Kurz vor dem KONTROL S8 kam NUMARK mit dem NV auf den Markt. Ein Controller, welcher ebenfalls auf integrierte Displays setzt. Ob es noch mehr Parallelen gibt, klärt sich bei der Vorstellung des Gerätes.
Bereits mit dem TOTAL CONTROL, einem der ersten DJ-Controller überhaupt, konnte der Hersteller aus Rhode Island, USA punkten. Als Quasi-Nachfolger ging der MIXTRACK über die Ladentheke, wie die sprichwörtlichen warmen Semmeln. Anschließend legte NUMARK mit dem NS7 die Latte auf höchstes Level. Ausstattungsmäßig und qualitativ. Als Partner für die Software kristallisierte sich dabei in den vergangenen Jahren SERATO heraus. So wundert es nicht, dass auch der NV auf SERATO DJ zugeschnitten ist. Wie ein Aufkleber auf der Verpackung wissen läßt, kommt der NV sogar inklusive dem frischen Feature "Serato Flip". Um den Kreis zu den Vorängern zu schließen: der NV passt in der Preislage, mit der Aussattung und der Qualität so ziemlich in die Mitte zwischen MIXTRACKund NS7.
Im Lieferumfang liegt, neben dem Controller, einem benötigten Netzteil und einem USB-Kabel, diverser Papierkram bei: Informationen zur Garantie, ein Quickstart Guide und die heutzutage obligatorischen Downloadanweisungen, welche die Datenträger mit Treibern und Programmen ersetzt haben. Mit dem NV erhält man die Vollversion von SERATO DJ sowie das bereits erwähnte Erweiterungspack für FLIP. SERATO ist mit Windows- und Mac-Rechnern kompatibel.
Die beiden Displays des NV wirken wie die Glocke in Pawlows Hundeversuchen und führen zu der Vermutung das Gerät könne auch ohne angeschlossenen Computer arbeiten. Dem ist nicht so. Mit SERATO DJ steht der NV plug`n play zum Einsatz bereit. (Fast) alle Bedienelemente der Hardware korrespondieren mit der Software und viele Informationen werden über die Displays des NV visualisiert. Anderen DJ-Programmen, wie TRAKTOR oder VIRTUAL DJ, sind via MIDI-Mapping oder durch Presets Bedienelemente zuweisbar. Die Displays bleiben in diesen Fällen, abgesehen von einem Logo, allerdings dunkel. Der NV verfügt über ein eingebautes 24-Bit Audio-Interface mit vier Kanälen. Der NUMARK NV ist als Steuerzentrale für vier Decks in SERATO DJ konzipiert. Eine Grundfläche von 55 x 34 x 5cm ist klassisch aufgeteilt. Ein typisches DJ-Triptikon: mittig ein Mixerteil, seitlich davon zwei doppelt nutzbare Decks zur Fernbedienung der Software. Durch seine kompakten Maße und mit einem Gewicht von wenig mehr als drei Kilogramm ist der NV sehr transportabel.
Außer einem AUX / Mikrofoneingang, der auf das Master- und Boothsignal durchgeschliffen wird, gibt es keinerlei Zuspielmöglichkeiten für externe Quellen. Gemischt wird was die Software hergibt. Ein Routing ist bei SERATO DJ nicht notwendig. Programm starten und loslegen. Das Layout des Mixerparts ist übersichtlich und - im eigentlichen, wie im übertragenen Sinn - klar.
Zuunterst findet sich ein austauschbarer Crossfader. Der Kurvenverlauf ist zwischen zwei festen Einstellungen umschaltbar. Optional kann ein Faderstart für die Softwaredecks ausgelöst werden. Über dem Crossfader sind die vier 45mm Kanalfader als 3-1-2-4 angeordnet. Deck 1 und 2 der Software liegen folglich auf den Kanälen in der Mitte, Deck 3 und 4 auf den äußeren Kanälen. Flankiert ist jeder Kanal mit einer kleinen LED-Levelanzeige.
Den Fadern folgen die Wahlbuttons für das Vorhören und Zuweisung des Crossfaders. Jeder Kanal besitzt einen großen, bipolaren Filterknob, einen 3-Band-EQ mit kleineren Knobs und einen Gainregler. Haptisch einwandfrei, finden auch dicke Finger genügend Platz zum drehen und schrauben. Die 3-Band Klangreglung läßt sich temporär in einen "Touch Modus" schalten. Eine Berührung des Knobs aktiviert eine "Kill Funktion" im entsprechenden Frequenzbereich. Auch beim Filter sind Filter-Roll und -Effekte zuschaltbar. Zudem kann jedem Kanal eine der beiden Effekteinheiten der Software zugewiesen werden. In Summe ausreichend Potential für jegliche Art von Soundmanipulationen.
