Porträt: Clubcommission Berlin – Die Lobby der Clubszene
Wirtschaftlich und kulturell gesehen ist die Clubszene ein bedeutender Standortfaktor der Hauptstadt. Leider heißt das nicht automatisch, dass VeranstalterInnen politisch mitreden dürfen. Die Berliner Clubcommission hat es sich zur Aufgabe gemacht, der Szene eine geeinte Stimme zu verleihen.
Clubs und VeranstalterInnen sind Teil eines lebendigen Gefüges an StadtakteurInnen, deren Interessen sich bei der Stadtgestaltung oft stark entgegenstehen. Für Clubs äußert sich das immer häufiger in der Form von Verdrängung oder Konflikten, wie zum Beispiel für die Griessmühle oder den KitKatClub. Wer verteidigt Open-Air-Freiflächen vor Investment-Spekulation? Wer stellt sich an die Seite von bedrohten Clubs? Hier kommt ein in im Jahr 2000 gegründetes Berliner Bündnis aus Club-, Festival- und KulturveranstalterInnen ins Spiel: Die Clubcommission. Unter den aktuell rund 250 Mitgliedern finden sich zum Beispiel die Clubs ://about blank, Tresor und Kater Blau, die Vereine Clubliebe und Zug der Liebe sowie das Feel Festival.
Die Clubcommission hat es sich zur Aufgabe gemacht, der Berliner Szene eine geeinte Stimme zu geben, die gerade in Zeiten von Clubsterben und der Bedrohung alternativer Kulturräume besonders wichtig ist, wie Pressesprecher Lutz Leichsenring erklärt: „Wir sind das Sprachrohr für Berliner Clubs und Veranstalter. Unser Ziel ist es, Zugang zu schaffen zu Entscheidern und zur Öffentlichkeit, Bewusstsein zu schaffen, für was die Clubkultur steht, wer sich dahinter verbirgt und was deren Probleme sind.“
Damit ist die Clubcommission so etwas wie die Lobby der Berliner Clubszene, die ihre Interessen und Anliegen in politische Debatten trägt. Doch wie soll das gehen – mehr Wertschätzung für eine Szene, die allzu oft nur mit Drogen, Lärm und Exzessen in Verbindung gebracht wird? Das erfordert viel Kontaktpflege und Basisarbeit. Schließlich kann man nicht unbedingt davon ausgehen, dass sich jedeR PolitikerIn etwas unter dem Begriff „Clubkultur“ vorstellen kann. „Wir haben dazu extra eine Studie gemacht, weil jeder mit diesem Begriff hantiert hat und es uns sehr wichtig war, diesen einmal wissenschaftlich zu untersuchen und einzugrenzen.“
Diese Studie aus dem Jahr 2019, die in Zusammenarbeit mit Musik- und MedienwissenschaftlerInnen entstanden ist, betont die soziale, die ästhetische und die ökonomische Dimension der Clubkultur und damit die vielschichtige Bereicherung, die die Club- und Eventlandschaft für die Stadt darstellt. Die Studie beschreibt, dass Clubs einen Schutzraum für bestimmte Communitys bieten und ein kuratiertes Programm mit künstlerischem Anspruch haben. Und sie beziffert zum ersten Mal den wirtschaftlichen Faktor der Hauptstadt-Clubszene: Im Jahr 2018 kam ein Drittel aller TouristInnen wegen der Clubkultur nach Berlin. Damit bescherten sie dem Land ganze 1,48 Milliarden Euro.
Clubkultur für die Stadt der Zukunft
„Gerade in Zeiten, wo Städte gesichtsloser werden, dominiert werden von irgendwelchen Ketten, aalglatte Menschen zu ihrem persönlichen Profit viel Einfluss bekommen, ist die Clubkultur sehr wichtig für unsere Stadtgesellschaft“, betont Leichsenring. „Mitmachen, mitgestalten ist wichtig, nicht nur ZuschauerIn sein, TeilnehmerIn sein. Das hält eine Stadt interessant und zukunftsträchtig. Dieses Bunte und Unangepasste symbolisiert die Clubkultur in vielerlei Hinsicht.“ In einer globalisierten Welt, in der die Städte miteinander in Konkurrenz stehen, sei eine aktive Clubkultur daher auch ein Standortfaktor. Genau das versucht die Clubcommission der Politik zu vermitteln. „Es ist nicht so einfach, den Bogen zu spannen zwischen einer florierenden Start-up-Szene und einer unbequemen Clubkultur. Darum braucht es Institutionen wie unsere, um das zu erklären“, führt Leichsenring aus. Dafür macht er dann auch mal Touren durchs Nachtleben mit Mitgliedern der Jungen Union.
