Interessant, wie unterschiedlich sich Hypes auf Karrieren auswirken können. Entweder es lässt sich opportunistischer Nutzen daraus ziehen oder man schöpft Erwartungskredite aus, bis ein Schuldverhältnis entsteht. Für den aus Cleveland stammenden Neu-New-Yorker Galcher Lustwerk trifft weder das eine noch das andere zu. Seit dem einstigen Szeneaufruhr durch die eigenwillige Handschrift des '100% Galcher'-Mixtapes 2013 ist einige Zeit verstrichen. Seitdem sind zwei Langspieler erschienen, unzählige EPs und Bandcamp-Uploads kamen hinzu. Vom besagten Hype ist nur wenig geblieben, obwohl Lustwerks Qualität stetig gestiegen ist. Status quo, wo steht er jetzt? Gehts mit diesem Album zurück zu den Anfängen?
Klar, Lustwerk ist kein Gespenst mehr. Trug vielleicht auch die anfängliche Anonymität des Produzenten zur Mythenbildung bei, ist der Gesichtslose längst enttarnt. Im Stillen ist das dritte Album 'Information' bei Ghostly International aus Brooklyn erschienen. Darauf zu sehen: Lustwerk selbst. Klanglich wirkt die Platte nun weniger fragmentarisch als 'Dark Bliss' und weniger technoid als '200% Galcher'. An der Formel hat sich dennoch nur wenig geändert: Kosmische Deep-House-Schwaden und eine mantraartig-monotone Meditativstimme lullen zum gemeinsamen Einsamsein ein. Musik für Tunnelfahrten oder Tunnelblicke. Doch hat sich die Zusammensetzung der Einzelteile verfeinert.
Das macht sich vor allem an den Stücken 'I See A Dime' und 'Another Story' bemerkbar. Lustwerks Vocals klingen hier immer noch gleichsam gelangweilt wie ignorant, orientieren sich jetzt aber stärker am Zeitgeist. So sägt er an Deep-House-Ästhetiken und verknüpft sie mit raunender Rap-Stilistik. Fast unüberhörbar beeinflusst vom Triplet-Flow der Migos wirkt Lustwerks Vortrag, unterstreicht zudem nachdrücklich mit Ad-libs. Zeilen wie "I’m in New York and I’m black, I can make beats I can rap" zeigen dabei sein musikalisches Selbstverständnis an. Spielerisch fließende Verses, fertig pointiert als Twitter-Beiträge. Auch die Songstrukturen selbst sind jetzt weniger experimentell. Begriffe wie Hip-House passen allerdings kaum, immerhin flanieren die Basslines eher als dass sie springen.
Atmosphärisch wabern die Stücke zumeist durch schlecht beleuchtete Gassen, vorbei an grell angestrahlten Bankgebäuden. Der Track 'Cig Angel', angetrieben durch ein leicht schnarchiges Drumset, verdeutlicht die musikalische Richtung dieser Platte. Hier und da tauchen Saxofon-Loops auf, die der Szenerie dunkle Noir-Romantik aufladen. Vor allem im zweiten Teil der Platte nimmt Lustwerk das Tempo entsprechend raus, spielt mehr Downer als Upper. Mit dem Stück 'Been A Long Night' segeln lange Ambient-Flächen an müden Piano-Keys vorbei. Hier fühlt man sich an verrauchte Jazz-Keller erinnert, in denen Klanginstallationen vor sich hin loopen.
Man muss allerdings konstatieren: Auf ganzer Länge fehlt Lustwerks Tracks die nötige Varianz, um etwas Größeres sein zu können. So funktioniert 'Information' eher als Grundstimmung, eingefangen in zwölf Einzel-Frames. Trotzdem hat er mit dieser Platte sein bisher konzisestes Werk vorlegen können. Noch immer wundert deshalb die mangelnde mediale Aufmerksamkeit. Niemand fährt zur Zeit so sehr den Afterhour-Film zur Primetime wie Galcher Lustwerk. Dass das Ganze nur noch unter Vorzeichen nach Deep-House klingt, freut Jazzer, Hip-Hopper und Raver zugleich.
'Information' erschien am 22. November auf Ghostly International.
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