Über den Traum vom grünen Raven sprachen wir ja bereits. Auch über Verantwortung und Konsequenz und wie ambivalent die Szene mit dem Thema Nachhaltigkeit immer noch umgeht. Einer der seit Jahren händeringend um mehr Aufmerksamkeit für Naturschutz und den Erhalt der heimischen Artenvielfalt kämpft, ist Dominik Eulberg. Als gelernter DJ und Produzent sowie studierter Biologe und Vogelkundler hat er es verstanden, die Kunst mit seiner Herzensangelegenheit zu verknüpfen. Auf 'Mannigfaltig', seinem nunmehr fünften Studioalbum, begibt er sich auf Streifzug durch den heimischen Westerwald. Zurück kehrt er mit einer auditiven Kurzreise, so sanft und komplex wie die Natur selbst.
Unser Ökosystem beschreibt Eulberg als "Mosaik", als Gemälde, dessen Motiv sich erst durch seine Gesamtheit offenbart. Das Album hat er dabei als Zahlenspiel maskiert. Pro Track lernen wir eine Tiergattung kennen, die jeweils eine besondere Nummer im Namen trägt. Insgesamt ergeben sich so auf einer Spielzeit von knapp 90 Minuten zwölf intensive Stücke über Falter, Nager, Vögel und Käfer. Bereits auf früheren Projekten zeigte Eulberg, wie wichtig ihm Botschaften in seiner Musik sind. Und auch hier gelingt es ihm, dass diese als erstes ins Auge fällt. Musikalisch passiert, ähnlich wie in der Natur, erst beim genaueren Hinsehen und Hinhören so richtig viel.
Das Eröffnungsstück 'Eintagsfliege' saugt behutsam in die Atmosphäre des Albums hinein. Sich langsam aufbauende Patterns erzeugen ein aktivierendes Gefühl der stillen Beobachtungslust. Tiefe Pianoakkorde zirkulieren und arbeiten auf einen transformierenden Break zu. Dem Leben einer Eintagsfliege gleich folgt eine kurze beflügelte Phase, die zuletzt auf satten, unheilvollen Pianogriffen endet. Auf dem Stück 'Dreizehenspecht' sind leichte flirrende Geräusche wahrnehmbar, die von einer fast hämmernden, gleichmäßigen Bassstruktur unterlegt werden. Ähnlich dem Hacken eines Spechts arbeitet Eulberg auch hier sukzessive zur Mitte des Tracks auf einen Break hin und leitet diesen mit knarrenden, fast zerrenden Field Recordings ein.
https://www.youtube.com/watch?v=6SVdYUBPZAo&feature=youtu.be
Dieses Muster wiederholt sich auf der Platte. Eulberg interpretiert die Besonderheiten der jeweiligen Tierarten und modelliert sie instrumental nach. Interessant wird es, wenn ein wenig von dieser Formelhaftigkeit abgewichen wird. 'Fünffleck-Widderchen' beginnt bereits mitten im Geschehen, stolpert etwas chaotisch und wirkt vergleichsweise bedrohlicher als die anderen Stücke. Fast hypnotisch-orientierungslos wabert der Track vor sich hin. Düsterer noch wirkt 'Neuntöter'. Transzendentale Pads schweben im Hintergrund, während vordergründig durch harte Basslinien vermeintlich zahme Glockenspiele eine seltsam gruselige Note erhalten.
Oft sind Eulbergs Stücke ruhig und geduldig. Das elfminütige Stück 'Zehnpunkt-Marienkäfer' ist so friedsam wie das Tierchen selbst häufig ästhetisiert wird. Manchmal fehlt den Tracks auf 'Mannigfaltig' aber etwas der Druck, den beispielsweise 'Diorama' so rasant machte. Denkt man zurück an das Konzept des Albums, ist das hier aber gar nicht gewollt. Um bei dem Bild des stillen Beobachters beim Waldspazieren zu bleiben: Mit jedem weiteren Zuhören lassen sich der Platte neue, bislang kaum entdeckte Details entlocken. So funktioniert das Album vor allem als Gesamtkunstwerk gut. Zudem ist sie ein wichtiges Statement an die Technoszene, die noch immer zu zaghaft Haltung im Kampf gegen die Klimakrise zeigt. Für den Clubgebrauch ist 'Mannigfaltig' aber möglicherweise zu lieb gedacht. Am besten man genießt es im Freien.
'Mannigfaltig' erschien am 06. September auf !K7 Records.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Spotify. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
0 Kommentare zu "Review: Dominik Eulberg – Mannigfaltig [!K7 Records]"