Nachbericht: Krake Festival 2024 – Welle machen ist das Motto    

Nachbericht: Krake Festival 2024 – Welle machen ist das Motto    

Features. 1. Juli 2024 | 4,6 / 5,0

Geschrieben von:
Wencke Riede

"Warum sind Künstler:innen mit Behinderungen in der Musikindustrie immer noch nicht vertreten, selbst im inklusiven Bereich der elektronischen Clubkultur?". Diese Frage stellten sich die Veranstalter:innen des diesjährigen Krake Festivals und kuratierten ein inklusives Künstler:innenaufgebot, das am dritten Juniwochenende durch die Hauptstadt tentakelte. Dabei kann es auch mal vorkommen, dass Dua Lipa das Berghain bespielt oder man Tom Cruise im Garten des ://about blank begegnet – was auch sonst. Aber das ist Krake eben. 

Doch erstmal zurück zum Anfang – zur Eröffnung, um genau zu sein. Die fand dieses Jahr an einem Dienstagabend im Berghain statt. Vor der Tür bildet sich nur eine kleine Schlange an Menschen, sodass Einlass und Ticketkontrolle innerhalb weniger Minuten vollbracht sind. Im Club trifft man auf Menschen, die Lust auf Show und Musik haben und gespannt darauf warten, was in den nächsten fünf Stunden auf der kleinen Bühne geboten wird.

Die Berliner Dragqueen Pansy tritt ins Scheinwerferlicht und sorgt mit wenigen Worten über Selbstliebe und Awareness für Jubel und Applaus. Krake steht schließlich für Diversität und Vielfalt – Werte, die nicht nur am Eröffnungsabend, sondern am gesamten Festival-Wochenende zu spüren sind. 

Tapetenwechsel im Berghain 

Dann beginnt die Show. Den Auftakt bildet Für Elise – ein Duo, das auch hinter dem Inklusionsprojekt Ick Mach Welle steckt. Am Mic: Elisa Neumann. An den Decks mit weißer Barock-Perücke: Kahn of Finnland. Auf pumpenden Dub-Rhythmen rappt die Afrodeutsche in Freestyle-Ambition über Sehnsüchte und Liebe. Danach folgt das Kollektiv Drag Syndrome. 2018 in London gegründet, vereint es Menschen mit Down-Syndrom, die auf der Bühne zu Drag Queens und Kings werden. In schrillen, glitzernden Outfits stürmen sie mit Hits wie "Born This Way" von Lady Gaga, "Lady Marmalade" von u. a. Christina Aguilera oder eben Dua-Lipa-Ohrwürmern die Bühne des Hains. Erst alle fünf gemeinsam und dann einzeln. Sie versprühen eine Energie, die von Fröhlichkeit gezeichnet ist. Ihre Perücken, die aufwendigen Kostüme, das Make-up – alles sitzt bis ins letzteDetail. 

Das Kollektiv Drag Syndrom
© Samual Dore

Später übernimmt das italienische Duo Hard Ton mit glitzerndem Acid die Krake-Bühne, gefolgt von Sarah Sommers, die hinter ihren pinken Decks ein wummerndes Set für das mittlerweile tanzfreudige Publikum darbietet. Allmählich verhallen die letzten Popmelodien der vergangenen Acts und das Berghain verwandelt sich langsam in sein altvertrautes Club-Ambiente zurück. 

Dann entlässt die Krake ihre Besucher:innen in die restliche Woche. Beflügelt von den ersten Eindrücken dieses Abends und mit Neugier auf das bevorstehende Festival-Weekend eingestimmt, beginnt am Samstag der große Auftakt. Es ist das ://aboutblank, das seine Pforte für die diesjährige Krake-Ausgabe öffnet.  

Ein Garten voller Zynismus 

Die Sonne scheint an diesem Junitag, sodass sich die meisten Besucher:innen im Garten des Berliner-Clubs die Zeit vertreiben, ehe die ersten Acts die Bühne betreten. Die Stimmung ist ausgelassen. Hier und da bilden sich kleine Gruppen, die mit Bier oder Limo anstoßen. Während zwischen den Festival-Besucher:innen Kinder umhertollen, wird das Bühnen-Set-up errichtet. Die Atmosphäre des späten Nachmittags wirkt wie ein großes Gartenfest, das kurz den eigentlichen Anlass des Zusammenkommens vergessen lässt. 

Schließlich tut sich etwas auf der Bühne. Es ist die Techno-Band Wellen.Brecher, ebenfalls Teil des "Ick mach Welle"-Projekts, die die Menschen nun auf die Tanzfläche zieht. "Alles ist kaputt zu schlagen", ruft Frontmann Bläck Dävil ins Mikrofon, während er von punkartigen Drumrhythmen begleitet wird. Ihr Sound klingt augenzwinkernd und dennoch rebellierend und provozierend – das gefällt der Crowd, die nun beim "kaputt-mach-Song" mitsingen und ordentlich Dampf ablassen. Die gerade noch so verhaltene Stimmung unter den Menschen ist verpufft. 

Der nächste Act des Abends ist das Duo AUGN. Für ihr Bühnenbild entscheiden sich die beiden Punks, deren Köpfe mit Strumpfhosen überzogen sind – uns wundert nichts mehr –, für ein Tom-Cruise-Porträt. Grinsend und in überdimensionaler Größe blickt der Schauspieler auf die Tanzfläche. Was zunächst skurril wirkt, scheint nach ein paar Anschlägen des ersten Tracks bedeutungslos. Denn das, was AUGN darbieten, lässt selbst einen Tom Cruise im ://about blank belanglos erscheinen. Zynisch und aggressiv klingen die zwei.

Während der eine den Bass spielt, spricht der andere Texte ins Mikrofon, in denen er diverse Personengruppen aufs Korn nimmt. Er ahmt Influencer nach und stichelt gegen Zugezogene-Neukölln-Yuppies. Es ist ihre Skrupellosigkeit, die zunächst einschüchternd wirkt, dann für kleine Momente der Selbstreflexion sorgt und schließlich in lautem Gelächter mündet.    

Die Clubnacht beginnt 

Während es draußen dämmert, begeben sich die ersten tanzfreudigen Besucher:innen in die Innenräume. Die ersten Sets wummern durch die katakombenartigen Räumlichkeiten des ://about blank. Die verwinkelten Gänge führen durch den Club und offenbaren schließlich die Floors, auf denen bereits reges Treiben herrscht.

Drinnen ist von der einstigen Gartenparty-Atmosphäre nur noch kaum etwas zu spüren. Stattdessen sind es die Sets von DJs wie Elena Sizova, Jerome Hill und Nite Fleit, die an diesem Abend die Clubnacht eröffnen. Auch am Sonntag nimmt das Krake Festival weiter seinen Lauf, bis es dann seine Besucher:innen erschöpft und beglückt verabschiedet. 

Neben all diesen von Musik gefüllten Momenten hat die Krake auch in diesem Jahr bewiesen, dass eine Rollstuhlrampe, barrierefreie Zugänge und leichte Sprache in der Clubkultur nicht ausreichen, um von Inklusion sprechen zu können. "Das Besondere bei uns ist, dass wir auch im Line-up Künstler:innen mit Behinderung einbeziehen", sagt Nico Deuster, Gründer des Krake Festivals gegenüber dem Tagesspiegel. Und genau darum geht es: Den Menschen, die trotz wehender Diversity-Flagge der Clubkultur marginalisiert werden, eine Bühne zu bieten. Oder eben das DJ-Pult.   

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