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Porträt: Dahu – Neuer Wandel durch vergangene Ansätze

Porträt: Dahu – Neuer Wandel durch vergangene Ansätze

Features. 12. Mai 2019 | 5,0 / 5,0

Geschrieben von:
Simon Ackers

Der gemeinsame Nenner ist für mich als Hörer wie als Produzent die Melancholie.

Rund um das Jahr 2010 bahnte sich in der Clubmusik eine neue Ästhetik an. Vermehrt strömten Artists auf den Markt, die das Gesicht der elektronischen Musik nachhaltig veränderten und eine neue Perspektive einbrachten. Der zuvor so präsente Minimal wurde abgelöst durch einen großen Fokus auf Melodien, eigenwilligen Synthieklängen und eben auch einer frischen Naivität, mit der Neues geschaffen wurde. Ob Deep House oder Techno, der Clubsound wandelte sich, erschloss neue Räume und erreichte ein neues Publikum. In dieser Zeit des musikalischen Wandels etablierte sich auch der in Berlin lebende Musiker Dahu in der Szene.

2012 erschien Dahu mit Deep In The Woods zum ersten Mal in der Öffentlichkeit, einem Track, den er selbst als Glücksgriff bezeichnet. "Vor sieben Jahren bei meinem Debüt hatte ich kaum Ahnung von Technik, eine katastrophale Abhöre und keine Pläne, meine Produktionen zu veröffentlichen. Ich war als junger Produzent im House und Techno genrefremd und konnte deshalb mit jugendlichem Übermut eine Platte liefern, die 'anders' klang." Das ‚Andere’ in seiner Musik wird vor allem von einer Introvertiertheit, Düsternis und dem erschaffen tranceartiger Zustände getragen. "In meiner Jugend konnte ich diese Dinge als Drummer im Black Metal und seiner brachialen Melancholie finden. Später, nach meinem Umzug nach Berlin, fand ich dies dann in der elektronischen Musik und Clubkultur. Tracks, die ihre Energie in einem langen Spannungsbogen allmählich und fast unbemerkt entfalten – ganz ohne den großen Moment – waren für mich die Spitze der Schöpfung im Bereich Clubmusik."

Als Vorbilder für diesen Sound fallen Namen wie Andy Stott oder Marcel Dettmann, auf der anderen Seite aber auch DJ Koze und Stimming. Frei nach diesen Einflüssen erschuf Dahu über die Jahre seine eigene Version von Clubmusik. Von verspielten Deep House Tracks wie ‘Falun’ bis zum ätherischen Techno eines ‘Descend’ transportiert er mit seiner Musik stets eine Stimmung aus subtilen Emotionen und Zurückgezogenheit, verbindet diese aber gleichzeitig mit dem Kosmos der Tanzfläche. Der Gegensatz aus Introspektion und öffentlichem Raum zieht sich wie ein roter Faden durch Dahus Diskografie. Bekanntes und Organisches trifft auf entrückten Traumzustand.

Kühle Drumsounds werden immer wieder durchschnitten von warmen Synthie-Arrangements. Deutlich sichtbar wird dieser Zustand auch durch seine Plattencover, welche anthropomorphe Figuren, traumartige Sequenzen und Fabelwesen zieren. "Artwork, das die Vision hinter der Musik transportiert, ist für mich ein essenzielles Thema. Es geht auch darum, ein mentales Bild zu erzeugen und eine Ästhetik, die über das Auditive hinausgeht. Aus diesem Grund arbeite ich besonders gerne mit Labels wie Steyoyoke und Radikon, die mit Emmanuel und Simon (Emmanuel Lafont und Simon Kneip Anm. d. Red) fantastische Illustratoren haben."

Äußerer Druck, innere Veränderung und ein Blick zurück

Nach jetzt sieben Jahren in der Szene stehen für Dahu nun einige Veränderungen an: Seit Beginn seiner Karriere war er eng mit Steyoyoke Recordings verbunden und veröffentlichte ausschließlich über das Berliner Label. Mit der Vessel EP löste sich er sich Anfang des Jahres zum ersten Mal aus der ihm bekannten Struktur und veröffentlichte auf dem von Jonas Saalbach, einem langjährigen Freund Dahus, neu gegründeten Label Radikon. "Steyoyoke hat eine große, hingebungsvolle Fanbase, für die ich als langjähriger Artist auf dem Label sehr dankbar bin – gleichzeitig bekommt man mit der Zeit das Gefühl, als Artist nur noch auf dieser Ebene zu existieren. Ein junges Projekt wie Radikon war für mich eine Tabula Rasa und die Möglichkeit, ohne diesen Überbau musikalisch Neues auszuprobieren."

Der Neuanfang drückt sich allerdings nicht nur in der Wahl der Labels aus. Neben einem neuen Studio im Funkhaus Berlin ist es vor allem auch die Reflexion über das eigene Musikerdasein und kreative Schaffen. Während alles noch mit einer naiven Energie begann, wich diese mit der Zeit einer gestiegenen Erwartungshaltung von außen wie von innen, mit der auch Dahu sich mehr und mehr beschäftigte. "Ich glaube viele Produzenten oszillieren unbewusst zwischen dem eigenen musikalischen Schaffen und einem, das von außen auferlegt wird – durch Labels, Fans, Erwartungshaltungen von all den Parteien, die zwangsläufig Teil deiner Existenz als Produzent werden." Ein Weg, der für Dahu fast zwangsläufig zu Kompromissen führt, und Kompromisse wiederum führen laut ihm "selten zu guten Tracks". Um diesem Prozess zu entgehen, braucht es also nun einen anderen Ansatz.

Bei der Suche danach hilft ihm der Blick zurück auf die Zeit, als er mit jugendlichem Übermut und schlechtem Equipment anfing zu produzieren. Ein Zeitraum, von dem er selbst sagt, dass dort Tracks entstanden, die er zu seinen besten zählt. Tracks, mit denen er Teil einer musikalischen Neuerung war. Jetzt möchte Dahu für sich ein neues musikalisches Kapitel aufschlagen, die eigenen Wurzeln mit neuen Einflüssen verbinden, ursprüngliche Energien konservieren und mit der derzeitigen Aufbruchstimmung vermengen, um so wieder Teil eines Wandels zu werden. Mit dem Studio im Funkhaus und der erstmaligen Zusammenarbeit mit Radikon sind die ersten Schritte gemacht und der Weg für eine neue musikalische Zukunft geebnet.

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Veröffentlicht in Features und getaggt mit Andy Stott , Dahu , DJ Koze , Funkhaus Berlin , Jonas Saalbach , Marcel Dettmann , Porträt , Steyoyoke , Stimming

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