"Bonk, you go to horny jail!" Was der Meme-Kultur des Internets ein knüppelschwingender Hund ist, ist der Gay-Community 'Cazzo Film', eine Independent-Porno-Schmiede aus Berlin. Der kleine Unterschied: die Produktionsfirma weiß Dauererregungen begrüßend offen zu inszenieren anstatt sie abzustrafen. Auf dem In-House-Imprint des Berghain-Labels 'Ostgut Ton' erscheint nun relativ überraschend der Soundtrack zu 'Bonking Berlin Bastards', eine zwanzig Jahre alte Cazzo-Produktion. Warum überraschend? 'A-TON' war zuletzt Ostguts Unterkapitel für die eher gemächlicheren Töne. Und auch der Zeitpunkt der Veröffentlichung ergibt erst auf den zweiten Blick so richtig Sinn.
Um das der Vollständigkeit halber nochmal zu kontextualisieren: Wir befinden uns noch immer inmitten einer Pandemie und die Kulturbranche kämpft ums Überleben. Jetzt also Budget für einen Soundtrack freizumachen, der nicht nur bereits etwas in die Jahre gekommen, sondern auch schon zum Zeitpunkt der Filmveröffentlichung 2001 nur einem kleinen Spezialpublikum bekannt gewesen sein dürfte nachträglich auf CD und Doppelvinyl zu verewigen, wirft unweigerlich eine knappe aber präzise Frage auf: Wieso? Bis zur Hinleitung auf eine mögliche Erklärung soll eine Gegenfrage helfen: Wieso denn nicht?
Der eigentliche Plot des Trash-Pornos ist relativ schnell erklärt: Es geht um das ewige Spiel zwischen Tops und Subs. Fetisch-Punks vögeln sich unkontrolliert und ungehemmt durch Berliner Schauplätze. Das wird schnell explizit: Dosenbier und Dauergeilheit als übergeordnete Motivatoren für eine zweitrangige Handlung. Spinnt man das ein wenig weiter, geht es hier um einen aktivistischen Ausdruck. Es geht um das Darstellen, Sichtbarmachen und Feiern einer miss- und unverstandenen Szene am Rande der Gesellschaft. Möchte man von der anderen Seite schauen, ist 'BBB’ nicht viel mehr als ein Low-Budget-Fickfilm, allerdings einer, der eines der rauen und unpolierten Berliner Lebensgefühle der späten 90er und frühen 2000er Jahre hervorragend festhält.
Interessanter wird nun die musikalische Seite. Der Soundtrack setzt weder ein Interesse für schwule Punks noch für Trash voraus. Klanglich manövrieren die 15 Tracks zwischen Industrial, Dub, Techno, Breaks, Rock und recht kurzweiligen Skits aus dem Film. Schnell wird klar, das musikalische Spektrum soll die Ausgelassenheit des Films unterstreichen. Nur zwei Formationen steuern ihre Sound-Artefakte bei: Das sind zum einen Alex.E und Hanno Hinkelbein als Kern von AeoX, zum anderen Kathinka als Rouage beziehungsweise CNM. Ursprünglich zu viert gestartet waren AeoX zwischen 1999 und 2007 als elektronisches Impro-Projekt aktiv. Kathinka veröffentlicht noch bis heute unter dem Pseudonym CNM Drone-Ambient-Experimente.
'BBB' startet mit einer knappen Anmoderation und einem ebenso knappen Psytrance-Loop, der sich gerade wenn er seine Form gefunden hat, schon wieder auflöst. Auf 'Rush Hour' tapert ein desorientierter Breakbeat immer mal wieder an den Grenzen zu Industrial, hat an den meisten Stellen aber doch improvisatorischen Charakter und wird oft von trichterförmigen Drones und Echos durchbrochen. Tatsächlich sind es aber oft die blechern stampfenden Rhythmen, die dem Soundtrack eine düster-kalte Färbung geben.
Es ist kein Geheimnis: Stand jetzt fühlen sich die meisten nicht nur massiv unterfeiert, sondern verharren in zunehmender Einsamkeit. Es sind dann die suggestiven Details wie das Gurgeln und Würgen in 'Kesseltreiben', die unter hartem Industrial-Gedonner an enthemmte Parties in KitKat, Lab.Oratory und Co. zurückerinnern. Nach einem Break rutscht das Stück kurz in Noise-Rock ab, ehe wild atonale E-Gitarren-Schnipsel nach und nach in Pinkelgeräuschen verschwinden. Unterhaltsam ist die fast schon wissenschaftliche Theorisierung des sogenannten Fickblicks. Unter analogem Signalrauschen tragen Redner:innen ihre Kategorisierungen dreier zu unterscheidbaren Blickarten vor.
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In der zweiten Hälfte verliert der Soundtrack ein wenig vom anfänglich Fragmentarischen. 'Deform', 'Guitarmad' und 'Culture Houze' entwickeln einen gangbaren Hörfluss und nehmen dem Ganzen eine zwischenzeitliche Hörspielartigkeit. Rouage stellt zuletzt einige Noise-Entwürfe hinten an. Dabei ist 'BBB' zumindest musikalisch gesehen kein klassisches A-TON-Release. An vielen Ecken rauscht, knattert und brettert es und erinnert an die Low-Budget-Szene der frühen 2000er Jahre.
Die Frage lautet also erneut: Wieso jetzt, in einer wirtschaftlich instabilen Zeit, nach über 20 Jahren dieses Reissue? Im Prinzip ist das ganz einfach: Das kleine Stück Zeitzeugnis erinnert an ein Berlin, wie es mal war und gerade nicht ist, nie wieder sein wird. Das Zelebrieren von Subkultur zwischen Fetisch und Musik ist zumindest für den Moment gerade nicht greifbar und vermutlich auch in naher Zukunft noch nicht. Wenn man dann so will, sitzen wir gerade alle sehnsüchtig zu Hause in unseren kleinen Horny-Jails und geilen uns an den Erinnerungen auf.
’Bonking Berlin Bastards’ erschien am 05.03.2021 auf A-TON.
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