Wie organisiert sich das Bündnis denn eigentlich? Die Clubcommission hat zwar bezahlte Kräfte, lebt aber von der Arbeit der Ehrenamtlichen. Nach dem holocracy-Konzept, das hierarchiearme und selbstorganisierte Arbeitsstrukturen vorsieht, ist der Verein in thematische Arbeitsgruppen aufgeteilt, die zum Teil aus bis zu 150 Leuten bestehen. Das ermöglicht es der Clubcommission, sich regelmäßig in politische Debatten einzumischen. SprecherInnen des Vereins sitzen häufig auf Podien, in Diskussionsrunden oder auch mal bei einer Anhörung im Bundestag. Dabei geht es oft darum, die kulturpolitischen und rechtlichen Rahmenbedingungen für Clubs zu verbessern.
Aktuell kämpfen die Mitglieder der Clubcommission dafür, Clubs auf Verwaltungsebene als kulturelle Einrichtungen anstatt als Vergnügungsstätten zu klassifizieren, damit sie baurechtlich nicht mehr mit Bordellen und Casinos gleichgestellt werden. Denn das zwingt die Clubs dazu, auf dem Markt um Mietraum zu konkurrieren und bedroht sie infolgedessen durch Gentrifizierung und Immobilienspekulation. „In einer Stadt, die attraktiver wird, ist die Szene oft Opfer ihres eigenen Erfolgs“, erklärt Leichsenring. „Das heißt, wir verlieren diese Orte, weil die Stadt attraktiver und damit teurer wird. Dann müssen wir in einen Dialog treten mit der Politik, um zu erklären, warum wir wichtig sind, weil Entscheider die Zusammenhänge nicht verstehen.“
Diese Nähe zur Politik wird allerdings innerhalb der Szene nicht nur positiv aufgenommen. „Es gibt auch Akteure in der Clubszene, die sagen, wir müssen uns komplett loslösen von jeglichen politischen Kontakten und wir müssen zwar politisch sein, aber nicht mit der Politik kooperieren. Das sehen wir anders. Wir glauben, dass Clubkultur Teil der Gesellschaft ist, aber dass das Verhältnis innerhalb der Stadtgesellschaft immer wieder neu ausgehandelt werden muss.“ (Finden wir auch, darum haben wir hier fünf Berliner PolitikerInnen über den Status quo und Zukunft der Clubkultur befragt.)
Netzwerkarbeit für die Community
Die politische Arbeit hat durchaus schon konkrete Früchte getragen. Dabei hat es die Clubcommission auch über die lokalpolitische Ebene hinaus geschafft, ihre Themen auf die Agenda zu setzen. Das Thema Clubkultur findet sich beispielsweise im Koalitionsvertrag der aktuellen Regierung wieder. Konkrete Projekte werden allerdings auf Landesebene umgesetzt. In Berlin verwaltet die Clubcommission ein Maßnahmenprogramm für den Senat, das den Schallschutz der ansässigen Clubs verbessern soll. Damit sollen Konflikte mit AnwohnerInnen an den Clubstandorten gelöst werden. Ein weiteres stadtspezifisches Projekt der Commission ist das Clubkataster, ein Karten-Tool, das Daten über Clubstandorte, Bebauungspläne und Sanierungsgebiete zusammenführt. Dadurch funktioniert das Tool wie eine Art Frühwarnsystem für Verdrängung und kann künftigen Konflikten vorbeugen.
Aber die Arbeit der Clubcommission wirkt auch in die Community hinein. „Wir sehen uns als Netzwerk, um Wissen zu teilen und zu vermitteln“, so Leichsenring. Immer wieder stellt die Commission Veranstaltungen wie die Konferenz ‘Stadt nach Acht’ auf die Beine, bei der die Szene-AkteurInnen Gelegenheit haben, sich zu vernetzen. Seit 2011 betreibt sie eine Beratungsstelle für die Veranstaltungsbranche, an die sich ClubbetreiberInnen mit ihren teilweise sehr spezifischen Problemen wenden können. Seit 2014 etwa organisiert der Verein Workshops zum Thema „Free Open Airs“ für NachwuchsveranstalterInnen, in denen rechtliche Grundlagen und praktische Tipps vermittelt werden. „Wir haben es geschafft, sogar Workshops in der IHK auszurichten, um Konflikte mit Anwohnern und Ordnungskräften zu vermeiden. Uns selbst beibringen, wie man illegale Raves gestaltet – etwas provokativ ausgedrückt“, schmunzelt Leichsenring.
