Review: Marcel Dettmann – Fear Of Programming [Dekmantel]

Review: Marcel Dettmann – Fear Of Programming [Dekmantel]

Features. 26. November 2022 | 3,0 / 5,0

Geschrieben von:
Tim Tschentscher

Grundsätzlich ist das immer saulieb, wenn Musiker:innen ihre Kunst selbstreflektorisch andrehen und nicht unter einem Gottkomplex-Hirnriss leidend mühsam erspielte Sympathien im Sondermüll verklappen. Marcel Dettmanns neuer Entwurf fühlt in dieser Tradition vorsichtig an: Ohne Grund stapelt der Berghain-Resident tief und überlässt seinem Publikum, wie hoch es seine Programmierungen einzusortieren hat. Nach fast zehn Jahren erscheint Dettmann Drei nicht wie gewohnt bei Ostgut, sondern über Dekmantel und heißt genau deswegen auch anders. Ein kreativer Seitschritt aus der Aneinanderreihung von starren Konzepten.

Etablierter als Dettmann könnte man als vermeintlich verunsicherter Album-DJ wohl kaum sein. Den wenigsten wird der gebürtige Thüringer unbekannt sein, immerhin bringt Dettmann es auf gute 25 Jahre Expertise an den renommierten DJ-Kanzeln. Die im Auftrag von Fotografin Friederike von Rauch erschienene Klanginstallation 'Rauch' einmal ausgenommen, liegt zwischen diesem und dem Vorgänger 'Dettmann II' aber eben so viel Zeit, dass sich so manche:r Dettmann lediglich nur noch als reinen Set-DJ abgespeichert hat. So ist es vielleicht dann zu verstehen, dass Dettmann das Format Album nun anders als bisher bespielen will, wegkommen möchte von Vollgas, Fluss und Funktion.

'Fear Of Programming' ist daher sowohl Experiment als auch freier Ausdruck. Dettmann sucht die Konfrontation mit sich selbst und erlaubt sich losere Formen, die nicht zwingend immer floor-ready sein müssen. Den Auftakt macht 'Coral': Spacige Drones pendeln ein, um die Kulisse zu setteln. Dem Stile Dettmanns typisch sind die Stücke minimalistisch und trocken gehalten und erreichen ihre energetischen Höhepunkte in der Regel durch Härte. 'Suffice To Predict' bollert mit zittrigen Jabs und ordentlicher Kick los, in denen sich reichlich schnell fiese Synth-Lines einbetten. Eigentlich Trademark Dettmann. Schön schief schiebt 'Renewal Theory' hinterher, hypnotisch und drückend.

Eisig klimpernde Pads tragen auf 'Water' die einzigen Vocalspuren des Albums. Ostgut-Kollege Ryan Elliott lässt sich darin auf für Dettmann-Verhältnisse relativ unernste Hände-hoch-Momente ein: 'Give me a sign, just a little something to let me know that you’re mine' tönt es wie eine Durchsage. Freier wird es dann auf den Stücken 'Pxls' und 'Reverse Dreams'. Vornehmlich aus eigener Lust heraus kanalisiert Marcel Dettmann dort Broken Beat und Ambient und lässt es einfach laufen. Herzlich wenig Progression gibts dagegen auf dem Tool 'x12'.

Und dann doch, wenn man glaubt, sie nicht mehr erwarten zu müssen, kommen sie noch, die stumpf-geilen Funktionsstampfer. '(Batteries Not Included)' und 'Tone' geben der teils recht ziellosen Unförmigkeit der Platte eine Richtung vor und machen wett, was auf den ersten zwei Seiten ein wenig fehlt.

Am Ende ist 'Fear Of Programming' aber auch nur eine Überschrift und die Stücke dürfen durchaus entkoppelt von ihrer Herleitung stehen. Passen tut es am Ende aber auch. Ähnlich wie zuletzt im Set für Dekmantel '22 ist der Akteur zwar vollkommen klar bei der Sache, zögert aber lange, um Fahrt aufzunehmen. Dettmann spielt, was er hören will, nicht sein Publikum. Gerade aber wenn er nicht die mehrstündigen Floor-Workouts durchprügeln muss, zeigt sich der Veteran von einer neuen spannenden Seite. Vielleicht mal so ein ganzes Ambient-Album im Stile des Titeltracks? Das erdet und räumt auf.

’Fear Of Programming’ ist am 25.11.2022 auf Dekmantel erschienen.

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