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Review: Modeselektor - Extended [Monkeytown Records]

Review: Modeselektor - Extended [Monkeytown Records]

Features. 9. April 2021 | / 5,0

Geschrieben von:
Christoph Benkeser

Da ist es, das Corona-Baby. Modeselektor haben es rausgepresst. Ein Mixtape als Wunschkind, bei bester Gesundheit, mit der Basstrommel zwischen den Spulen grinst der Gschropp wie eine Yoga-Gruppe in der Hasenheide. Gernot Bronsert und Sebastian Szary haben für 'Extended' im Studio rumgemacht, sind in sich gegangen, um sich zu erweitern oder besser gesagt: die Musik von Modeselektor zu „extenden“. Das Medium ist die Massage. Kopfmassage, Bauchmassage, Happy End im Lendenbereich für alle, die sich 27 Tracks in 65 Minuten reinknallen – because gib dem Affen Zucker, Baby!

Kein Album sei die Sache, geben die Herren des Hauses zu verstehen. Vielmehr ein lang gehegter Wunsch, am Archiv herumzudoktern. Schließlich hat sich was angesammelt übers letzte Jahrzehnt zwischen moderaten Welttourneen und 50 Weapons im Plattenschrank. Der Seilscheibenpfeiler glüht noch immer, Modeselektor haben sich aus dem Kellerclub auf die großen Bühnen entwickelt. Nicht, um Schampus aus Kristallflöten zu süffeln, Backstage mit Thom Yorke abzuhängen und zu ihren eigenen Memes zu mutieren, sondern um was aufzubauen: Monkeytown ist Gotham City für die Generation Rave, der place to be, wenn es darum geht, Musik abseits von Vierviertel-Gestöhne in die Rekordbox zu laden.

Außerdem kommt der Sommer. Virus hin oder her, erste Sonnenstrahlen quetschen sich in den April wie Körper auf den Dancefloor. Ja, eh … früher. Dass noch länger niemand Körperflüssigkeiten im Darkroom austauscht, heißt aber nicht, dass die Bassbox schlummern muss. Man füttert das Teil, niest in die Armbeuge und bleibt auf Abstand – „extended“, quasi. Weil Modeselektor in letzter Zeit nicht von der Hand in den Mund gelebt haben, vor der Pandemie schon big im business waren und sich der never-ending Lockdown mehr als Päuschen vom Tourstress denn als Existenzbedrohung auswirkt, hat man sich mit einer Packung Antigen-Tests ins Studio verzogen. Um sich durch alte Festplatten zu mischen und was Neues rauszufischen.

'Extended' mag ein Wunschkind sein. Aber eigentlich ist das Teil eine Wochensuppe. Rein kommt, was übrig blieb. Immerhin verwehrt man sich dem Kruder-und-Dorfmeister-Schmäh, die Recyclingaktion als Überraschungsfund zu labeln. Hätten Modeselektor auch gar nicht nötig. Das Material mieft weniger nach einer bestimmten Zeit in der Vergangenheit als nach einem bestimmten Raum in der Zukunft: dem Big Room, mit Wumms im Bumms, der Paprikaschote auf der Zunge. Egal ob auf dem deutschen Trauerspiel-Gestampfe von 'Tacken', der Flucht ins Nyege-Nyege-Camp auf 'Soda' oder der Rave-Reminiszenz auf 'Paradiso' – die Affenbande dreht nicht lange am Bassregler rum. Sie ist der Bassregler! Dazwischen steigt man zurück in den 'Keller'. Tommy Four Seven lauscht vor Freude alten Benjamin-Blümchen-Kassetten, während man den Nachbar*innen statt Kitsch mit 'KlangKrieg' auf die Decke wandern lässt.

Dass sich zwischen all den tieffrequenten Hustenanfällen feingeschliffene Kollabo-Juwele ausgraben lassen, ist nur als Fleißaufgabe für den Home-Office-Jahrgang in sonischer Archäologie zu verstehen. Allein 'Hood', ein Feature mit dem französischen Warp-Head Jackson & His Computer Band, hätte auf die vorletzte Modeselektor-Platte gepasst wie der Silberrücken-Schönling in die Nespresso-Werbung. Who else als Paul St. Hilaire – der Dub-King auf Platten zwischen Rhythm & Sound und Monkeytown – pafft außerdem auf 'Movement' drei Ringe über den Atlantik. Das ist Musik für die Nachtschicht, für den Trip, vor dem Trip. Ein Lichtblick am Ende des Lockdowns oder doch nur die „extended version“? Irgendwie egal. Wie schwer die Geburt auch sein wird, für dieses Mixtape blechen wir die nächsten 18 Jahre. Mindestens.

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