Im oberen Teil des Mixerparts sind die Regler für den Master- und den Boothausgang, sowie für den externen Eingang untergebracht. Wählbar ist dieser für Mikrofon oder Line, was zu einem kurzen Blick auf die Rückseite einlädt.
Der Anschluss für das Mikro ist als 6,3mm Klinke ausgelegt, der AUX-In als Cinch. Ebenfalls als Cinch können Booth und Master abgegriffen werden. Das Mastersignal wird auch symmetrisch auf XLR ausgegeben. Ein USB-Anschluss und die Buchse für das Netzteil vervollständigen die Riege. NUMARK hat an die Sicherheit gedacht und spendiert dem Netzkabel eine Vorrichtung gegen unfreiwilliges Herausziehen.
An der Vorderseite finden sich links zwei Buchsen (6,3mm und 3,5mm Klinke) für den Kopfhörer. Die Lautstärke und das Mischungsverhältnis des Vorhörsignals, sowie eine "Split-Cue" Option wird an der rechten Vorderseite geregelt. Persönlich sehe ich solche Regler weit lieber auf der Geräteoberfläche. Auch beim Transport tendieren derart herausragend positionierte Teile zum Problemfall.
Übersichtlich ist das Layout der Decks: sechzehn anschlagdynamische Triggerpads, hintergrundbeleuchtet und insgesamt in zehn Modi nutzbar. Mit 21x14mm sind die Pads allerdings eher klein bemessen. Ebenfalls nicht allzugroß ist das darüberliegende 5" Jogwheel, natürlich touchsensitiv. Seitlich davon ein 100mm Pitchfader, darüber die Zuschaltung für den Slip-Mode. Über dem Jogwheel liegen die Buttons und Regler für die Effektsektionen. Diese sind, wie die EQs, optional berührungsempfindlich.
Neben den Jogwheels dominieren zwei 4,3" Farbdisplays die Optik. Auf diesen werden gut ablesbar die Ansichten aus der Software übertragen. Ansinnen von NUMARK ist es, dass der Rechner zur Seite gestellt werden kann. Alle notwendigen Informationen zur Trackinfo, zu Einstellungen, Effektparametern, Loops, Cuepunkten etc. werden im Display visualisiert. Über seitlich angebrachte Buttons an den kleinen Bildschirmen (es sind keine Touchscreens!) lassen sich Funktionen wie browsen, Track laden und so weiter direkt anwählen. Was in der Praxis keine lange Einarbeitung voraussetzt. Apropos Praxis.
Durch den klassischen Aufbau findet man sich am NUMARK NV schnell zurecht. Lediglich die Regler für Mikrofon und AUX rufen mir Fragezeichen ins Gesicht. "MIC Tone", einstellbar zwischen Minimum und Maximum? Daneben ein Gainregler? Ein kurzer Versuch liefert die Erklärung: Über Umschaltung sind AUX oder MIC nutzbar, der Gain regelt beide, "Tone" bezieht sich auf die Klangfarbe des Mikros. Kleine Unlogik in der Beschriftung, verständlicher wäre die Benennung "Bass und Treble".
Ansonsten ist der Mixer so übersichtlich, wie funktional. Bei der Haptik habe ich keine Einwände, ausgenommen die Buttons fürs Vorhören. Bei meinem Testgerät braucht es ordentlich Druck um diese ein- bzw. auszuschalten. Auch das Einstellen des Kopfhörermixes ist durch die Postition und billig wirkende Regler friemelig. Da bin ich, vom DJ-Mixer kommenden, mehr Komfort gewohnt. Im Gegensatz zu mir werden viele Controller-DJs das kleine Manko allerdings gar nicht bemerken, da sie schlicht keinen Kopfhörer(mix) nutzen.
Die Displays ermöglichen verschiedene Grundeinstellungen. Hier kann zum Beispiel die Pitchrange von 8% auf 16% oder 50% umgestellt werden. Über die Buttons am Display lassen sich Grids in der Software bearbeiteten oder das Tempo tappen. Nicht zuletzt gibt es eine Browseransicht, reduziert auf Artist, Titel und BPM. Etwas nachteilig ist, dass beide Displays die gleiche Browseransicht anzeigen. Auch die beiden verfügbaren Deck- bzw. Waveformdarstellungen sind keine 1:1 Spieglung der Anzeige in der Software, sondern "abgespeckt.
