Review: to all dreamers/dancers/lovers/believers [Planet Uterus]

Review: to all dreamers/dancers/lovers/believers [Planet Uterus]

Features. 18. Dezember 2021 | 3,0 / 5,0

Geschrieben von:
Christoph Benkeser

Seine Majestät der Traumprinz hat wieder geliefert. Vier neue Sets sind Anfang Dezember in der Interzone auf Planet Uterus erschienen. Darauf: fast sechs Stunden Musik, um das Weihnachtsfiasko rund um Friede, Freude und Verwandte mit Verschwörungstheorien auszublenden – und einfach nur zu träumen, tanzen, lieben und believen!

Ja, richtig gelesen: Vier Sets! Mit Musik, die erstmals nicht vom Prinzen himself kommt, sondern von Künstler:innen und Producer:innen, die in den CDJs des unbekannten Gönners zu Ritter:innen geschlagen werden. Man mag vor fünf Jahren aus der Kirche ausgetreten sein, spätestens nach dem dritten Mix wünscht man sich göttlichen Beistand und verdrückt unter der Kanzel eine Träne. Schließlich drückt hier jemand auf der Pathos-Tube rum, bis zwischen Sonntagsmesse und Sigur Rós-Gesäusel eine Trance-Träne kullert. Wer nach dieser Läuterung nicht schnurstracks in die nächste Kirche rennt, um im Weihwasser zu baden, den Messwein zu exen und überm Altar drei Rosenkränze zu brechen, kann nur noch von Jesus gerettet werden.

Der Typ bringt's zwar nicht in der Frage, wer hinter Metatron aka DJ Healer aka Traumprinz steckt. Ist aber gut so, sonst würden noch mehr Freaks im Berghain ihren Heiland suchen. Derweil kann man auch Jagertee giegeln oder fleißig shazamen, weil zwischen Bängern und Brimborium die Streicher ihr Oratorium feiern. Scheiß auf Bach zum Weihnachtsfeiertag. Hier schwingt man sich unter der Nordmanntanne von Ikea zum Niederländischen Producer Torus, der mit „Pier“ bei Noise und Nebel to the sky abhebt. Wenn sich jemand fragt, hmm, Torus, da war doch was, nicht wahr? Stimmt genau! Torus war das erste Album, das Vril, der Hustinettenbär aus Hannover, 2014 veröffentlicht hat. Und wo? Eh klar – auf dem Subding von Giegling. Merktste selber, wa?

Bevor man in Telegram-Gruppen von Xavier Naidoodle zu spekulieren beginnt, guckt man lieber weiter, was die Katze vor die Tür gelegt hat: den serbischen Fabrikarbeiter-Producer Abul Mogard, die belgische Rauschkugel Ssaliva und das dänische Bettenlager um Schacke. Der wird mit „You Will Always Be A Part Of Me“ und damit dem schönsten Beitrag auf der Posh Isolation-Compilation von 2020 zitiert. Was soll man sagen: Eine Talsohle voller Ecstasy-Tränen ist nichts gegen diesen Wasserfall! Außerdem hat der Prinz das vermutlich traurigste YouTube-Video aller Zeiten ausgegraben. Hochgeladen am 18.04.2007, knapp 600.000 Aufrufe, Aphex Twins „Rhubarb“ auf der klassischen Gitarre. Wer sich vor den Weihnachtsfeiertagen in eine existenzielle Lebenskrise stürzen will, willkommen im Club!

Wie man aus dem Schlamassel wieder rauskommt? Mit verschwitztem, in sich verlorenem und völlig losgelöstem Balztänzen! Deshalb schiebt der zweite Mix „to all dancers“ mit Sheds Equalized-Bumm-Bumm den Lendenbereich an. Zwischendurch gratuliert man Whities-Label-Liebling Leif acht Jahre verspätet zum Debütalbum und findet in der Ein-Euro-Kiste einen Wuzzelbud-Schatz von Robag Wruhme. So viel Glück hat zwar niemand verdient. Nach so einem beschissenen Jahr haben wir aber alle was davon nötig! Also kollabiert SHXCXCHCXSH mit dem Killfer-Stuff von Avian, während Prayer mit seinem diesjährigen Hooversound-Debüt in deine Arme fällt wie ein Keta-Kid zur Afterhour.

Heiße Liebe gibt’s auch mit Ana Roxanne aus New York. Die Ambient-Musikerin zeigt Grouper die Dur-Tonleiter in den Himmel. Von dort oben haucht MJ Guider die zarteste Versuchung seit es Kranky-Platten gibt. Man vermisst Camella Lobo von Tropic of Cancer und zieht sich dann doch die Moll-Akkorde von Liz Harris rein. Aus Verlegenheit, eh klar. Soll ja niemand mitbekommen, dass man nach dem dritten Eierlikörchen schon ordentlich einen in der Birne hat. Halt bieten nur die Dreampop-Düsentriebe von Ruby Haunt. Die stürzen zur blauen Stunde eine Shoegaze-Hymne aufs Lebkuchenhaus. Klingelingeling!

„Das Set hat mich zum Christentum bekehrt“, schreibt ein User unter den letzten Mix an alle „believer“. Gut so. Ein Jüngling mehr, der dem Pfaffen an die godly Hand geht. Zur Epiphanie findet man mit Hildegard von Bingen aber ohnehin. Dafür scheißt man den Esos mit Deep Forest und Dead Can Dance danach in die Klangschale. Herbert Grönemeyer weiß zwar noch immer nicht, wann ein Mann ein Mann ist. Dankbar muss man dem Mann für sein Label Grönland Records trotzdem sein. Dass Sol Seppy dort 2006 die einzige Version von „Amazing Grace“ rausgewürgt hat, die man sich ohne Dudelsack reinpfeifen kann – feine Sahne, auch für den Prinzen! Moby darf übrigens auch mitmachen, obwohl sein Geist sowieso ständig durch die Rosette lugt. Für Kitschkrieg auf dem Déjà-vu-Parkett klimpert die Swedish House Mafia auf die weißen Tasten. Don’t you worry child, DJ Danny justiert bereits die Trance-Kanone des Jahres. Amen. Breaks. Ciao!

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Veröffentlicht in Features und getaggt mit DJ Healer , DJ Metatron , planet uterus , Prince of Denmark , Traumprinz

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