Review: DJ-Kicks – Peggy Gou [!K7 Records]

Review: DJ-Kicks – Peggy Gou [!K7 Records]

Features. 6. Juli 2019 | / 5,0

Geschrieben von:
Tim Tschentscher

Hypes heilen keine Wunden. Sie zeigen exemplarisch den Bedarf einer ganzen Szene an. Hypes verkörpern auch keine Trends, sie markieren ein Vakuum, das niemand im Stande scheint auszufüllen. Zu diesen Hypes gehören auch starke weibliche Vorbilder. Und von denen benötigt derzeit wie kaum eine andere Musikssparte vor allem die House- und Technoszene einige. Peggy Gou ist so ein Vorbild, völlig unironisch und verdient. Mit knapp 29 Jahren hat sie erreicht, worauf manche ein ganzes Leben hinarbeiten. Im April ging mit der 'Moment EP' ihr eigenes Label 'Gudu Records' an den Start. Auf der Pariser Fashion-Week präsentierte sie ihr Modelabel 'Kirin'. Zudem haben Schmuck-, Auto- und andere Modemarken die Wirkkraft der Südkoreanerin für sich entdeckt. Designerikonen wie Virgil Abloh buhlen um ihre Gunst. Aber kanalisiert sie ihre Superstar-Strahlkraft auch als kreativer Multiplikator bei der 69. Ausgabe von 'DJ-Kicks'?

Zunächst: DJ-Kicks als Marke ist seit ihrer Entstehung stetig gewachsen, nicht selten wird die Serie des Berliner Labels '!K7' als Speerspitze einflussreicher Compilations empfunden. Gleichzeitig müssen DJs dort die Bürde voriger großer Beiträge tragen. Ein allgegenwärtiger Druck herrscht also wohl oder übel, wenn ein spannender, leichtfüßiger und zugänglicher, aber dennoch persönlicher Mix entstehen soll. All das unter einen Hut zu bekommen, ist die tägliche Aufgabe eines DJs. Gemessen an der Erwartung, die sich hier zweifelsfrei an Gou richtet, bleibt ihr Mix aber weit unter ihren Möglichkeiten. Zu selten gelingen die Versuche, Highlights der musikalischen Sozialisation zu einem kohärenten Gesamtkonstrukt zusammenzufügen. Gous Kicks erinnern häufiger an die Leblosigkeit einer Playlist als an die Dynamik ihrer Live-Sets.

Das fällt vor allem dann auf, wenn Gou zwar handwerklich korrekte Übergänge präsentiert, diese aber in erschreckend nüchterner Müdigkeit ausführt. So endet beispielsweise der Shades-Of-Rhythm-Track 'Exorcist' von 1991 auf der Kode9-B-Seite 'Magnetic City'. Diese wiederum endet auf dem The-Systems-Ambient-Pop-Stück 'Vampirella’ mit dem Enthusiasmus gelangweilter Weiterskipperei. Offensichtlich wurden Zeit und Energie in die Auswahl der Stücke gesetzt, die Art der Verknüpfung wirkt aber hastig und uninspiriert. Auch seltsam: Black Merlins Stück 'Kundu’, ein als Begleitung für indonesische Stammesriten verkleideter Trommel-Beat, baut zwar massiv Suspense auf, versumpft dann aber völlig desorientiert und zusammenhangslos im Aphex-Twin-Klassiker 'Vordhosbn'.

Ihr eigentliches Potenzial zeigt sich sehr konzentriertin den wenigen Momenten des Exclusives 'Hungboo'. Sie selbst sagt, das Stück sei eines ihrer ersten Drafts als Produzentin gewesen. Das beeindruckt, denn immerhin wirkt der nun fertig ausgemalte Track recht verspielt, arbeitet mit exotisch anmutenden Details, gezwitscherten Vogel-Recordings und mantraartigen Vocals. Das ist im Übrigen auch eine der weiteren Qualitäten Gous. Sie versteckt sich weder hinter Pult noch DAW, arbeitet stattdessen gerne mit der eigenen Stimme. Das machte nicht zuletzt ihr Stück 'It Makes You Forget' zum Hit des vergangenen Jahres.

In ihrer Ausgabe der 'DJ-Kicks' jedoch fehlt diese Verspieltheit häufig. Es mangelt an Unkonventionalität. Man möchte ihr bei der Auswahl an Stücken glatt attestieren, sie habe zu gezwungen an Klassiker gedacht, zu verbindlich im Tagebuch geblättert. Zwei weitere Exclusives, '3' von JRMS und Hivers 'Pert', sollen noch dieses Jahr über Gous Label erscheinen und werden unter Umständen zeigen, welch Fingerspitzengefühl sie als A&R auf 'Gudu' beweisen wird. Nun scheint sich der Hype um sie mit 'DJ-Kicks' nicht zu relativieren, dafür aber auf den Prüfstand gestellt zu werden. Peggy Gous nächste Hürde: das Album.

’DJ-Kicks' erschien am 28. Juni auf !K7 Records.

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