Porträt: Joyce Muniz – Von São Paulo, über Wien, bis nach Berlin

Porträt: Joyce Muniz – Von São Paulo, über Wien, bis nach Berlin

Features. 31. März 2019 | / 5,0

Geschrieben von:
Simon Ackers

Old-School House-Klänge, die an die goldenen Jahre des Chicago Deep House erinnern. Minimalistische Techhouse-Nummern mit Kraftwerk-Flair. Gelegentlich noch ein Hauch von Pop, Latin Drums oder aber wie zuletzt mit dem Track 'Toxic People', düster und dreckig. Joyce Muniz hat sich in den letzten Jahren durch nahezu alle Spielarten der House-Musik gegraben und ist zu einem festen Bestandteil der Szene geworden. Dabei war House zunächst gar nicht ihr erster Kontakt mit elektronischer Musik. “Ein Jahr nachdem ich anfing Platten zu sammeln, wurde ich Resident DJ beim Dub Club Monday im Flex Club (Club in Wien, Anm. d. Red.). Das war eine sehr eklektische Party, bei der sämtliche Stile der elektronischen Musik von Trip-Hop und House bis hin zu Drum and Bass gespielt wurden. Ich selbst habe am Anfang Drum and Bass gespielt. Später kam ich dann über Breakbeat und UK Bass, die quasi eine Brücke zwischen den beiden waren, zur House Musik." Als großer Einfluss gilt vor allem der Brasilianer DJ Marky, dessen Drum and Bass Sound vor allem Joyces frühe Karriere prägte und in ihr die Begeisterung zum DJ-Handwerk weckte. Später kam mit Derrick Carter auch House dazu. Seine Mischung aus dreckig-technoidem Sound und Soul ist bis heute eine große Inspirationsquelle für Joyce.

Samba, Downtempo, House: Von São Paulo bis nach Berlin

Bevor sie ihre Karriere in der Wiener Clubszene begann, sammelte Joyce zahlreiche musikalische Erfahrungen. Geboren in Brasilien begann ihre Musiksozialisation schon früh durch die Familie: „Ich habe meine Kindheit in São Paulo verbracht, wo viele meiner Verwandten Musiker und Percussionists sind. Mein Großonkel hat dort eine Sambaschule und meine ganze Familie war ein Teil davon. Das hat mich in der Art und Weise, wie ich mit Rhythmus umgehe, natürlich beeinflusst. Es liegt mir quasi im Blut.“ Mit 12 zog sie dann mit ihrer Mutter nach Wien, die, wie Joyce es nennt, „Welthauptstadt des Downtempo“. Es war die große Zeit in denen Kruder & Dorfmeister, Sofa Surfers und Trip-Hop den Sound der Stadt prägten. Und es ist der Klang, der Joyce in die Welt der elektronischen Musik einführt, der sie beeinflusste und von dem aus sie dann zum Drum and Bass und schlussendlich zum House kam.

Mittlerweile wohnt Joyce in Berlin, eine Verbindung, die einige Jahre Anlauf benötigte: „Früher bin ich immer monatlich nach Berlin gefahren, um mit der Szene verbunden zu bleiben, aber ich wollte dort nie wohnen. In den letzten Jahren hat sich aber vieles geändert und Berlin ist eine internationale und bunte Stadt geworden. Deswegen habe ich mich letztes Jahr dazu entschlossen, hierherzuziehen.” Mittlerweile liebt sie das “kreative Chaos” der Stadt und fährt nun monatlich nach Wien, um dort weiterhin ihre Radioshow zu produzieren.

Neue Musik, Kollaborationen und „zurück zu den Wurzeln“

Dass Joyce in Berlin mittlerweile angekommen ist, zeigt sich auch an ihren letzten Veröffentlichungen. Auf ihrer EP 'Me and Da Beat' kollaborierte sie mit dem in Teheran geborenen und in Berlin ansässigen Namito. Der Sound der EP passt zu dem rohen und dreckigen Klang der Berliner Szene und gehört zu dem technoidesten Output in Joyces bisheriger Karriere. Auch die zukünftigen Releases sind von zahlreichen Zusammenarbeiten geprägt. Letztes Jahr arbeitete sie mit der Engländerin Little Boots zusammen, aus der die Single 'Shadows' hervorging. “Die Zusammenarbeit war so gut, dass wir mehr zusammen machen wollten. Daraus ist dann die EP 'Strange Girl' entstanden, die Ende Februar auf Exploited Records erschienen ist.” Neben weiteren EPs, unter anderem mit der Musikerin Kim Anh, konzentriert sich Joyce vor allem auch auf ihre Tätigkeit im Hintergrund. Für den Berliner Nachwuchsmusiker Demetrius produziert sie derzeit sein Debütalbum:”Das ist mehr so ein Crossover-Pop-Projekt und die Arbeit daran hat meine Fähigkeiten als Produzentin nochmal für eine völlig neue Richtung geöffnet.”

Zu guter Letzt steht für Joyce dann auch noch der Nachfolger ihres 2016 veröffentlichten Debütalbums im Raum. Während 'Made in Vienna' noch musikalischer Ausdruck eines bestimmten Zeitpunkts war, will Joyce nun aber mehr Raum für Reflektion schaffen: „Ich hab mich bei meinem Debüt stark auf den Deep House fokussiert, was zu der Zeit auch perfekt für mich war. Mit meinem neuen Album möchte ich aber einen Schritt zurückgehen und meine Wurzeln betrachten. Drum and Bass ist immer noch ein großer Teil meines Lebens. Erst kürzlich habe ich mir wieder einige Klassiker angehört, als ich meine Wohnung aufgeräumt habe. Diese Einflüsse aus Drum and Bass, Downtempo und Trip-Hop möchte ich definitiv konservieren und auf mein nächstes Album bringen.“

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Veröffentlicht in Features und getaggt mit Berlin , Demetrius , Derrick Carter , DJ Marky , Flex Club , Interview , Joyce Muniz , Kruder & Dorfmeister , Namito , Porträt , Sofa Surfers , Wien

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