Kenneth Dixon Jr. aka Moodymann arbeitet schon seit den frühen Neunzigern daran, der normalerweise so nonkonfrontativen Szene der elektronischen Tanzmusik eine afroamerikanische Perspektive zu verleihen. Als ungekrönter Szenepionier bläst er seinen konstant qualitativ hohen Output Jahr um Jahr in den Äther und bleibt dabei trotzdem stets dem Rampenlicht fern. Für das neue Album pflügt er erneut durch das Plattenregal und sampelte sich einen pophistorischen Referenzrahmen zusammen. 'Taken Away' ist die vollständige Schwebe im schwarzen House-Himmel.
Wie so häufig mangelt es bei Veröffentlichungen von Dixon auch diesmal an Pomp und Werbelärm. So ist auch diese Platte ohne jegliche Promotion erschienen. Seine Handschrift bleibt bestehen: Die Musik steht für sich selbst. Leicht kryptisch-dekonstruiert bespielt Moody allerdings nun auch einen YouTube-Kanal, auf dem beginnend mit diesem Album einige verwackelte Trackvideos erschienen sind. Häufig zeigt er dabei sich und seine Entourage. An dieser Stelle muss deutlich unterstrichen werden: Moodymann ist niemand, der sich hinter einer Maske versteckt. Auch auf dem Cover zu 'Taken Away' streckt er sein Gesicht entgegen. Gemessen an der kaum zu überblickenden Anzahl an Releases scheint Moodymanns Musik aber noch immer hauptsächlich im Kreis von AuskennerInnen wirklich stattzufinden. Ist das gelebter Idealismus?
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'Taken Away' ist eine fabelhaft verliebte House-Platte, die durchzogen ist von Querverweisen aus Soul und Funk, aber auch Disco und Gospel. Natürlich bewegte sich Moody immer schon im Graubereich der Legalität, wenn es um das Klären von Samples ging. Wohl auch deshalb sind seine Releases gleichermaßen gefragt wie gefürchtet, denn durch fehlende Sample-Clearings besteht ein klarer kreativer Wettbewerbsvorteil. Hierüber lassen sich auch die teils kuriosen Giveaway-Releases aus der Vergangenheit ('Sinner', 'Untitled' etc.) erklären.
Das Album eröffnet mit dem Track 'Do Wrong', ein angebluester Gospel-Singsang über Lust und Glaube. Nach nur wenigen Sekunden zeigt sich bereits Dixons charakteristisches Soundverständnis, Soul-Samples möglichst casual ineinander fließen zu lassen. Hier zitiert Dixon vor allem Al Greens First-Choice-Cover 'Love & Happiness' und kontrastiert mit eigenen Vocals eine Art Verführung des Teufels. Der Track taucht in der Downloadversion des Albums auch noch als 'Skate Edit' am Ende der Platte auf. Hier wurde der Track um eine Minute kürzer zusammengerafft, Gospel-Verzierungen entfernt und ein wenig mehr Betonung auf den Stampf-Rhythmus gesetzt.
Der Titeltrack 'Taken Away' sampelt Roberta Flacks 'Sunday And Sister Jones', ein Gospel über den Tod einer schwarzen Pastorin. Es bleibt bei der vermeintlich trügerisch heiteren Stimmung, Moodys im Hintergrund versetzter House-Beat erzeugt einen säuerlichen Geschmack im Mund, wenn man hier die aktuellen Beispiele amerikanischer Polizeigewalt als Kontext heranzieht. An der Zwei-Minuten-Marke werden Schreie von einer Polizeisirene übertönt und ein Donnersturm bricht herein. Wir erinnern uns: Erst im Januar 2019 wurde Dixon vor seinem eigenen Haus von mehreren Polizeibeamten mit vorgehaltener Waffe verhaftet.
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Das Stück 'Let Me In' erinnert daran, dass Dixon unter dem Pseudonym Mr. House ursprünglich mal als Beatmaker angefangen hatte zu produzieren. Soulquarian-lastig lässt Dixon Label-Affiliate Nikki-O, die zuletzt 2013 eine 12-Inch mit Paul Hill auf Mahogani veröffentlichte, über ein zurückgelehntes Kopfnick-Instrumental singen. In 'Goodbye Everybody' werden die dumpfen Spuren von Blues-Gitarrist Lowell Fulson unter schiefe Glocken und Taser-Sounds gelegt. Kaum glaubt man ein wenig in das Album versunken zu sein, unterbrechen im Stück 'Slow Down' erneute Polizeisirenen.
Je weiter man in das Album einsteigt, desto offener wird Dixons Stellvertretersicht für ein schwarzes Amerika. Der Track 'Just Stay A While' bastelt sich um das Sample 'With my Back Against the Wall' herum, während der eigentlich so angegeilte Remix-Stöhner 'I Need Another ____' über seine Eskapismus-Fantasie eine differenziertere Note erhält. Rein musikalisch gesehen sind es vielleicht die tieffliegenden Basslinien und die atypische Drum-Programmierung, die oft eben genau entgegen dem Zwang, das Tempo anzuziehen, arbeiten. So sind Moodymann-Tracks manchmal nicht unbedingt immer die zugänglichsten. Selbst, so sagt er, macht er seine Musik nicht für die Bespaßung der Masse, sondern für die kleine Mehrheit derer, die wirklich zuhören wollen.
Würde man Moodymann mit einem Wort beschreiben wollen, dann wäre es am ehesten Realness. Auch auf 'Taken Away' kommt dieser Eindruck wieder zum Tragen. Das Album ist gewohnt tanzbar, soulful und funkverliebt. In all seiner Referenzgeilheit ist 'Taken Away' aber vor allem ein müde gewordener Seufzer über gesellschaftliche Ungleichheit. Es ist 2020 und so richtig geändert hat sich immer noch nichts.
’Taken Away' erschien am 21. Mai auf KDJ.
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