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Review: Swedish House Mafia – Paradise Again [SSA Recording]

Review: Swedish House Mafia – Paradise Again [SSA Recording]

Features. 2. Mai 2022 | / 5,0

Geschrieben von:
Christoph Benkeser

Wir schreiben das Jahr 2022 – die Swedish House Mafia ist zurück! Die drei Herren aus Stockholm haben acht Jahre älter werden müssen, um ihr Debütalbum zu veröffentlichen, am selben Wochenende zum Coachella Festival zu jetten und dort eine Performance von der Bühne zu blasen, bei dem sich manche an die Konfettiregen-Stomper der eigenen Abifahrt zurückträumen konnten. Dabei haben die Schwedenbomber nicht nur ihren musikalischen Horizont um zwei Dur-Akkorde erweitert, sondern sich auch von der Style-Polizei rüffeln lassen. Die lässig ausgeschnittenen Muskelshirts von Ed Hardy sind verschwunden. Inzwischen schaut die Swedish House Mafia so aus, als hätte sie in ihrem Winterschläfchen den Kleiderschrank von Autechre geplündert. Man will’s gar nicht glauben: Die Burschen haben zwar den schmalzigsten EDM-Bänger aller Zeiten produziert, könnten mit der neuen Back-to-black-Lederkollektion aber locker zur Klubnacht ins Berghain spazieren.

‘Paradise Again’, das erste Album der Swedish House Mafia, pfeift noch immer zu Quietscheentchen-Breaks und Hände-hoch-Drops, für die man auf Ibiza Karmapunkte sammelt. Die Sache hat aber ihren jugendlichen Schwachsinn verloren. Wenn man nicht gerade in absurden Sci-Fi-Studios Interviews gibt, lichtet sich die Truppe für die BBC im Düster-Outfit ab oder produziert mit Label-Homies wie The Weeknd. Klar, mit Anfang 40 müssen schon größere Skitouren geplant werden, um nächtelang vor einer Schar ritalinabhängiger Kids durchzufeiern. Allzu verständlich, dass man sich den Scheiß nicht ewig gibt – oder eben nach anderen Wegen sucht. Das Album sei ein „Reset“, soll heißen: so etwas wie der Versuch einer Schlange, die eigene Haut abzustreifen, nur um draufzukommen, dass darunter dieselbe zum Vorschein kommt – Vergangenheitsbewältigung in der aktualisierten Gegenwart, nicht der schlechteste Therapieansatz nach fünf Welttourneen im Privatjet.

Das Kreuz zwickt zwar, das Unterleiberl spannt ein bisserl und die Heydays von ungeniertem EDM-Geballer am Badestrand sind auch vorbei. Trotzdem klopft die Swedish House Mafia auf der Klaviatur der großen Feelings Nummern raus, für die Opis und Omis den Rollator genauso rotieren lassen wie deren Enkelkinder, die sich mit dem Bums den After-Work-Drink im Co-Working-Space reinballern. Das geht nicht ohne Pathos – allein der Opener futtert Zuckerwatte für eine Kleinstadt. Bei ‘Another Minute’, dem ganz am Ende versteckten Lovebreaker-Highlight der Platte, hat man sich den Deppen-Drop verkniffen, um auf ‘For You’ nach der Schnittmenge zwischen Kalkbrenner, Moderat und dem Score für eine Marmeladenwerbung zu suchen. Macht aber alles nichts, weil „it takes time to be real“. Außerdem hat man nicht ohne Grund das Adressbuch durchgeblättert, ein paar WhatsApp-Nachrichten verschickt und die US-amerikanische Hip-Hop-Szene mit schwedischer Hausmannskost durchgefüttert. ASAP Rocky schmirgelt dafür auf ‘Frankenstein’ ein paar 16er raus, während Ty Dolla Sign Sebastian Ingrosso Cornrows auf den Kopf knüpft. Und The Weeknd macht aus ‘Moth To A Flame’ eine Bayern-2-taugliche Nachmittagsekstase für den Kleingartenverein, bei der man am Ende jeden Grundstücksstreit beilegt.

Dazwischen rutschen ein paar Steckversuche am Modularsystem raus. Und natürlich immer wieder die Vier-Akkorder auf dem Gute-Laune-Synthesizer. Dabei ließe sich mit ‘Don’t Go Mad’ sogar der ärgste Kellerrave mit ein paar Ecstasy-Tränen closen. Wer deshalb am Montag mit MDMA-Depressionen vor dem Laptop sitzt: ‘It Gets Better‘! Der Track scheppert auf Kuhglocken und drei doppelten Espressi den Blade-Runner-Bänger der Platte raus. Man muss nicht Ben Klock heißen, um sich vorzustellen, wie man mit dem Ding den Lendenbereich durchmassieren könnte. Weil’s so schön ist, stibitzt sich ‘Paradise Again’ nach einer Stunde auf Zehenspitzen aus der Manege. Übrig bleibt ein Gefühl, als hätte man gerade eine Eigenbluttransfusion aus dem 17-jährigen Vergangenheits-Ich in den Oberarm geballert. Strangely confusing, aber wie ein Schluck Hasseröder Premium Pils: wohltuend erfrischend.

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