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Review: Octo Octa & Eris Drew - Fabric Mix [Fabric]

Review: Octo Octa & Eris Drew - Fabric Mix [Fabric]

Features. 28. November 2020 | / 5,0

Geschrieben von:
Kristoffer Cornils

Die legendäre fabriclive-Serie ist mittlerweile Geschichte, doch bringt der Club unter dem Titel ‘fabric presents’ weiterhin Mixe heraus. Kann ja nicht schaden. Nach unter anderem Bonobo, Amelie Lens sowie zuletzt Chase & Status sind nun Octo Octa und Eris Drew an der Reihe. Sie lassen auf knapp 70 Minuten zwischen Breakbeats, ‘Good Life’-Samples und Rave-Signalen kein Auge trocken.

Musik braucht das Miteinander und der Tanz erst recht. Und doch ist Dance Music zu einer weitgehend solipsistischen Angelegenheit geworden, seitdem ihre bis heute gültige Formel in den queeren Underground-Clubs Nordamerikas während der sechziger und siebziger Jahre entwickelt wurde. B2B-Hypes hin, kollaborative Projekte her: Meistens steht nur eine Person in der DJ-Kanzel, überwiegend werden die meisten Dance-Tracks im Alleingang produziert. Und Paartänze waren auf den House- und Techno-Dancefloors dieser Welt in den letzten Jahrzehnten eher selten zu sehen. Nein, Dance Music ist zu einer individuellen Angelegenheit verkommen, obwohl sie eine kollektive Erfahrung verspricht.

Kaum jemand geht dermaßen produktiv mit diesem vermeintlichen Widerspruch um wie Eris Drew und Maya Bouldry-Morrison, besser bekannt als Octo Octa. Seit geraumer Zeit tun sie es, das ist ja nur folgerichtig, zu zweit. Nachdem die Eine im historisch aufgeladenen Kontext ihrer Heimatstadt Chicago den sogenannten Motherbeat etablierte und sich die Andere mit Releases auf 100% Silk einen Namen machte und ihre Erfahrungen als Transfrau unter anderem auf der LP ‘Where Are We Going?’ zum Ausdruck brachte, werkeln die beiden hinter den Decks, im Studio und einem entlegenen Häuschen im US-Bundesstaat New Hampshire an einer musikalischen Praxis, die das Individuum im Kollektiv verankert. Dazu gehören zweifelsfrei auch einige esoterische Nebenzweige – Schamanismus, Magie, Psychedelik –, vor allem aber Dance Music.

Ihr Mix für die ‘fabric presents’-Serie kann gut und gerne als Kulminationspunkt der gemeinsamen Reise der T4T-LUV-NRG-Gründerinnen wie auch ihrer individuellen Rave-Biografien betrachtet werden. Es ist eine bunte Mischung, welche die beiden über knapp 70 Minuten ausdefinieren, gespeist aus jahrzehntelanger Leidenschaft für klassischen House, Breakbeats und Techno mit all ihren unterschiedlichen Interpretationen und Nebenzweigen. Gemixt entlang eines roten thematischen Fadens, der sich an klassischen Dance-Tropen entlanghangelt: Erlösung, Befreiung, Ekstase. Das Übliche. Aber ebenso rasant wie charmant präsentiert. Denn Drew und Bouldry-Morrison greifen mit harten Cuts und Backspins in noch jede Trickkiste des DJ-Handwerks, um aus dem aufgekratzten Ausgangsmaterial noch mehr Energie herauszuholen. Das klappt auch, klingt nach schweißtreibender Arbeit und wirkt deshalb umso aktivierender.

Neben zwei Exclusives von jeweils einer der Produzentinnen und einigen jüngeren Produktionen bedienen sich die beiden bei ihrer Selektion vor allem des Repertoires der neunziger Jahre. Dabei werden Klassiker wie Global Methods Interpretation des Inner-City-Techno-Klassikers ‘Good Life’ im Orbital-Remix mitsamt des wunderbar deplatzierten Shakuhachi-Geflötes im Mittelteil entstaubt und sogar Dr. Motte und Westbam haben mit der aufgekratzten Trance-Nummer ‘Sunshine’ einen gemeinsamen Auftritt. Doch so hittig die mal vom Chicagoer, mal New Yorker Sound inspirierten House-Nummern, die trancigen Intermezzi und die immer wieder den Mix durchbrechenden Breakbeats auch sind: Angebiedert wird sich hier genauso wenig wie angegeben.

Tatsächlich ist die dem Mix beigefügte Doppel-LP mit ausgewählten Tracks fast schon eine sinnfällige Veröffentlichung: Gut die Hälfte der Stücke lässt sich auf Discogs für ein paar Cents oder maximal einige Euros schießen und alternativ wohl in jedem gut bestückten Second-Hand-Laden auftreiben. Denn wo andere DJs ihre Mix-CDs gerne mal dazu nutzen, Raritäten wieder zugänglich zu machen und womöglich nebenbei auch etwas mit den eigenen Digging-Qualitäten zu glänzen, ist das Ansinnen von Eris Drew und Octo Octa ein anderes. Denn es geht in ihrem Verständnis von Dance Music nicht so sehr um die Musik als solche als vielmehr um ihre Wirkung – und dazu ist es ziemlich schnuppe, wer nun welchen Track wann und wo veröffentlicht hat oder für wieviel Kohle die dazugehörige 12” über die digitale Ladentheke geht.

Die Wirkmacht von ‘fabric presents Octo Octa & Eris Drew’ ist eine körperliche, weil der körperliche Einsatz der beiden selbst spürbar wird. Und wo Musik auf einen Körper eindringt, ist der Tanz nicht weit und damit zumindest theoretisch auch die Nähe zum Kollektiv. Sicherlich mag es umso schmerzlicher sein, dass diese zurzeit nicht gesucht werden kann. Genau das aber macht diesen verschlungenen, verschwitzten Mix dermaßen hoffnungsvoll und aufmunternd: Er vermittelt eine Idee davon, wie es irgendwann mal wieder im Miteinander aussehen könnte. Solange formuliert das Duo seinen Slogan folgendermaßen: ‘Your body is powerful. Be who you wanna be. Let your body be free!’ Damit wäre ein sinniger Plan für die kommenden Wintermonate ausbuchstabiert, der sich dank dieses Mixes einfach in die Tat umsetzen lassen sollte.

'fabric presents Octo Octa & Eris Drew' erschien am 27.11.2020 via Fabric.

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Veröffentlicht in Features und getaggt mit Compilation , Eris Drew , Fabric , Octo Octa , review

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