beginnt ihren Aufstieg. Ein kurzer C-Dur wird angedeutet, dann ein E und ein F-Moll. Der Kampf zwischen Hell und Dunkel beginnt. Die Kamera kommt zum Stehen, zoomt in eine Vitrine rein und endet auf dem Bild der Ballkönigin Laura Palmer. Im Hintergrund gelingt der Melodie endgültig ihr finaler Durchbruch und es ertönt ein strahlender C-Dur. Oh Angelo, that's tearing my heart out! Aus den tiefsten Schatten, in das gleißende Licht - und wieder zurück. Was für eine Exposition!

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Der F-Moll wird zur Moll-Subdominante und führt uns zu C-Dur. Ein klassischer und immer wieder herrlicher harmonischer Kniff. Später fallen wir über einen F-Dur zurück zu C-Moll.

Der Mythos der Liebe

In Blue Velvet taucht Badalamenti das amerikanische Kleinstadtidyll in einen klassisch noiren Klangteppich, der die tiefen Abgründe hinter der sauberen Fassade hervorbringt. Als Kontrast dazu schreibt er mit 'Mysteries of Love' ein poppiges Thema, das im Laufe des Films immer stärker herausgearbeitet wird und schließlich von Julee Cruise ins Mikrophon gehaucht wird. Kurz nachdem Jeffrey mit dem Schrecken in seiner kleinen Heimatstadt konfrontiert wird, und dabei gleichzeitig auch seine eigene dunkle, voyeuristische Seite erkennt, taucht das Liebesthema erstmals auf. In einer herrlichen und triefend kitschigen Szene, monologiesiert Laura Dern, selbstverständlich vor einer Kirche, über das Gute und Schöne auf der Welt, während eine Orgel sanft 'The Mysteries of Love' anstimmt. Die schönste Version aber gehört dem 'French Horn Solo'. Das einsame Blasinstrument war schon in der romantischen Sinfonik äußerst beliebt und gehört spätestens seit John Williams zur absoluten Champions League der hollywoodschen Leitmotive (man erinnere sich an den jungen Luke Sykwalker, der im Sonnenuntergang von Tatooine steht und das Horn setzt zum Macht Thema an).

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Herzzerreißende Nostalgie 

Kleine Spoiler-Warnung. Mal wieder dem Tod durch Nichtstun entronnen, sitzt Dougie/Cooper mit zwei Gangstern in einem edlen Restaurant. Im Hintergrund spielt ein Mann sanfte Lieder auf seinem Flügel und aus dem Nichts setzt das Klavier zu einer Melodie an, die sofort Dougies volle Aufmerksamkeit erhascht. Vier Noten, die quälend langsam nach oben wandern. d - e - f und dann endlich das hohe a, das mit mit dem g in der einsetzenden linken Hand zu einer bittersüßen Dissonanz wird. Irgendwas liegt in dieser Melodie, das nostalgische Erinnerungen an ein Früher in Dougie weckt. Das Publikum kennt dieses Früher natürlich und es liegen elf lange Folgen hinter uns, in denen man darauf hofft, dass Dougie sich endlich wieder erinnert. Doch auch in diesem herzzerreißenden Moment soll es nicht sein. Selbst dann nicht, wenn der Kirschkuchen auf den Tisch kommt. Badalamenti zitiert in 'Heartbreaking' offensichtlich Lucio Dallas Hit 'Caruso', der dem italienischen Opernsänger Enrico Caruso gewidmet ist. Dalla hat diese Musik selbst dem neapolitanischen Lied 'Dicitencello vuje' aus den 30er Jahren entnommen. Eine Melodie also, die nostalgischer gar nicht sein könnte.

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Ohne große Umwege geht Badalamenti emotional direkt in die Vollen. Er eröffnet mit einem wunderbaren Gm9 und beendet die erste Phrase mit einem Dm9.

Love don't go away

Die letzte Melodie möchte ich ohne viele Worte einfach wirken lassen. Es ist der Höhepunkt der zweiten Twin Peaks Staffel und David Lynch überlässt ihn ganz Angelo Badalamenti und Julee Cruise, die auf tragische Weise am 09. Juni 2022 starb.

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Veröffentlicht in Features und getaggt mit Angelo Badalamenti , David Lynch , Julee Cruise , Twin Peaks

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