Rückblick 2024: Die Krise in der Clublandschaft
© Facebook/Watergate

Rückblick 2024: Die Krise in der Clublandschaft

Features. 4. Dezember 2024 | 5,0 / 5,0

Geschrieben von:
Nikta Vahid-Moghtada

Das Institut fuer Zukunft in Leipzig und das Watergate in Berlin machen Ende dieses Jahres dicht, die Berliner Renate muss die Türen Ende 2025 schließen. Einzelfälle sind das nicht: Die Clubszene steckt bundesweit in einer massiven Krise.

Fragt man gerade Clubbetreibende danach, wie sie ins kommende Jahr blicken, sieht es düster aus. Manche geben zu, noch gar nicht zu wissen, ob es ihren Club im Januar überhaupt noch gibt.  

Einige stellen sich diese Frage aber erst gar nicht mehr: Das Watergate in Berlin und das Institut fuer Zukunft in Leipzig stellen den Betrieb Ende des Jahres ein, die Renate am Berliner Ostkreuz hat das Aus für Ende 2025 verkündet. Andere versuchen den Betrieb mit Hilfsaktionen wie Crowdfunding zu retten, in Berlin etwa das ://about blank, die DiskoBabel, ein gemeinnütziger Kunst- und Kulturverein unweit der S-Bahn-Station Greifswalder Straße, oder der Hamburger Hafenklang, der durch die Spendenaktion vorerst gerettet werden konnte. 

Dass das nur Beispiele und längst keine Einzelfälle mehr sind, zeigt auch eine jüngst veröffentlichte Umfrage der LiveKomm, dem Bundesverband für Musikspielstätten in Deutschland. Am Club Monitoring der LiveKomm und deren Mitgliedsverbänden aus Berlin, Hamburg, Köln sowie Nordrhein-Westfalen nahmen insgesamt 121 Musikspielstätten teil. Demnach benötigen 55 Prozent der teilnehmenden Clubs im kommenden Jahr weitere Fördergelder, um ihren Betrieb am Laufen zu halten. Ihren Gesamtumsatz im Vergleich zum Vorjahr schätzen sie schlechter ein.

Auch der Blick in die Zukunft sieht nicht unbedingt rosig aus: 43 Prozent der Befragten schätzen, dass das Jahr 2025 schlechter laufen wird. 16 Prozent denken demnach sogar darüber nach, ihren Betrieb in den nächsten zwölf Monaten einzustellen. Und 62 Prozent gaben an, aufgrund der wirtschaftlichen Situation ihre Programmplanungen anpassen zu müssen und weniger Nachwuchskünstler:innen eine Live-Bühne bieten zu können als bislang.

Vielen Clubs droht die Pleite, hinzugekommen sind indes nur wenige neue Locations. In Wuppertal hat im April der Club Crowd in den Räumlichkeiten des ehemaligen Techno-Clubs Mauke eröffnet. In Leipzig zog in die Location des ehemaligen Mjut im Mai das Duqo, ein Ort, der Bar-, Restaurant- und Clubbetrieb vereint. 

Clubkrise – woran liegt’s?

Egal, in welche Ecken der Republik man gerade blickt: Die Szene schlägt Alarm. Die Gründe dafür sind mannigfaltig, sagt Thore Debor, Geschäftsführer des Hamburger Clubkombinats und stellvertretender Vorstandsvorsitzender der LiveKomm. Zum einen sei der "Corona-Effekt" noch spürbar: Das junge Clubpublikum habe sich in den Pandemiejahren verschlankt, sagt Debor. Gefeiert werde weiterhin – aber weniger in Clubs, sondern vermehrt im Privaten. Hinzu kommen verschiedene Krisen: Kriege, Energiekrise, allgemeine Inflation.

Diese Faktoren lassen nicht nur die Kosten im Clubbetrieb steigen, von der explodierenden Miete, wie im Fall des Watergate, über enorm gestiegene Gagen für Artists und DJs bis hin zu Getränkepreisen, sondern lassen auch die Freizeitbudgets der Besucher:innen schrumpfen. Clubbesuche waren schon immer teuer. Mehrfache Clubbesuche pro Monat können sich heute weniger Menschen leisten – da werde zweimal überlegt, ob die 20 Euro Eintritt sein müssten, sagt auch Debor. 

Ein weiterer Faktor ist die Positionierung im Nahost-Konflikt, der die Szene massiv spaltet, zu einer Reihe von Cancellings führt, Veranstaltende teils viel Geld kostet und das Publikum ausbleiben lässt. Zuletzt hat etwa das Conne Island in Leipzig einen Spendenaufruf wegen finanzieller Schwierigkeiten gestartet.

Neben den gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Krisen verwies das Conne Island auch auf die politische Situation rund um den Israel-Palästina-Konflikt. Der Kulturort beklagt eine "antisemitische Boykottkampagne" mit gezielten Boykottaufrufen, aufgrund derer 2023 und 2024 mehrere große Konzertabende abgesagt werden mussten. 

Wilde Renate Schließung
Die Renate in Berlin schließt Ende 2025 / © Facebook/Wilde Renate

Berlin: Clubsterben in der Hauptstadt

Anfang November hat auch die Berliner Clubcommission die Zahlen ihres Monitorings unter Berliner Clubs im Senat vorgestellt – in der Stadt, deren Technokultur noch im März 2024 ins Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes der Deutschen UNESCO-Kommission aufgenommen wurde. Knapp die Hälfte aller Clubs hat demnach angegeben, dass sie nicht wissen, ob und wie es 2025 weitergehen soll. Der Umsatz ist der Berliner Umfrage zufolge im Schnitt um 55 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gesunken, der Gewinn um 61 Prozent. 

