Review: Marlon Hoffstadt – Planet Love [Midnight Themes]

Review: Marlon Hoffstadt – Planet Love [Midnight Themes]

Features. 29. März 2020 | / 5,0

Geschrieben von:
Tim Tschentscher

Fast 20 Jahre ist die Mayday 2000 nun her und was mit so illustren Namen wie Mauro Picotto, Blank & Jones und Tomcraft einst so zeitgeistig wie käsig klang, wirkt heute aus einer Retro-Romantik heraus durchaus schon wieder interessant. Klar, die einen brüllen 'Eurotrance war nie weg!' und das stimmt wohl auch, wenn man mit Trillerpfeife und Warnweste in den letzten zwei Dekaden stets dieselben drei Brückenraves besuchen ging. Wenn so ein Album wie 'Planet Love' aber völlig offensiv mit solchen Ästhetiken spielt, dann ist das weniger ein zusammengewürfelter Zitateteppich als eine exakte Beobachtung der Dancefloors aus den letzten paar Spielzeiten.

Geht man von der Theorie aus, dass sich aktuelle Retro-Bezüge zumeist auf das vor etwa 20 Jahren Gewesene beziehen, dann müsste der 90er-Rave-Hype eigentlich ja bereits längst uninteressant geworden sein. Wenn der vergangene Clubwinter jedoch eins zeigen konnte, dann dass diese quietschige Prä-Post-Millenium-Phase von Techno und seinen Subkategorien nicht tot zu kriegen ist. Warum auch? Immerhin emanzipierte sich die Kunstform vor allem gerade zu dieser Zeit für viele und dient daher oft als wichtiger zeitlicher Bezugspunkt für die persönliche Musikpräferenz. Renate-Resident und Midnight Themes Labelbetreiber Marlon Hoffstadt verarbeitet auf seinem Debütalbum ähnliche Einflüsse. Selbst, so sagt Hoffstadt, schrieb er das Album während der aufreibenden und intensiven Zeit kurz vor der Geburt seines Sohnes. Es lässt sich also nur mutmaßen, wie emotional und erinnerungsversunken Hoffstadt dabei wohl auch an seine eigenen ersten musikalischen Einflüsse dachte.

'Planet Love' beginnt ohne zu zögern mit allem, was schon damals gut funktionierte. Trance, Eurodance, Breakbeat, Acid. Manchmal sorgt das für seltsame Flashbacks oder man glaubt, bestimmte Passagen bereits oft gehört zu haben. 'Mantra Of A New Life' ist so ein Fall. Echoquerschlagende Vocal-Wolken, die zugleich das Setting der Platte setzen: 'Be kind. Be humble. Take care. Give love. Because only love will set you free.’ Message! Dazu tragen hintergründige Synth-Akkorde eine gewisse euphorisch-melancholische Schwere. Das ist natürlich reichlich cheesy, kocht aber den Spirit einstiger Parties wie auch den der heutigen aufs Essenziellste herunter.

Das fast achtminütige Stück 'In My Mind' verformt sich zwischen House und Eurodance zur Blaupause für frühen Progressive Trance. Insbesondere die offenen Hi-Hats und Crashbecken transportieren den Sound erster Dream-Dance-CDs. Ähnlich progressive forciert der Titeltrack 'Planet Love' sein Power-Gedudel. Straffe Rhythmik und prophetisch verhallte Vocal-Slogans. Dazu ein animierender Arpeggiator, der frech fragt, ob das nicht schon Italo ist.

Hat sich Hoffstadt eingegroovt, so ist auf ’Blade Runner' und mit 140 bpm klassischer Acid Trance zu erwarten, bei dem es Wert wäre, die Leuchtstäbe rotieren zu lassen. Gelegentliche Easter Eggs wie Handy-Störgeräusche auf dem Stück 'Don’t Worry My Son, It Will All Be Good' erinnern zudem an noch nicht allzu fern Gewesenes. Man kennt es, wenn man dabei war. Das ganze Geheimnis von 'Planet Love' scheint aber die uneingeschränkte Offenheit zu sein. Die stilistischen Referenzen entstehen aus einem Spaß an den Sounds dieser Zeit heraus und eben nicht, um dokumentieren zu müssen, etwas 'miterlebt' zu haben. Hoffstadt selbst war zu jung, um bei den großen Parties der Neunziger und Nuller dabei gewesen sein zu können.

Er zeigt mit dieser Platte deshalb nicht nur gönnerhafte Huldigungsmoves oder zitiert Trance und Euro ironisch touchiert. 'Planet Love’ ist bunt und frei und mit seinen naiv-beflügelten Mantrahymnen manchmal etwas programmatisch. Das klingt alles aber irgendwie ehrlich gefühlt und sei daher erlaubt. So wie sie ist, ist die Platte Club-ready, Rave-ready, Open-Air-ready. Komme, was da wolle.

’Planet Love' erschien am 13. März auf Midnight Themes.

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