In diesem Gastbeitrag gibt uns Ole von Salection.de nicht nur eine Rückblende auf die wichtigsten Entwicklungsetappen in der DJ-Technikgeschichte, sondern erlaubt uns auch einen Blick in seine persönliche Glaskugel. Als DJ und Veranstalter ist Ole aka Bario Katz teil der Dresdner Subkultur. Mit Salection.de hat er jahrelang Erfahrungen im DJ-Equipment-Handel gesammelt und betreibt unter gleicher URL einen Blog mit viel Herzblut. Ich persönlich bin ein großer Fan seiner ostalgischen Bildsprache und einer Wortwahl, die mich, zwischen den Zeilen gelesen, durch eine gesunde Mischung aus Reflexion und Zynismus, immer wieder zum Schmunzeln bringt. >>Salection Blog
Es war einmal...
der DJ und der technische Fortschritt, ein ungleiches Paar. Tief drinnen schlägt das Herz für Vinyl, selbst bei denen, die noch nie eine Schallplatte gekauft haben. It `s magic. Der DJ und die Vinyl, das sind die beiden, die eigentlich Hochzeit feiern sollten. Für die schlugen schon fast die Glocken. Doch es kam anders. Spulen wir mal zurück...
Apropos spulen: Für Schallplattenunterhalter im Osten lange Zeit das, was im Westen das Auflegen der Nadel auf eine Platte war. Aus Mangel an Turntables behalf man sich mit Spulentonbändern und Kassettendecks. Der Pitch wurde mit einem Schraubendreher geändert und gescratcht wurde später auch irgendwie. Ging ja nicht anders, so ohne Schallplatten. Da hatte der Ossi keine Wahl. Nach 89 kam direkt die CD und es kam ein Mixer von Pioneer. Drei Buchstaben, drei Zahlen. DJM-500, aus heutiger Sicht eine Missgeburt von Mixer. Damals allgegenwärtig und der Grundstein für ein Monopol. Das Wort dafür war noch nicht geboren: Clubstandard.
In Holland erfand man derweil eine Art Methadonprogramm für Vinylsüchtige. Final Scratch, ein digitales Vinylsystem. MP3s auf dem Rechner, gesteuert durch Schallplatten. Zu verrückt für die meisten DJs – vorerst. Wie soll man denn ohne Cover die Songs raussuchen? Wenig später stand in jeder DJ-Booth ein Laptop und noch etwas später auch mehrere, wenn es mehrere DJs gab. Zwei Plattenspieler, ein Mixer, ein Rechner – ein unschlagbares Quartett. Nur teuer. Müsste man billiger realisieren können. Volle Kontrolle und alles in einem Gerät. Könnte man Controller nennen.
Solche Gedankengänge gab es vermutlich bei Numark oder Hercules, aber nicht bei Pioneer. Die hatten damit zu tun die Mixerpalette auszubauen und nebenher die Plattenspieler durch CD-Player zu ersetzen. Auch hier: Clubstandard. Möglichst hochpreislich. Software und Controller? Sollen die anderen machen. Das sehen die DJs eh mit Skepsis - vorerst. Auflegen ohne drehende Platten? Wie soll denn das gehen? Wenig später stand … in jedem Kinderzimmer ein Controller. Von mir aus auch auf einer Geburtstagsparty oder bei Tanzabenden, durchgeführt von den Kollegen der mobilen Zunft. Aber Controller in Clubs? Wie soll`n das aussehen, wenn nicht PIONEER dran steht. Moment mal.
Mittlerweile hatte Pioneer eine Allianz mit Serato geschmiedet. Serato - Inbegriff einer DJ-Software und im stetigen Zweikampf mit einer Berliner Company, die beschlossen hatte nicht jeden mit ihrem Traktor fahren zu lassen. Hardware baut Native Instruments, so der Name der Firma, selber. Anders als Serato, die aber mit Pioneer zeigen wie man schnell Hardware baut. In allen Preisklassen und Varianten. Aber noch immer kein Clubstandard. Weil …?
Ja warum eigentlich? Weil die DJs nicht ran wollen? Oder die Clubs? Weil gar das Publikum Einwände hätte? Oder weil es noch immer kein wirklicher Ersatz für Turntable und Mixer ist? Weil der CD-Player alles kann? Oder wegen dem störanfälligen Rechner? Viele Fragen, keine Antwort und Erklärungsansätze, so zahlreich wie die Definitionen von Deejay...
Pioneer scheint eine Art Raster aufgebaut zu haben, um diese Nuss zu knacken. Ersten Versuchen mit Controllern folgten CD-Player, die Software steuern konnten. Pioneer baute Controller, die CD-Player und Mixer in einem Gerät vereinten – nur eben ohne CD-Slot. Und ohne Display. Später dann auch mit Displays. Immer schön nach Alphabet. DDJ-SB, SR, SX, SZ. Der vorerst letzte Versuch trägt die Bezeichnung XDJ-1000 und ist eine Art Desktop CD-Player ohne Laufwerk. Dafür mit Touch Display und der Fähigkeit sowohl von USB-Devices, als auch via Netzwerk Musik zu spielen. Und auch als Controller für eine Software zu fungieren. Was sagt der DJ? Der ist skeptisch - vorerst.