"Die Clubschließungen der letzten Monate sind erst der Anfang einer Entwicklung", teilte die Clubcommission im November mit. "Sinkende Besuchendenzahlen, steigende Kosten und fehlende staatliche Unterstützung bedrohen die Zukunft der Szene", so die Clubcommission. Dagegen helfe eine klare Unterstützung durch das Land Berlin und ein sofortiger Stopp der geplanten Kürzungen im Kulturetat, heißt es weiter.

Rufe nach mehr Förderung

Darüber ist sich die Szene einig: Es braucht mehr finanzielle Unterstützung. Im Gegensatz zu anderen Kultursparten sehe es in Sachen Förderungen für Clubkultur noch mau aus, kritisiert auch Thore Debor. Vor allem kleinere Locations, die durch die Kapazitätslimitierung nicht profitorientiert wirtschaften können, benötigen Förderprogramme, sagt der Hamburger. "Es wäre ein Signal, vor allem auch an die Betreibenden, dass da ein Rettungsanker ist und dass sie nicht allein gelassen werden mit ihren finanziellen Nöten und Sorgen."

Die LiveKomm fordere keine Vollkostenförderung, sondern lediglich Zuschüsse, die einen gewissen Kostendruck mindern würden, sagt Debor. Verglichen in Summen "würde uns die Förderung einer Staatsoper schon reichen". 

Schrumpfende Kulturetats

Die Clubbranche ist lange nicht die einzige in Deutschland, der es derzeit schlecht geht. Zahlen des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) zufolge sind im dritten Quartal dieses Jahres so viele Firmen insolvent gegangen wie seit 2010 im Nachgang der Weltwirtschaftskrise 2008 nicht mehr. Doch es sind vor allem die kleinen Clubbetriebe, die von der Pleitewelle betroffen sind.

Große Hoffnung auf finanzielle Unterstützung durch die Länder besteht nicht. Allein in Berlin sollen nach einem Senatsbeschluss vom 19. November im Kulturbereich rund 130 Millionen Euro eingespart werden. Bislang betrug der Gesamtposten "Musik, Festivals und Clubkultur" insgesamt 1,6 Millionen Euro. Dieses Budget wird ab dem kommenden Jahr um 600.000 Euro sinken.

Doch nicht nur in Berlin, auch bundesweit soll der Kulturetat 2025 schrumpfen: Plänen der Bundesregierung zufolge sind für die sechs Kulturfonds (Stiftung Kunstfonds, Fonds Darstellende Künste, Literaturfonds, Fonds Soziokultur, Übersetzerfonds und Musikfonds) im Bundeshaushalt für 2025 nur noch 18 Millionen Euro vorgesehen, 2024 waren es noch rund 34,3 Millionen Euro.

Das wird freilich nicht nur die Clubszene treffen – aber auch sie. Noch ist der Bundeshaushalt für 2025 jedoch nicht beschlossen. Die dafür anberaumte Sitzungswoche Ende November wurde nach dem Ampel-Streit und dem Bruch der Koalition vorerst abgesagt.

Auch das IfZ in Leipzig wird schließen. / © IfZ

Wie reagiert die Szene?

Um sich nachhaltig finanzieren zu können, müssen Clubbetreibende derzeit Flexibilität und Ideenreichtum an den Tag legen. Während die einen versuchen, Einnahmen aus Merch zu generieren, gehen andere den Weg über die Vermietung der Räumlichkeiten für private Events, wie es das Dresdner objekt klein a handhabt. Andere erweitern das Programm um Konzerte, experimentieren mit niedrigeren Eintrittspreisen, um mehr Publikum zu ziehen oder bieten, wie das Gewölbe in Köln, das auf Community-Building setzt und, wie auch das Elipamanoke in Leipzig, Community-Tickets zu vergünstigten Preisen an. 

"Stiller Tsunami" durch die Programme

Fragt man Thore Debor danach, wie es der Clublandschaft geht, spricht er von einem "stillen Tsunami", der gerade durch die Veranstaltungskalender rolle. "Das Programm, das nicht stattfindet, sieht man auch nicht", sagt er und meint damit: Die Clubszene kennt Krisen. "Zu Zeiten der Corona-Lockdowns waren Clubs die ersten, deren Türen geschlossen wurden und die letzten, die wieder aufmachen konnten." Die Aufmerksamkeit damals sei groß gewesen, Förderprogramme wie "Neustart Kultur" wurden geschaffen und die Szene so durch die Krise getragen. Heute sei das anders, sagt Debor.

Die Clubtüren seien weit offen, doch die Kundschaft wandere teilweise ab und die Kassen leerten sich. Das wirke sich längst schon auf die Programme aus. Clubs werden immer häufiger für private Feierlichkeiten vermietet, unbekannte Nachwuchs-Acts zugunsten der großen Namen weniger gebucht und die Programme seien dadurch weniger vielfältig und häufiger glattgebügelt. 

Aber die Hoffnung sterbe auch für die kriselnde Clublandschaft zuletzt, sagt Thore Debor. Hoffnungsvoll blicke er zum Beispiel auf zunächst symbolische Taten: Im März dieses Jahres wurde "Technokultur in Berlin" in das deutsche Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes der UNESCO aufgenommen. Ein zweifelsohne rein symbolischer Akt – aber ein Zeichen dafür, dass Clubkultur zunehmend ernst genommen werde, meint Debor. Es brauche mehr Sichtbarkeit und Anerkennung in der Politik. Das sei ein erster Schritt in Richtung staatlicher Förderprogramme, die auf die Rettung der Clubkultur zielen könnten.

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