Nebenbei bemerkt ist es nicht möglich die Waveform, wie bei SERATO gern genutzt, übereinander zu legen. Als kleine Orientierungshilfe beim Beatmatching gibt es an der Hardware ein "BPM-Metering" mit elf LED. Wer sich gar nichts erst mit dem Angleichen der Tracks befassen will, der findet sein Heil in der SYNC-Funktion.
Mit den Effektreglern können einzelne Parameter eines Effektes oder drei Multieffekte gesteuert werden. Informationen zu den aktiven Effekten werden im darüberliegenden Display angezeigt. Wirklich eine kreative Spielwiese sind die kapazitiven Regler, ein Feature welches ich anfänglich eher mit "wer braucht denn sowas" bedacht hätte.
Unterm Jogwheel, das mit "Scratchen, Pitchen, Scrollen" macht was es soll, leuchten die Performance-Pads. Und zwar je nach gewählter Funktion andersfarbig. Cues, Loops, Sampler, Slicer .... alles da. Doch wo ist "Flip"? Der NV kommt inklusive einem Gutschein für die neue SERATO-Erweiterung und vom Marketing ist mir "Der erste Controller für Flip" in Erinnerung. Letztlich finden sich die gesuchten Funktionen, gemappt auf die Parametertasten der Pad-Sektion. Als Hintergrund vermute ich, dass in letzter Sekunde das neue Feature der Software noch mitgenommen werden sollte. Eigentlich lobenswert von NUMARK, wenn auch hardwareseitig nicht mehr direkt darstellbar. Erstmal zumindest, die zweite Produktionscharge könnte schon dedizierte Flip-Buttons aufweisen. Dann macht der Aufdruck "This NV comes with SERATO FLIP" doppelt Sinn.
Fazit: Für aktuell 729 Euro bekommt man eine ordentliche und umfangreiche Kontrolleinheit für einen mitgelieferten Softwareklassiker in 4-Deck Vollversion. Der Preis stimmt, die Möglichkeiten sind enorm. Trotzdem würden sich die DJs der mobilen Gilde, für die der NV durchaus eine Empfehlung ist, über mehr externe Zuspielmöglichkeiten, eine (mit XLR und EQ) erweiterte Mikrofonsektion oder eine Tastaturoption, für eventuelle Sucheingaben, freuen. Im Gegensatz dazu tauschen User mit Remixfaible eventuell die Jogwheels gegen größere Performance-Pads. Der Volksmund bemerkt passend: "Allen Leuten Recht getan, eine Kunst die keiner kann".
Der Unterschied zum KONTROL S8 von NATIVE INSTRUMENTS liegt vor allem darin, dass NUMARK am klassischen, deckbezogenem DJing festhält. Mit ihrem Verzicht auf Jogwheels gehen die Berliner einen Schritt weiter. Meiner Ansicht nach liegt da die Zukunft. Für NI, die auch die Software TRAKTOR entwickeln, ist es allerdings einfacher ganzheitliche Konzepte konsequent umzusetzen.
Abschließende Frage: Wofür steht NV? Der Hersteller überläßt das der Phantasie und meine würde sagen "Now Visual". Visuelle Darstellungen an der Hardware liegen im Trend. Man denke an Maschine, den erwähnten S8 oder auch ABLETONs Push. Man scheint sich einig: Das Augenmerk soll weg vom großen Bildschirm. Das ist nachvollziehbar, nach meiner Meinung erleben wir hier aber gerade erst die Anfänge. Wahrscheinlich wird NUMARK mit Updates die Anzeigemöglichkeiten ausbauen. Letztlich ist aber "100% Standalone" das Motto. "Auflegen ohne Rechner." Immer wieder gewünscht, vergisst man gern, dass dann der "Rechner" in der Hardware steckt. Dafür ist es wohl noch zu früh. In wenigen Jahren werden die technischen Möglichkeiten jedoch potent genug sein, dann machen auch Displays so richtig Sinn. Bis dahin sind sie ein Übergang, wie es DVS von Vinyl zum Controller war. NUMARK ist mal wieder ganz vorn dabei.
Preis: 729 699 Euro BEI THOMANN
Microseite zum NV bei NUMARK (deutsch)
Kleines PS zu den Bildern: Was teilweise etwas "angefressen" aussieht, ist eine Schutzfolie. Auch auf den Jogwheels klebt diese noch. Ohne Folie würde der NV natürlich makellos glänzen.
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