Pioneer XDJ-Z
Wo ein XDJ-1000 ist, ist ein XDJ-2000 nicht weit und wenn es einen XDJ-1000 gibt, könnte man auch zwei davon mit einem Mixer verbinden. Arbeitsname: XDJ-Z. Eine Mutation aus dem DDJ-SZ und dem XDJ-1000. Oder auch aus der 2000er Nexus-Serie, ohne Laufwerk. Dafür mit Displays und mit geräteeigenem Betriebssystem. All In One. Kein externer Rechner mehr. Könnte aussehen wie auf dem Bild. Aber hätte Pioneer damit Chancen auch einen Clubstandard zu setzen? Ich bin skeptisch, vorerst.
Mit seinen Jogwheels setzt ein potentieller XDX-Z zu klassisch an. Für Mobil-DJs ohne Frage interessant. Aber warum sollte sich ein solches Gerät im Club durchsetzen, wenn es ähnlich konzipierte Vorgänger nicht taten? Wegen der Displays und dem Spielen direkt vom Stick und aus der Cloud? Gab es alles irgendwie schon, nur nicht in der Kombination. Da wirkt Pioneer wie eine italienische Eisdiele. Zwei Kugeln Zitrone mit Karamell und Krokant, im Waffelbecher. Keine Revolution. Mut zum Leberwursteis mit Hanfsamen, auf Pumpernickel! Was in etwa so ungewöhnlich ist, wie der Weg den Native Instruments mit dem Kontrol S8 geht. Ein Weg weg von Jogwheels und dem Mischen von zwei Tracks, hin zum Liveremix. Da sehe ich eher eine Zukunft. Für die meisten DJs aber zu verrückt. Vorerst. Welches Eis würde wohl besser abverkaufen?
Meine Prognose
Kleinere Hersteller werden nachbauen was Pioneer baut. Pioneer wird die Eisvarianten durchkombinieren und auch was ins Sortiment nehmen, was dem Kontrol S8 ähnelt. Dafür muss Serato schauen was Native macht und Native muss Vorarbeit leisten, um DJs vom “ Live Remixing“ zu überzeugen. Die DJs sind natürlich skeptisch. Irgendwann stehen vielleicht auch paar, vom Jogwheel befreite, Controller in der DJ-Booth. So wie einige XDJ-Z. Was sich ändern könnte ist die Musikquelle. Direkt aus der Wolke. Als Ausgleich gibt es 90er Jahre Technoparties mit Vinyl only und Veranstaltungen, die darauf hinweisen, dass sich der DJ tatsächlich mehr mit Musik als mit Technik befasst. Kurz: alles bleibt wie es ist. Vorerst.
Und was denkst Du über den XDJ-Z?
1 Kommentare zu "Rückschau nach vorn: Pioneer XDJ-Z - DJing 2015?"
Sehr guter Artikel zur Rückschau bzw. Ausblick 2015!
Wie aber schon erwähnt wurde scheint alles in die richtig "Kein externer Rechner mehr." zu gehen.
Der Laptop wurde noch nie 100%ig im Live-Mixing akzeptiert, Beispiele wären das 70% die Elite 2014 ausschließlich mit DJM-900 Nexus + 4x CDJ-2000 gespielt hat oder aussagen im Wedding-DJ-Bereich wie: "wir brauchen einen richtigen DJ und nicht so einen der mit Laptop auflegt" oder auch der Sync Glaubenskrieg der auf den Laptop zurückzuführen ist.
Auch in einem ganz aktuellen Artikel wird beschreiben das Native mit dem S8 eine schwere Stellung einnimmt. Was damit kommentiert wird das beim S8 auf LCD's gesetzt wird, Focus mehr auf dem wesentlichen, aber man trotz allem an die Software bzw. an den Laptop gebunden ist. Was hier als eine Sackgasse beschreiben wird solange man die Software nicht integriert. Der Laptop sollte nur vor dem Event bei Auswahl und Zusammenstellung zum Einsatz kommen.
Gegenstand des Artikels war die Gegenüberstellung von XDJ-1000 und S8.
Meiner Meinung nach ist das aber alles nicht von belang, da es ist erstmal egal wie Musik entsteht und letztendlich nur das Zählt was am Ende rauskommt.
Und am Ende entscheidet letztendlich nur der Mainstream, was sich am besten Verkaufen lässt und die Eissorten und ihr Mischungsverhältnis.
PS: Meine Prognose für 2015 wird Xone 92 bzw. DJM-900 Nexus + 4x XDJ-1000 + evtl. Push bzw. Push2 ?
Lg
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Danke für Deinen Kommentar!
Deine Prognose habe ich allerdings noch nicht so ganz verstanden. Das sind ja alles Geräte, die es schon gibt.
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