Review: a.s.o. – a.s.o. [Low Lying Records]

Review: a.s.o. – a.s.o. [Low Lying Records]

Allgemein. 3. Juni 2023 | 5,0 / 5,0

Geschrieben von:
Simon Ackers

100 Leute haben wir gefragt, nennen sie eine Trip-Hop-Band. Hier muss man schnell buzzern, um dann mit wahlweise Massive Attack oder Portishead jeweils 50 Punkte abzuräumen. Das kleine Genre aus Bristol schlug kurz hohe Wellen, doch gilt seitdem als relativ abgeschlossenes Werk. Lewie Day (aka Tornado Wallace) und Alia Seror-O'Neill lassen das 90s-Phänomen zeitgemäß als a.s.o. jetzt wieder aufleben und bedienen sich deutlich an den großen Klangvorbildern. Doch es wäre falsch, a.s.o. nur auf seine Trip-Hop-Einflüsse zu reduzieren. Denn mit steigender Spielzeit entpuppt sich die LP als eines der Pop-Alben des Jahres.

Um das Debütalbum der Sängerin und Schauspielerin Alia Seror-O'Neill zu promoten, wurden vorab drei Singles veröffentlicht, die keinen Hehl daraus machen, wer dafür musikalisch Akt stand. Kernige Bässe und trockene Drumsamples grooven im Loop, twangy Gitarren sorgen für düster apokalyptische Vibes und kühle 90er-Synthies wabern durch den Hintergrund. Der Trip-Hop quillt aus jeder Pore! Im Zeitalter von schnellen Brillen, bunten Rave-Klamotten und Trance-Revival mag man jetzt, in Befürchtung einer weiteren Nostalgieklitsche, die Augen verdrehen. Nun ist der Trip-Hop aber zum einen keineswegs ein völlig überspieltes Genre und zum anderen haben Day und Seror-O'Neill keinerlei Interesse daran, ihre Musik nur als nostalgischen Rückgriff, geschweige denn als ironischen Kommentar zu verstehen. Vielmehr ist der Trip-Hop hier schlicht das klangliche Mittel, mit dem das Duo ihre Songs formt. Und die haben es allesamt in sich.

Das fängt schon bei dem bloßen Klang der Platte an, den man als ein einziges großes Ear Candy bezeichnen kann. Lewie Day hat schon auf 'Lonely Planet' bewiesen, wie gutes Sounddesign geht und packt auch auf 'a.s.o' wieder jeden Track randvoll mit Ideen. Wo immer es geht, schieben Gitarren oder Synthies nochmal eine kleine Melodie ein, werden soulige Solos auf dem Rhoads gespielt, rauschen Filtersweeps durch den Mix oder drängeln sich Distortion-Elemente in den Vordergrund. Wenn man dann genug vom Sound geschwärmt hat, öffnet sich das Ohr für das mühelose Songwriting des Duos.

Wo Trip-Hop draufsteht, darf die Endzeitstimmung natürlich nicht fehlen. Und so präsentiert sich die LP als Sammlung an dunklen, spooky Harmonien und fremdartigen Tonleitern. So verstörend wie bei Portishead geht es hier allerdings nicht zu, denn die Songs bekommen durchweg ihre eigene Pop-Note zugeschrieben. 'Rain Down', mit seinem butterweichen Übergang zwischen Strophe und Refrain, lief schon in den 90ern auf MTV in heavy rotation. 'Love In The Darkness', der Hit des Albums, wurde direkt dem Best Of von Fleetwood Mac entnommen, während 'Cold Feeling' danach schreit, dass man die Musik mit einer David-Lynch-Collage unterlegt. Jeder Song hat seine eigenen klanglichen und formalen Merkmale und man wandert von einer Soundwelt in die nächste.

Diese Welten werden dann zur Bühne, auf der Alia Seror-O'Neill ihre atemberaubende Vocal Performance abliefert. Die Farbpalette ihrer Stimme scheint schier unendlich und Track um Track wird eine weitere Schicht auf das Gemälde aufgetragen. Mal gibt sie die Stevie Nicks, haucht nur leicht ins Mikrofon und singt luftig-poppig, um im nächsten Moment mysteriöse Dissonanzen einzustreuen. Auf 'True' läuft sie zur Höchstform auf und holt melodisch und harmonisch alles aus dem düsteren, phrygischen Charakter des Tracks heraus.

Wie nicht anders zu erwarten, gehört ihrer Stimme auch das letzte Highlight auf dem Album. Während sie sonst weitestgehend mit Effekten und Hall in den Gesamtklang eingewoben wird, sticht sie auf 'Somebody' plötzlich in schönster Lana-Del-Rey-Manier zentral durch den Mix hindurch direkt ins Herz. Spätestens hier gibt Seror-O'Neill der Untergangsstimmung der Platte eine solch wunderbare Romantik mit, dass man sich am liebsten, sehnsüchtig auf das Ende wartend, in die finale Kiste legen möchte.

'a.s.o.' von a.s.o. erschien am 02.06.2023 via Low Lying Records.

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