John Frusciante wurde als Gitarrist der Red Hot Chili Peppers bekannt, veröffentlichte eine Reihe stilistisch abwechslungsreicher Rock-Alben und entdeckte irgendwann die Maschinen für sich. Im Jahr 2012 veröffentlichte er mit einer irrwitzigen Sample-Collage sein erstes Material unter dem Pseudonym Trickfinger und ließ dem vier Alben folgen. Noch nicht genug? Noch nicht genug. Auf ‘Maya’ widmet er sich nach einigen erfolgreichen Acid- und IDM-Experimenten nun Jungle und ‘Ardkore, die er durch den Breakcore-Fleischwolf schiebt. Leider.
John Frusciante weiß, was ein Groove ist. Mit gerade einmal 18 Jahren heuert er bei den Red Hot Chili Peppers an und spielt mit der Gruppe zwei ihrer bekanntesten Alben ein, ‘Mother’s Milk’ (1989) und die internationale Durchbruchsplatte ‘Blood Sugar Sex Magik’ (1991). Der Sound der Gruppe fußt auf der Rhythmussektion, Frusciantes Gitarre trägt lebendige Funk-Riffs bei. Vielleicht also kein Wunder, dass er ein paar Jahre und eine Drogenabhängigkeit später elektronische Musik für sich entdeckt. Als er einige Jahre nach seinem Austritt aus der Band wieder zu ihr zurückkehrt, um den Welterfolg ‘Californication’ (1999) einzuspielen, ist er clean und Teilzeit-Raver. Während die halbe Welt zum Sound von ‘Scar Tissue’ mit offenem Verdeck Richtung Strand düst, schlägt er sich die Nächte bei Drum’n’Bass-Nächten um die Ohren.
Auch im Studio beginnt er bald mit anderer Hardware als zuvor zu experimentieren. Im Jahr 2007 verkabelt er erstmals verschiedene Maschinen miteinander, um damit ‚‘experimentellen Acid House‘ aufzunehmen, wie er es später in einem Eintrag auf seinem Blog nennt. Auf seinen Releases ist davon graduell immer mehr zu hören. Im Jahr 2010 debütiert er erstmals in Kollaboration mit Breakcore-Legende Aaron Funk, besser bekannt als Venetian Snares, und Chris McDonald alias SKM-ETR unter dem Namen Speed Dealer Moms mit säurehaltigem IDM auf Planet Mu. Zwei Jahre später bringt seine Solo-LP ‘PBX Funicular Intaglio Zone’ erdigen Weirdo-Rock mit Downbeat und Drummachine-Freakouts zusammen. Ebenfalls 2012 debütiert er unter dem Namen Trickfinger mit der EP ‘Sect In Sgt’, einer wilden Sample-Collage. Erst im Jahr 2015 allerdings legt er sein ordentliches Debüt unter dem Pseudonym vor und beeindruckt auf der Genre-Institution Acid Test nicht mit einem klassischen, immerhin aber doch traditionsbewussten Acid-Sound. Die Aufregung über all das ist groß, für Frusciante selbst aber stellt seine musikalische Entwicklung nur eine logische Konsequenz seiner Karriere dar.
So erklärt es sich dann wohl auch, dass ‘Maya’ nun das erste rein elektronische Instrumental-Album unter Frusciantes Klarnamen ist. Nachdem er sich im Juni noch als Trickfinger mit ‘She Smiles Because She Presses The Button’ auf Avenue 66 vor allem an IDM und Electro abarbeitete, greift die LP eher den Sound von ‘Look Down, See Us’ aus dem März auf: luftige Breakbeats und irrlichternder Jungle kommen darauf zusammen. Ein zeitgemäßes Statement angesichts der grassierenden Revivals beider Genres, das sich aus Frusciantes langer Beschäftigung mit der UK-Rave-Geschichte zwischen den Jahren 1993 bis 1996 herschreibt. Das wirkt aber weniger anbiedernd denn vielmehr nostalgisch und bemüht. Denn während in Frusciantes Arbeit an der Gitarre all die forcierten Brüche den Charme und den Ikonoklasmus seines Schaffens ausmachen, zerstören sie auf ‘Maya‘ über gut 40 Minuten weg das, was ‘Ardkore wie auch Jungle überhaupt ausmacht: den Groove.
Denn Frusciante schickt allerhand stereotype Sounds und Rhythmen durch den Breakcore-Fleischwolf. Der Auftakt-Track ‘Brand E’ lässt mit seinen schwebenden Klängen und ratternden Snare-Patterns noch an frühere Aphex-Twin-Produktionen denken, dann aber fordert das obligatorische Micky-Mouse-auf-Helium-Vocal nach einem “motherfucking breakbeat” und bekommt ihn prompt. Der Track nimmt Tempo auf, ein bouncender Groove entfaltet sich – bis dann nur eine Minute später ein Breakdown den Breakbeat ablöst, ein James Brownsches ‘Uh!‘ hörbar wird und die Rückkehr zum eigentlichen Track ankündigt. Der mäandert weiter in Richtung ravigem Mitt-Neunziger-Techno und setzt dem Ganzen noch ein paar Bleeps auf, bevor am Ende tranciger Acid das Klangbild überrollt. Das sind mehr Ideen, als manche in ihrer ganzen Karriere haben. Letztlich aber handelt es sich dabei um recyceltes Material, das recht wahllos ineinander geschoben wird – wie so oft auf ‘Maya‘.
Der deutlich Breakcore-inspirierte ‘Usbrup Pensul’, der in einen Jungle-Teil und einen Electro-Part zweigeteilte ‘Flying’, die Hip-Hop-Abstraktion ‘Pleasure Explanation’, der hymnisch anmutende Darkside-Jungle von ‘Blind Aim’, ‘Reach Out’ und ‘Amethblowl’ und das zweiteilige Breakcore-Finale mit ‘Zillion’ und ‘Anja Motherless’: Zusammengenommen ergeben sie als Album genauso wenig ein homogenes Bild, wie sie als einzelne Stücke einen roten Faden erkennen lassen. Und obwohl das sicherlich auch als produktive Auseinandersetzung mit den Klischees der Genres verstanden werde könnte, werden diese dermaßen plakativ hervorgehoben, dass die Musik darüber jegliche Subtilität verliert. ‘Maya‘ mag als Ausdruck einer großen Leidenschaft und Liebe für bestimmte Genres ebenso geprägt sein, wie darin Frusciantes ikonoklastischer Ansatz greifbar wird. Nur passt in diesem Fall zumindest das eine nicht zum anderen. Und klingt eher wie der sehr angestrengte Versuch, aus altem Wein in neuen Schläuchen Sangria zu mixen. Das schmeckt extrem schal.
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