Doppelalben sind immer schwierig. Sie sind eine Kür, die man beherrschen muss, oder man scheitert. Nicht, weil es generell an Daseinsberechtigung mangelt. Wer wäre man, das zu beurteilen. Oft aber wird evident, dass sich zwei zur gleichen Zeit auftretende Ideen nicht zwingend zu einem einzelnen Klangkosmos zusammenfügen lassen. Häufig ist die Lesart eines Doppelalbums das stolze Präsentieren des einen Teils gefolgt vom „Achja, das haben wir auch noch gemacht“ des anderen Teils. Dann muss man sich die Frage nach dem Warum stellen. Doppelalben, wenn sie strukturell unabhängig von einander funktionieren, nehmen daher absichtlich eine Trennung vor. '1ne' und '2wo' sind so ein Beispiel dafür: Zwei kreativ unterschiedliche Ansätze, die in sich geschlossen bleiben und verraten, wie divers der musikalische Horizont ist.
2pole, das Konglomerat aus dem Mainzer Marcus Schmahl und dem Hannoveraner Mark Ullrich (hier im Porträt), besteht erst wenige Jahre, 2016 haben sich die DJs und Produzenten zusammengefunden. Zu der Zeit konnten die beiden bereits zusammengerechnet über 40 Jahre Studio-Erfahrung vorweisen. Während Schmahl zuvor unter wechselndem Namen und in verschiedenen Konstellationen auflegte, darunter als Sidekick von Monika Kruse, machte Ullrich unter dem Pseudonym Mark Deutsche auf sich aufmerksam. Zu der Zeit trat Schmahl noch als Broombeck auf und versuchte Ullrich für sein Label 'Yes We Can' zu werben. Zwar endeten die weiteren Bemühungen, das Label zu etablieren, jedoch bildete sich daraus die Idee um 2pole. Auch wegen der großen Expertise erinnert das Debütprojekt daher weniger an zaghafte Gehversuche, sondern zeugt von einem differenzierten Gespür für Dancefloor-Dynamiken.
Mit '1ne' probiert sich das Duo auf 16 Tracks an sattem Techno aus. Recht aufgeräumt, clean und fokussiert wirken die Stücke, ab und an aber auch kühl und künstlich. Einen ersten Höhepunkt des Albums erreichen 2pole bereits ab der 3:30-Marke auf 'Lethargie', dem zweiten Stück der Platte. Nach einem recht funktionalen Intro-Track zeigt sich bereits ihr Potenzial, spielerisch auf ekstatische, mächtige Drops hinarbeiten zu können. Das klappt aber nicht immer. Manche Stücke bauen Spannung nicht clever genug auf, wirken so teilweise recht vorhersehbar. Beispiele wie 'Evolution' verdeutlichen, wie müde Formelhaftigkeit sein kann.
Auf der Lead-Single 'Run' hausieren Schmahl und Ullrich dagegen mit ihrer Spezialität, Peak-Time-Appeal aufzuladen. Die mobilisierenden Vocals der Spoken-Word-Künstlerin Ursula Rucker erinnern an goldene Loveparade-Zeiten. Das ist nicht die erste Zusammenkunft mit Rucker. 2018 tauchte die Aktivistin aus Philadelphia bereits auf dem gleichnamigen Track der 'Alone EP' auf. Immer mal wieder entwachsen dem üppigen Material handfeste Peak-Timer. 'Trust' scheint aus der gleichen Session wie 'Black Moon' zu stammen: Melodisch kompakte Loops, die konsequent ausmoduliert werden.
Trotz der oft recht harten Techno-Konstrukte ('Aritmetica'), versucht das Duo immer wieder melodische Strukturen unterzubringen. 'Impulsantrieb' fließt melodisch und treibend, dabei bleibt es jedoch nicht. Tracks wie 'Roma' und 'Hey DJ' bauen hypnotisierende Flächen auf, die so vereinnahmend wirken, dass man sich in die Stücke hineingesogen fühlt. Vor allem letzterer scheint stolpernd wie treibsandig. Gegen Ende fügen sich schwindelerregend viele Layer zusammen. Nur selten variiert das Duo auf '1ne' das Tempo. Das Stück 'Cone' dagegen wirkt eingängig, vergleichsweise ruhig und entspannend. 'Horizon' ist ein schöner Closer, der auf die anfangs etwas leichteren Klänge von '2wo' hinleitet. Bei insgesamt fast zwei Stunden Laufzeit ist '1ne' ein sehr umfangreiches, intensives erstes Album. Stilistische Variationen wie auf 'Red Point' kommen zu kurz, dafür bleibt man einem klaren Konzept treu.
Experimentierfreudiger und dabei noch etwas dichter wirkt zunächst '2wo'. Was als Ambient-Album startet, mäandert zeitweise zwischen Electronica und Downbeat, rudert dann aber in schier beliebige Richtungen. In kompakten Synthesizer-Experimenten ('Fear', 'Vscope') zeigen sich improvisatorische Qualitäten des Duos. 'Fear' wabert dabei so sehr, dass man kurz davor scheint, plötzlich in Dub einzutauchen. Während das Stück 'Logistics' sphärisch-fließend vor sich hin plätschert, verliert sich der Track 'Stress' gänzlich zwischen Trance, Acid und impliziertem Gabber. 'Valencia' ist schließlich wieder da, wo '1ne' aufhört: Treibende Rhythmik durch hypnotisierend-einlullende Loops. Dort wo das vermeintlich große Album '1ne' gelegentlich unter Langatmigkeit leidet, wirkt '2wo' wie eine gemischte Tüte Buntes. In jedem Fall ist '2wo' mehr als nur das Beiwerk des Hauptereignisses '1ne'. Klar wird, Schmahl und Ullrich wollen nicht nur als Lieferdienst für zweckmäßige Floorfiller gesehen werden. Es gibt noch wesentlich mehr zu tun.
'1ne' erschien am 24. Juni auf Tronic. ‘2wo’ erscheint am 29. Juli.
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