Und dann kam Corona
Wie alle viele andere Branchen hat das Coronavirus die Clubszene hart getroffen. Die Krise hat auch die Clubcommission auf den Plan gerufen. „In der Coronakrise sind wir so etwas wie die Speerspitze. Genau das, was wir in den letzten Jahren an Netzwerk und Infrastruktur aufgebaut haben, kommt jetzt zur Geltung“, meint Leichsenring. Als Deutschland noch keine Infizierten zu verbuchen hatte, entwickelte der Verein bereits einen Maßnahmenkatalog, mit der das Infektionsrisiko in Clubs minimiert und der Stigmatisierung des Nachtlebens als Virenschleuder entgangen werden sollte. Dafür wurde eine Task Force eingerichtet und ein Krisentreffen mit den ClubbetreiberInnen organisiert. Von Anfang war klar, dass die Szene auf dem schmalen Grat „zwischen Infektionsschutz und Privatinsolvenz“ balancieren musste. „Die Clubs können nicht einfach sagen: Wir machen zu. Es gibt laufende Verträge mit Künstlern, Mitarbeitern, Dienstleistern. Deshalb haben wir der Politik sagen müssen: Ihr müsst uns offiziell per amtlicher Anordnung schließen. Erst dann greift das Prinzip der höheren Gewalt, mit dem man einen Vertrag auflösen kann“, erläutert Leichsenring.
Als dann am 13. März das ganze Berliner Nachtleben auf einen Schlag stillgelegt wurde, stellte die gut organisierte Clubcommission mal eben den „größten digitalen Club“ auf die Beine. Die Rede ist vom Vorzeigeprojekt United We Stream, der Streamingplattform, die die Clubcommission in Kooperation mit ARTE concert und radioseins Mitte März ins Leben gerufen hat. Täglich wird aus einem anderen Club übertragen – DJ-Sets, Live-Musik, Performances, aber auch Gesprächsrunden oder Vorträge rund um clubkulturelle Themen. Die virtuellen ClubgängerInnen werden zu Spenden aufgerufen, die dann an notleidende Clubs und KünstlerInnen verteilt werden, um insbesondere Mietzahlungen zu ermöglichen. Die rund 500.000 Euro (Stand: Ende Juni 2020), die der digitale Club bisher eingespielt hat, werden aber bei weitem nicht reichen, um alle Bedürftigen der Clubszene zu unterstützen. Eine nachhaltige Problemlösung kann das Spendensammeln also nicht sein, wie auch unsere Bruchstelle im Hinblick auf die Verwertungskette argumentiert.
Doch Leichsenring ist zufrieden: „Der größte Erfolg war, dass wir überall als Beispiel genannt worden sind, wie man sich selbst organisiert. Gerade in so einer Krise ist es aus Kommunikationssicht beachtlich, dass wir so eine Aufmerksamkeit erhalten haben. Es sind ja nicht nur für uns schwierige Zeiten.“ Dennoch stellt sich die Frage, wie viele Clubs die Coronakrise überleben werden. Leichsenring ist optimistisch: „Wir wollen keinen durchs Raster fallen lassen. Wenn es hart auf hart kommt, müssen wir eben nochmal politischen Druck ausüben.“ Denn klar ist auch: Gerade in Krisenzeiten zeigt sich, wie wichtig ein Bündnis wie die Clubcommission ist.
Die positive Wirkung der clubkulturellen Vernetzung der Clubcommission strahlt über die Landesgrenzen hinaus. „Berlin wird als Vorbild genommen. Es gibt ganz viele Städte, die sich mit uns austauschen.“ Das Wirken der Commission zeigt, dass die Verteidigung von Freiräumen in einer Großstadt politisch ist. Und liefert gleichzeitig handfeste Beispiele dafür, dass eine solidarische Zusammenarbeit dabei zum Erfolg führt.
1 Kommentare zu "Porträt: Clubcommission Berlin – Die Lobby der Clubszene"
Oh "Marke Berlin" berät wie weiter mit dem Berliner " Underground" :D
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