Wem gehört die Musik, wer darf sich Ideen, Melodien, Rhythmen oder sogar Vibes auf die Fahne schreiben? Eine gewichtige Frage, die sich durch einen Großteil unserer (vermehrt der modernen) Musikgeschichte zieht. Der YouTuber und Jazzmusiker Adam Neely hat dazu, wie immer, kluge Gedanken geäußert. Sein finaler Lösungsvorschlag ist ebenso interessant wie diskussionswürdig.
"Dat hat der doch bei XY geklaut!". Diesen Satz, je nach Region mit anderem Akzent, dürfte jede:r schon mal gesagt oder zumindest gedacht haben, während man gerade Musik hört. Dass das Wort 'klauen' unsere erste Assoziation ist, wenn man ähnliche bis identische musikalische Phrasen oder Ideen hört, könnte vermutlich ganze Arbeiten füllen. Es zeigt direkt, dass wir einen wie auch immer gearteten Besitzanspruch mit Musik verbinden, der aus unserem Copyright oder Begriff des geistigem 'Eigentum' entspringt. Während man für sich selbst diesen Satz nur mal eben so daher sagt, kann das für andere richtig teuer werden. Denn, vor allem in den USA, landen immer mehr solcher Fälle vor Gericht.
Adam Neely, seines Zeichens YouTuber, Jazzmusiker und Verfechter des Gedankens von Musik als universale Sprache, widmet sich dem Thema des Copyrights schon seit mehreren Jahren. Immer wieder analysiert er die absurden Rechtsprechungen in Fällen wie dem 'Ed Sheeran vs. Marvin Gaye' Fall, 'Katy Perry vs. Flame', oder 'Pharrell vs. wieder einmal Marvin Gaye'. "As a musician, I don't feel particularly protected by copyright law. I feel rather threatened in fact", lautet eine seiner Aussagen (die hier freilich etwas aus dem Kontext gerissen ist).
In seinem neusten Video geht es wieder um das Copyright, Besitzansprüche und wie sich das in den kommenden Jahren dramatisch verändern könnte. Derzeit sehen wir etwas, was es bisher in dieser Häufigkeit und vor allem mit so einem Volumen nicht gegeben hat. Major Labels kaufen für irre Summen die gesamten Kataloge von den Superstars der Musik. Absolute Schwergewichte wie Sting, Bob Dylan, Stevie Nicks oder Shakira verscherbeln ihre Songrechte. Für die Musiker:innen ist das ein leichter Deal. Schließlich lebt man nur einmal und bekommt für die Musik mehr Geld, als man überhaupt zählen kann. Labels können damit, dem Streaming sei Dank, eine fortwährende Einnahmequelle erwerben. Hat man dann erstmal die Rechte von etlichen Großkalibern in der Tasche, lässt es sich im Hinterzimmer mit den Streaminganbietern noch besser verhandeln und auf den Plattformen selbst noch mehr verdienen. Dazu kommt selbstverständlich noch die Zweitverwertungen in Film, Serien und Werbung.
Doch neben dem Besitz der einzelnen Alben und Titeln, gibt es eine vermutlich noch viel dramatischere Entwicklung. Zusätzlich erwerben die Labels einen riesigen Pool an musikalischen Ideen und Melodien. Gleichwohl sie am 'schöpferischen Akt' keinerlei Anteil haben, dürfen sie nun das Erbe, oder vielmehr das geistige 'Eigentum' verwalten. Das führte schon zu absurden Geschichte, als die kleine Kneipe 'The Hobbit' plötzlich Abmahnungen aus Hollywood bekam. Ob das im Sinne von J.R.R Tolkien gewesen wäre, darf stark bezweifelt werden. Im Falle der Musik, wie Neely anhand von Thelonius Monks 'Rhythm-a-ning' zeigt, wird es noch heikler.
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Musik, Melodien, Phrasen und Rhythmen sind Teil einer gemeinsamen gesellschaftlichen Sprache. Wir drücken uns mit Musik aus, und greifen dabei auf erlerntes und gehörtes Wissen ganz intuitiv zurück. Sofern man sich nicht in völlige atonalität begibt, bewegt man sich in einem 'begrenzten' Raum an Begriffen und Formeln (vor allem im Pop). Rein statistisch werden also im Laufe der Jahre immer wieder gleichartige bis identische Ideen auftauchen. Einen Großteil, und vor allem die bekanntesten Beispiele, musikalischer Ideen in den Händen weniger Labels zu wissen, erscheint also weniger beruhigend. Wer so viel Geld für etwas ausgibt, wird diese Sache auch bitterlich verteidigen. Erst recht wenn man an dieser Musik gar keinen handwerklichen Anteil hatte, sondern nur das bloße Endprodukt mit seinen 'geschützten' Ideen vor sich hat.
Adam Neely bringt einen Lösungsvorschlag ein, den wir bereits aus dem Wissenschaftskontext kennen. Statt Copyright soll zitiert werden. Lieder bekommen demnach, wie eine Hausarbeit in der Uni, ein Quellenverzeichnis. Dadurch sollen Musiker:innen sich selbst absichern und gleichzeitig auf ihre Inspiration aufmerksam machen. Beidseitig könne man davon demnach also profitieren, ganz ohne einen potenziellen 'Zwischenhändler', der Rechte an etwas erwerben kann, dessen geistiger Urheber er oder sie nicht ist. Ein spannender Gedanke, der natürlich nicht frei von utopischen Welten ist. Eine weltweit einheitliche Zitierweise müsste errichtet werden, Musiker:innen sich fortan mit einer sauberen Quellenangabe herumschlagen. Zumal auch nicht immer klar ist, wo sich wissentlich bedient wurde oder wo es schlicht spontan entstanden ist. Dennoch, wäre Neelys Vorschlag vermutlich weitaus näher an der musikalischen Realität als unser jetziges System, in dem wir einzelnen Personen, teils recht willkürlich, Rechte an bestimmten Phrasen zugestehen.
Ganz ohne eine Musikempfehlung wollen wir dann aber doch nicht ins Wochenende gehen. Diese kommt diesmal von Iron Curtis, mit dem ich unter der Woche ein ungewöhnliche offenes und erhellendes Interview über das Machen von Musik führen durfte. Womit wir dann auch wieder bei dem Thema Musik, eigene Ideen und Inspiration wären.
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