Review: Carl Craig - Detroit Love Vol. 2 [Detroit Love]

Review: Carl Craig - Detroit Love Vol. 2 [Detroit Love]

Features. 18. Mai 2019 | / 5,0

Geschrieben von:
Tim Tschentscher

Glückwunsch! Dieser Tage knackt Carl Craig die goldene 50. Mehr als die Hälfte der Zeit verbrachte der Produzent und DJ hinter den Plattendecks, beeinflusste und formte dabei die Entwicklung von House und Techno maßgeblich mit. Der junge Craig betrat die Bühne der Szene, da war er gerade einmal 19 Jahre alt. Beeindruckt von der freiwerdenden Energie der 'Belleville Three', begann auch Craig Ende der 1980er mit Synthesizern zu experimentieren. Mittlerweile hat sich Craig längst einen Pionier-Status erarbeitet und steht neben vielen anderen kreativen Hochkarätern beispielhaft als Aushängeschild für die wirtschaftlich gebeutelte 'Motor City'. Zeit also für eine Zäsur? Nicht ganz. Statt einer starr-archivarischen Rückschau auf das eigene Werk spendiert er zum Geburtstag die zweite Ausgabe seiner ins Leben gerufenen Compilation-Reihe 'Detroit Love'.

Als Reflexion der gleichnamigen Partyreihe, aber auch als musikalische Kompassnadel des eigenen Outputs, fängt der Mix den dystopisch-technoiden Sound-Mythos Detroit ein. Zwischen satten 1990er-Klassikern, Remixen und frischen Exclusives bewegt sich Craigs Trackauswahl zeitunabhängig durch Zukunft, Vergangenheit und Gegenwart. Gleich zu Beginn donnern mit Kevin Saundersons Stück 'World Of Deep' cineastische Streicher herein, die das nötige Quantum Pathos aufladen. Craig selbst lieferte für Saundersons Album 'Heavenly' (damals noch und mittlerweile wieder als E-Dancer unterwegs) einen entsprechenden Remix. Hier jedoch liegt der Track in einer mächtigen beatbefreiten Leinwand-Version vor, die für wenige Momente in die B-Seite der letzten Zusammenarbeit zwischen Dave Aju und Thatmanmonkz hinüberwandert.

Erstmals findet auch ein Track des bislang ausschließlich digital verfügbaren Albums 'Unity' von Craig und Chicago-House-Veteran Green Velvet seinen Weg auf den Tonträger. 'Rosalie' avancierte schnell zur heimlichen Lead-Single des Albums, auch wenn viele mit dem Ergebnis der überraschenden Kollaboration von 2015 unzufrieden waren. Die vorgeworfene Emotionslosigkeit des Stücks fügt sich hier allerdings gut ein, denn sie komplementiert die explosiven 'Rock My Soul’-Vocals, die Delano Tyler einst Octave One lieh. Einen ersten Höhepunkt erreicht der Mix schließlich noch, bevor die Hälfte der Spielzeit erreicht ist. Sophie Lloyds 'Calling Out' in Robert Hoods Floorplan-Remix ist pure Gospel-Ekstase im House-Gewand. Hochenergetisch treibt Craig das Tempo mit dem Stück 'Credit Card' weiter an. Auf Gospel und Soul folgt Disco und Funk.

Mit Beginn der zweiten Hälfte scheint Craig das Setting der Compilation etabliert zu haben. Exklusive Tracks von Claude VonStroke, C2, Ataxia, Matthew Dear aka Brain und Mister Joshooa übernehmen dramaturgisch sodann den Part, neue Impulse zu setzen. Nennenswert sind hier vor allem die Tracks von Ataxia und Matthew Dear, die dem Verlauf noch einen deutlich härteren technoiden Abschluss verleihen. Auch Stacey Pullen taucht an dieser Stelle nochmal auf, der im vergangenen Jahr die Detroit Love-Reihe startete.

Zuletzt lässt es sich Craig nicht nehmen, zwei echten Garanten der Detroit-Geschichte das Feld zu überlassen. Rhythim Is Rhythims 'It Is What It Is' und Ectomorphs 'Satori' zählen zum Standard-Repertoire vieler House- und Techno-DJs. Easteregg: Craig beschließt seine Version der 'Detroit Love' mit kontrastierendem Garage Rock der Dirtbombs. Seine Formel, das jahrzehntelange Verständnis für Club-Musik in spielerisch zugängliche Sets zu pressen, offenbart sich hierbei erneut. Viel weniger geht es aber darum, mit Expertise zu protzen, als daraus einen Mehrwert kreieren zu können. Das leistet Craig, der seit drei Dekaden die kreativen Hochs und Tiefs seiner Heimatstadt miterleben kann. Detroit ist sein Baby, und das spürt man hier besonders.

’Detroit Love, Vol. 2’ erschien am 17. Mai auf Detroit Love.

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