Kraut gewollt, Pop gekürzt, Radiohead bekommen. Sascha Rings mittlerweile fünftes Studio-Album polarisiert bereits nach nur wenigen Sekunden Spielzeit. Die offensichtlichen Zitate der britischen Alternative-Ikonen Radiohead sind omnipräsent, und das gefällt vermutlich nicht allen Apparat-Fans. Guter Geschmack setzt aber natürlich immer auch ein Gespür für das richtige Timing voraus. 'LP5' wird bereits jetzt von nicht wenigen als Stunde Null nach der Zusammenarbeit mit Modeselektor beschrieben. Dabei ist weder zwischen Bronsert, Szary und Ring das letzte Wort gefallen (warum auch?) noch ist das jetzt vorliegende Album ein Offenbarungsakt. Von vorne.
Mit Ausnahme von der Tolstoi-Adaption 'Krieg Und Frieden (Music For Theatre)', konzentrierte sich Ring in den letzten Jahren ausgiebig auf Moderat-Projekte. Das erste Release via Mute, 'The Devil’s Walk', erschien immerhin vor bereits acht Jahren. Dass man die Arbeit an neuen Songs mittlerweile völlig anders angeht, liegt mit diesem Album erstmals so richtig offen. In intensiven Jam-Sessions nahm er improvisiertes Krautrock-Material auf, ohne dabei die eigenen Erwartungen an fertige Songideen erfüllen zu können. Frustriert aber lösungsorientiert hörte sich Ring das Material wiederholt an und schnitt immer wieder einzelne Passagen aus. Die verbliebenen Impulse samplete er wiederum und setzte sie neu zusammen.
'LP5' ist ein Aggregat von Bruchstücken, die Summe seiner Teile. Das ewige Bedürfnis nach den großen Pop-Hymnen scheint verflogen. Ring sucht hier nach dem Gordischen Knoten zwischen elektronischen Produktionen und organischer Instrumentierung. Ein Knoten, der nicht krampfen, sondern verbinden soll. Dass dabei eine launisch-trübe Atmosphäre gesäuselter Melancholien entsteht, erinnert zumeist mehr an Thom Yorke et al. als sie es selbst noch tun. Inspiration ist ja per se nichts Schlimmes. Statt in sattem Bassgewitter verschwindet Rings Stimme in fragiler Verwundung. Das ist prinzipiell auch okay. Er selbst aber verkopft dabei so sehr, dass die charakteristische Eingängigkeit von einst verloren geht.
Gleich mit dem ersten Stück 'Voi_Do' suchen subtile Hintergrundbläser ihr Gegenstück. Ring verfremdet seine Stimme auf drei unterschiedliche Arten, zersägt seine Vocals und lässt sie collagenartig gegeneinander antreten. Sanfte Synthieflächen und Gitarrengriffe steuern dabei auf den nötigen Zusammenklang zu. Früh zeigt sich bereits, dass diese Symbiose entweder nicht aufzugehen scheint oder Ring sich im Experiment nun wohler fühlt. Auf 'Laminar Flow' wird das schon konkreter. Der soulig vorgetragene Gesang folgt einer klaren Linie, akustische Elemente treten nach und nach aus dem Hintergrund heraus und schaffen Intimität und Unmittelbarkeit, die zeitweise an Bon Iver erinnert.
An nicht wenigen Stellen jedoch passen Rings Puzzlestücke nicht zueinander. Seien es die metallische Stimmverfremdung zu den Streichern auf 'Caronte', die dubbigen Texturen zur Breakbeat-Entrückung auf 'Heroist', die cineastisch kreierte Kulisse zur Auflösung ins Nichts auf 'EQ_Break' oder das den housig-versöhnlichen Schlussmoment plötzlich unterbrechende Spoken-Word-Gedicht auf 'In Gravitas'. Viele der Versuche, mit Konventionen zu brechen, um etwas eigenes zu schaffen, gehen fehl. Nochmal: Geschmack und Timing gehören unbedingt zusammen.
Keinesfalls aber sind die Ideenstränge auf diesem Album uninspiriert. Oft bauen sich in den Songs auf 'LP5' organische Akkordfolgen auf, die sodann durch elektronische Rhythmen ersetzt werden. Das Konzept nach freieren Formen suchen zu dürfen, sorgt für Kurzweil. Zu temperamentlos jedoch schwimmen die kantigen Fragmente in bedeutungsarmen Mid-Tempi. Als Abkehr vom Pop sollte das Projekt Apparat von alten Erwartungen befreit werden. Das gelingt zwar, jedoch aus den falschen Gründen.
'LP5' erschien am 22. März auf Mute.
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